Die Stoffe, die unter REACH auf Dauer ersetzt werden sollen, werden als "besonders besorgniserregende Stoffe" bezeichnet (Englisch: "substances of very high concern" – SVHC). Beispiele hierfür sind das Flammschutzmittel HBCD (Hexabromocyclododecan) und der Weichmacher DEHP (Diethylhexylphthalat). In einem aufwendigen Bewertungsverfahren wird von den Mitgliedsstaaten und der ECHA geprüft, ob ein Stoff besonders besorgniserregend ist. Mit einem sog. Anhang-XV-Dossier zur Identifizierung eines Stoffes als SVHC kann die Aufnahme eines Stoffes auf die sog. REACH-Kandidatenliste beantragt werden.
Die meisten Einträge nennen einzelne Stoffe (z. B. Tris(2-methoxyethoxy)vinylsilane). Viele Einträge nennen aber auch mehrere Stoffe bzw. Stoffgruppen. Z. B. ist im Januar 2022 (±)-1,7,7-trimethyl-3-[(4-methylphenyl)methylene]bicyclo[2.2.1]heptan-2-on in die Liste aufgenommen worden. Dieser Eintrag nennt dann die verschiedenen Isomere des Stoffes und bezieht sich auch auf Gemische dieser Isomere. Da mitunter mehrere Stoffe aufgeführt werden, werden in den 223 Einträgen der REACH-Kandidatenliste mehr als 360 Einzelstoffe als besonders besorgniserregend genannt.
Bei jedem Eintrag steht auch, welche problematischen Eigenschaften zur Listung geführt haben. Es können 6 Gruppen von Stoffen unterschieden werden. Sie werden in Art. 57 REACH genannt:
- CMR-Stoffe: Krebserzeugende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsschädigende Stoffe (Kategorien 1A + 1B CLP-Verordnung 1272/2008/EG). Ein Beispiel ist Tris(2-methoxyethoxy)vinylsilane, das die Fortpflanzung schädigen kann.
- PBT-Stoffe: persistente (schlecht abbaubare), bioakkumulative und giftige Stoffe (Kriterien gemäß Anhang XIII 1907/2006/EG). Ein Beispiel ist S-(tricyclo(5.2.1.0'2,6)deca-3-en-8(or 9)-yl O-(isopropyl or isobutyl or 2-ethylhexyl) O-(isopropyl or isobutyl or 2-ethylhexyl) phosphorodithioate. Dieser Stoff wurde im Januar 2022 neu auf die Kandidatenliste aufgenommen.
- vPvB-Stoffe: sehr persistente und sehr bioakkumulative Stoffe (Kriterien: Anhang XIII 1907/2006/EG). Ein Beispiel sind Chlorparaffine mittlerer Kettenlänge.
- Ähnlich besorgniserregende Stoffe, z. B. hormonell wirksame Stoffe, sensibilisierende Stoffe (Englisch: "equivalent level of concern" – ELoC). Glutaral ist ein atemwegssensibilisierender Stoff, der in diese Gruppe gehört.
Manche Stoffe gehören zu mehr als einer dieser Gruppen. So steht 1,4-Dioxan auf der Kandidatenliste, weil es krebserregend ist und außerdem weitere sehr schwerwiegende Schäden beim Menschen und in der Umwelt hervorrufen kann.
Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, warum "Ihr" Stoff auf der Kandidatenliste steht
In der REACH-Kandidatenliste wird der Grund für die Listung stichwortartig in Spalte 5 "Grund für die Aufnahme" genannt. Eine genaue Beschreibung der Problematik des Stoffes gibt das sog. "Unterstützende Dokument", das zur Identifizierung des Stoffes als SVHC erarbeitet wurde. Es ist für jeden Stoff der Kandidatenliste leicht zugänglich. Die rechte äußere Spalte der Kandidatenliste führt zu einer Auflistung zusätzlicher Informationen zum Stoff.
Hier wird an fünfter Stelle das sog. "Unterstützende Dokument" genannt. In ihm werden mit vielen Einzelheiten die problematischen Eigenschaften des Stoffes beschrieben.
Die REACH-Kandidatenliste wird regelmäßig aktualisiert, in den letzten Jahren etwa 2-mal pro Jahr. Im Zulassungsverfahren ist die Listung eines Stoffes auf der Kandidatenliste der erste Schritt, diesen Stoff zu verbieten und durch andere Stoffe bzw. Verfahren zu ersetzen. Wie weiter oben in Abschn. 3 beschrieben, tritt dieses Verbot erst in Kraft, wenn ein Stoff der REACH-Kandidatenliste im zweiten Schritt in den Anhang XIV 1907/2006/EG aufgenommen wurde und das dort festgesetzte Datum für das Verbot abgelaufen ist.
Bei besonders besorgniserregenden Stoffen ist davon auszugehen, dass auch durch Risikomanagementmaßnahmen die von ihnen ausgehenden Gefahren nicht beherrscht werden können. Dies unterscheidet diese Stoffe von anderen Gefahrstoffen, bei denen z. B. durch technische Schutzmaßnahmen die entstehenden Freisetzungen in ausreichendem Maß gesenkt werden können. Untersuchungen z. B. an dem bromierten Flammschutzmittel Hexabromocyclododecan (HBCD) haben gezeigt, dass auch beim Tragen von Schutzhandschuhen eine zu große Belastung von Arbeitern in der Produktion stattfindet. Für diesen Stoff – ein SVHC – konnte auch nachgewiesen werden, dass selbst bei Produktion mit um...