Dipl.-Psych. Julia Scharnhorst
Neben der eigentlichen Arbeitsaufgabe und der Organisation der Arbeit spielt auch die Gestaltung der Arbeitszeit eine wesentliche Rolle für die Gesundheit der Beschäftigten. Die Beschäftigten sollen genügend Zeit für Erholung, Familie, Freizeit und Kultur haben. Andererseits ist den Unternehmen daran gelegen, die Mitarbeiter zu den betrieblich notwendigen Zeiten zur Verfügung zu haben.
Bei der menschen- und gesundheitsgerechten Gestaltung der Arbeitszeit sollten nicht nur die eigentlichen Arbeitszeiten betrachtet werden, sondern auch die angrenzenden Bereiche:
- Pausenregelungen,
- atypische Arbeitszeiten (lange Arbeitszeiten, Schicht- und Wochenendarbeit, flexible Arbeitszeiten),
- (räumliche) Mobilität,
- arbeitsbezogene Erreichbarkeit,
- Abschalten vom Arbeitsalltag (Ruhezeiten, Detachment),
- Work-Life-Balance.
Es gibt verschiedene Arbeitszeitmodelle, die unterschiedliche Vor- und Nachteile jeweils für die Mitarbeiter und die Unternehmen haben. Gelegentlich anzupacken und 12 Stunden oder mehr zu arbeiten, schädigt noch nicht gleich die Gesundheit. Wird lange oder unregelmäßige Arbeit allerdings zum Dauerzustand, können sowohl der Körper, als auch die Psyche darunter leiden. Die psychischen Folgen zu langer Arbeitszeiten können sein:
- mentale Erschöpfung,
- Schlafstörungen,
- Unfähigkeit zum Abschalten,
- Stress,
- Angstgefühle,
- Burnout.
Gleichzeitig sind auch die Möglichkeiten zum Ausgleichen und Auftanken mangels freier Zeit stark eingeschränkt. Ein intaktes soziales Leben ist dann kaum noch möglich. So gerät nach und nach die gesamte Work-Life-Balance aus dem Gleichgewicht, was sich negativ auf die Gesundheit, die Leistungsfähigkeit und die Motivation auswirkt.
Es ist ein Irrtum zu glauben, dass langes Arbeiten auch effektives Arbeiten wäre. Je länger die Arbeit dauert, desto mehr steigt die Ermüdung, während Aufmerksamkeit und Leistung absinken. So steigt bereits nach der siebten Arbeitsstunde das Unfallrisiko stark an, in der zwölften Arbeitsstunde hat sich das Unfallrisiko gegenüber der normalen Arbeitszeit dann schon verdoppelt.
4.4.1 Flexible Arbeitszeit
Flexible Arbeitszeitmodelle werden immer häufiger. Gerade, weil die Gestaltung der Arbeitszeit einen so großen Einfluss auf die Gesundheit, das Wohlbefinden und die soziale Lebensgestaltung der Beschäftigten hat, müssen deren Interessen bei der Erstellung von Arbeitszeitmodellen und -plänen berücksichtigt werden. Selbstverständlich muss die Arbeitszeitgestaltung auch den Notwendigkeiten des Unternehmens gerecht werden. Mit innovativen und vor allem flexiblen Arbeitszeitmodellen können die Bedürfnisse beider Seiten einbezogen werden. Die rechtliche Grundlage ist dabei das Arbeitszeitgesetz, dessen Ziel es ausdrücklich ist, die Voraussetzungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern.
Grundlegende Regelungen des Arbeitszeitgesetzes:
- Die werktägliche Arbeitszeit soll im Regelfall höchstens 8 Stunden betragen.
- Ausdehnungen auf bis zu 10 Stunden sind möglich, wenn innerhalb eines Zeitraums von bis zu 6 Monaten oder 24 Wochen im Tagesdurchschnitt 8 Stunden und im Wochendurchschnitt 48 Stunden nicht überschritten werden.
- Wöchentlich ist eine Arbeitszeit von 60 Stunden erlaubt, wenn der vorgeschriebene Zeitausgleich erfolgt (vorausgesetzt, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung legen nichts anderes fest).
- Bei Nachtarbeit dürfen 8 Stunden nur überschritten werden, wenn die Verlängerung auf bis zu 10 Stunden pro Tag innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von 4 Wochen auf durchschnittlich 8 Stunden ausgeglichen wird.
- Die Verteilung der werktäglichen Arbeitszeit ist nicht eingeschränkt.
Flexible Arbeitszeiten können ständig an den betrieblichen Bedarf und/oder an die Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst werden. Ob diese ständige Anpassung auch wirklich in die Tat umgesetzt wird, ist für die Definition flexibler Arbeitszeit nicht von Bedeutung, es geht vielmehr um die Möglichkeit zur freien Gestaltung. Wenn Mitarbeiter bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeiten angemessen beteiligt werden, führt das zu mehr Arbeitszufriedenheit, Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Produktivität. Flexible Arbeitszeiten haben verschiedene Vorteile:
- Mehr Arbeitsplatzsicherheit: Unternehmen können auf Auftragsschwankungen besser reagieren und müssen bei verringerter Auftragslage nicht gleich Mitarbeiter entlassen.
- Mehr Wettbewerbsfähigkeit: Längere Betriebs- oder Maschinenlaufzeiten werden möglich.
- Höhere Arbeitsplatzattraktivität: Für qualifizierte Arbeitskräfte ist eine Zeitsouveränität sehr attraktiv, genauso wie weitreichende Autonomie und große Handlungsspielräume.
- Mehr Motivation: Beschäftigte, die eigenverantwortlich die Dauer und Verteilung ihrer Arbeitszeit mitbestimmen können, sind motivierter und produktiver.
- Mehr Lebensqualität: Die Work-Life-Balance bleibt ausgeglichen, weil bei der Arbeitszeitverteilung auch private und soziale Interessen berücksichtigt werden können. Damit steigen Lebensqualität und -zufriedenheit. Dies ist die Grundlage für psychische und körperliche Gesundheit.
Es ist zwar bekannt, dass besonder...