Neben der Lernpsychologie hat auch die Motivationspsychologie viel dazu beigetragen, Verhalten von Menschen zu verstehen. Lernen ist immer mit der Motivstruktur einer Person verbunden. Die Befriedigung von Wünschen, Zielen, Bedürfnissen oder die Realisierung von Werthaltungen, Überzeugungen und grundsätzlichen Ansichten – denn nichts anderes sind Motive – bestimmen zu einem großen Teil die Richtung von Verhalten. Die Motivation dagegen ist der Motor des Verhaltens, d. h., sie gibt den Antrieb, Motive zu verwirklichen.
Motive und Motivation
- Hat ein Mensch Hunger (= Motiv), wird er bemüht sein, sich Essen zu verschaffen (= Motivation); ist er satt, können ihn (normalerweise) Schokokekse und Currywurst nicht locken. Sein Bedürfnis nach Nahrung ist befriedigt.
- Ist ein Mitarbeiter davon überzeugt, dass das Tragen von Schutzkleidung nicht betriebliche Willkür ist, sondern letztlich nur seinem Wohlergehen dient (= Motiv), wird er diesbezügliche Vorschriften nicht hinterfragen und selbstverständlich "Persönliche Schutzausrüstung" tragen (= Motivation).
Beiden Beispielen ist gemeinsam, dass bestimmte Dinge getan und gewisse Dinge unterlassen werden. Die Vorstellung darüber, was gut oder nicht gut, richtig oder falsch ist, motiviert Menschen zu einem ganz speziellen, individuellen Verhalten.
4.1 Universelle Motive
Universelle Motive sind Motive, die viele Menschen teilen. Dazu gehören physiologische Grundbedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse, Ich-Bedürfnisse sowie der Wunsch nach Selbstverwirklichung (Abb. 4).
Abb. 4: Die Bedürfnispyramide von Maslow
Das Wissen um die universellen und individuellen Motive von Menschen kann man sich auch in der Arbeitssicherheit zunutze machen. Insbesondere die 3 mittleren Motivgruppen: (a) der Wunsch nach Struktur, Ordnung und Schutz, (b) das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und (c) Anerkennung und Wertschätzung lassen sich im Betrieb realisieren.
Motivation von Mitarbeitern
- Führungskräfte und Arbeitsschutzakteure sollten Mitarbeiter ansprechen und deutlich machen, dass sie ihr umsichtiges Verhalten schätzen und anerkennen. Sie werden nicht nur als gute Mitarbeiter geschätzt, sondern auch als Vorbild für die anderen Kollegen. Ein Sekundäreffekt ist, dass die Mitarbeiter merken, dass ihr Verhalten nicht unbemerkt bleibt.
- Die fachliche Kompetenz und die Erfahrung der Mitarbeiter wertzuschätzen sind weitere Bausteine im Bemühen um Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Mitarbeiter als Experten ihrer Arbeit zu akzeptieren, heißt, von ihrem Know-how zu profitieren, Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten und betriebliche Stolpersteine aus dem Weg zu räumen.
- Um die individuellen Motive eines Mitarbeiters oder Kollegen für ein bestimmtes Verhalten zu erfahren, bieten sich Vier-Augengespräche an.
4.2 Grenzen der Motivation
Mit Motivation kann man zwar viel, aber nicht alles erreichen. Motivation hört dort auf, wo Mitarbeiter physisch und psychisch überfordert sind. Wenn kritische Situationen nicht wahrgenommen, in ihrem Gefahrenpotenzial nicht richtig eingeschätzt oder falsche Schlussfolgerungen gezogen werden, kann mit Motivation nichts bewirkt werden. Dann müssen andere Maßnahmen ergriffen werden, wie die Eliminierung von Unfallgefahren, die räumliche Trennung von Mensch und Gefahr, technischer Schutz oder organisatorische Vorkehrungen. Und: Wenn jemand partout nicht will, hilft alles Motivieren nicht.