Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Zusammenfassung
Schwere und tödliche Unfälle sind für die Kollegen im betrieblichen Umfeld eine Ausnahmesituation: Der eigene Schock und die persönliche Betroffenheit müssen bewältigt und gleichzeitig bestimmte Handlungsschritte zeitnah und richtig vollzogen werden. Nach den unmittelbaren Rettungs- oder Sicherungsmaßnahmen sind das vor allem Informations-, Kommunikations- und Dokumentationsaufgaben, die intern und gegenüber Behörden, Angehörigen und Öffentlichkeit wahrgenommen werden müssen. Dabei geht es nicht nur darum, dass der Betrieb seiner rechtlichen Verantwortung sowie seinen Fürsorgepflichten korrekt nachkommen kann, sondern oft – und unvermeidlich – auch um die Schuldfrage, die u. U. Kollegen, Vorgesetzte oder Fachabteilungen direkt betrifft und eine ohnehin bereits dramatische Situation noch erschwert. Außerdem gilt es, sensibel mit der öffentlichen Wahrnehmung eines solchen Unfalls umzugehen. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Schritte, die für eine umsichtige und korrekte Unfallabwicklung erforderlich sind, damit im Interesse aller Betroffenen das Unfallgeschehen umfassend aufgearbeitet werden kann.
Die gesetzliche Unfallversicherung ist umfassend im Sozialgesetzbuch VII geregelt (Strukturen, Zuständigkeiten, Leistungen usw.). Die Schwere eines Arbeitsunfalls spielt darin hauptsächlich bezogen auf die Leistungen eine Rolle. Im Hinblick auf die organisatorischen Abläufe nach einem Unfall gilt immer die bekannte 3-Tages-Regel, nach der Arbeitsunfälle dann meldepflichtig sind, wenn Versicherte getötet oder mehr als 3 Tage arbeitsunfähig werden. § 193 SGB VII regelt, wie und an wen die Meldung zu erfolgen hat. Präzisiert wird das in der Unfallversicherungs-Anzeigeverordnung (UVAV).
Unfälle können immer auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Wenn die zu erwartenden Unfallfolgen erheblich sind, ist damit zu rechnen, dass es zu Ermittlungen im Hinblick auf den Verdacht der fahrlässigen oder grob fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung kommen kann. Weil in diesen Fällen die schnelle und zuverlässige Beweissicherung wesentlich ist, müssen der Arbeitgeber bzw. seine Verantwortlichen vor Ort dann kurzfristig auch mit den Ermittlungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaft) zusammenarbeiten (§§ 158 ff. Strafprozessordnung).
1 Ausnahmesituation "Schwerer Unfall"
Ein schwerer Unfall ist ein Schockerlebnis für alle Betroffenen. Nicht nur das oder die Unfallopfer, sondern auch Ersthelfer, Unfallzeugen, Verantwortliche im Betrieb, Kollegen und die Angehörigen geraten weitgehend unvorbereitet in eine Ausnahmesituation, für die ihnen kaum Handlungsmuster und Erfahrungen vorliegen. Daher erleben auch Personen, die gewohnt sind, zügig, umsichtig und korrekt zu entscheiden und zu handeln, gerade solche Situationen als unübersichtlich und überfordernd.
Eine feste Abgrenzung für "schwere" Unfälle kann es dabei nicht geben: In der akuten Situation sind die genauen Unfallfolgen oft gar nicht absehbar und auch die Unfallumstände, z. B. die Person des Opfers oder die Schuldfrage, können eine Rolle spielen. Schwere Unfälle können sein:
- tödliche Unfälle,
- wenn bleibende Körperschäden wahrscheinlich sind,
- wenn mehrere Personen betroffen sind,
- wenn eine spektakuläre Außenwirkung eingetreten ist.
Vorbereitung auf den Notfall
Auch wenn im betrieblichen Alltag kaum ein Anlass dazu zu bestehen scheint: Wer als Führungskraft oder Sicherheitsfachkraft im Betrieb mit der Aufgabe konfrontiert werden kann, einen folgenschweren Unfall abwickeln zu müssen, sollte sich gedanklich auf diesen Fall vorbereiten, Abläufe planen und ggf. in geeigneter Form festhalten.
2 Unfallabwicklung – was ist zu tun?
Der folgende Überblick zeigt die einzelnen notwendigen Schritte und das richtige Verhalten nach einem schweren oder tödlichen Unfall:
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2.1 Rettungskette
Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass "nach einem Unfall unverzüglich Erste Hilfe geleistet und eine erforderliche ärztliche Versorgung veranlasst wird." (§ 24 Abs. 2 DGUV-V 1)
Jeder Unfall, der eine notärztliche Behandlung erforderlich macht, muss daher die sog. Rettungskette auslösen. Sie bezeichnet die strukturierte Abfolge von Rettungs- und Alarmierungsmaßnahmen und umfasst folgende Glieder:
- Sofortmaßnahmen, wie Abschalten von gefährlichen Anlagen, Verletzten aus Gefahrenzone bringen, Freimachen von Atemwegen, Atemspende u. Ä.,
- Notruf absetzen,
- Maßnahmen der Ersten Hilfe, wie Kreislaufüberwachung, Wärmen, Wundversorgung usw.,
- Rettungsdienst,
- Krankenhaus.
Wenn die Rettungskette richtig abgelaufen ist, ist davon auszugehen, dass für das Wohlergehen des Verunfallten, sofern er noch am Leben ist, alles Mögliche getan wurde. Damit ist bereits eine große Verantwortung von den vor Ort handelnden Personen genommen. Allerdings sind die Unfallabwicklung und die damit verbundene Anspannung noch lange nicht abgeschlossen.
2.2 Unfallstelle abriegeln
Selbs...