Dr. rer. nat. Gerald Schneider
Soll im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung (GB) die Eintrittswahrscheinlichkeit für einen Schaden oder ein negatives Ereignis ermittelt werden, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
- In der Vorbereitung der GB werden aufgrund bereits vorliegender Erfahrungen oder einer Begehung die späteren Wahrscheinlichkeitskategorien (also die "freien" Kriterien) festgelegt.
- Es wird geprüft, ob es bei der Tätigkeit grundsätzlich zu einer Gefährdung kommen kann. Diese ist ausreichend klar zu benennen (z. B. Absturz vom Dach, Lärmexposition usw.).
- Dann ist zu prüfen, ob es für diese Gefährdung normierte Wahrscheinlichkeitswerte gibt.
- Wenn ja (z. B. die Lärmexposition), sind entsprechende Messungen oder andere Ermittlungen vorzunehmen und die Eintrittswahrscheinlichkeit entsprechend dem jeweiligen Kontext zuzuweisen.
- Wenn nein (z. B. Absturz vom Dach), sind die entsprechenden freien Kriterien anzuwenden.
- Die Ergebnisse sollten ausreichend dokumentiert sein, wobei mit niedergelegt wird, auf welcher Entscheidungsgrundlage die Eintrittswahrscheinlichkeiten ermittelt wurden.
Dabei ist zu empfehlen, die Risikoaussagen nicht "zusammenzuziehen". Nach Abb. 1 würde z. B. ein zu erwartender schwerer Dauerschaden zu einem hohen Risiko führen. Diese zusammengezogene Aussage lässt aber nicht erkennen, ob eine hohe Wahrscheinlichkeit oder ein hoher Schaden oder beides die leitenden Größen sind. Es besteht die Gefahr, dass Informationen verlorengehen.
Die Aussagen sollten immer ausreichend differenziert dargestellt werden. Etwa:
"Bei dauerhafter Arbeit im Lärmbereich mit 87 dB(A) besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen irreversiblen Gehörschaden." oder
"Die Arbeiten auf dem 10 m hohen Dach finden in unmittelbarer Nähe (< 1 m) der Absturzkante statt, sodass eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Absturz besteht."
Sicher lassen sich diese ausgeführten Sätze in der Dokumentation verkürzen, z. B. wenn die Kategorien für die Schäden und die Eintrittswahrscheinlichkeit in 2 getrennten Spalten angegeben werden können oder der mögliche Schaden/das ungünstige Ereignis sowie die Eintrittswahrscheinlichkeit als Stichwort verbal beschrieben werden (z. B. Absturz möglich; Wahrscheinlichkeit: hoch).
Dies und die notwendigen Vorarbeiten sind sicher aufwendiger als ein Kreuz in einer vorgegebenen "Allgemeinmatrix". Aber es geht auch um ein hohes Gut: Die Gesundheit und das Leben von Menschen. Das erzwingt geradezu ein sorgfältiges und überlegtes Vorgehen und kein "Abkreuzen" unreflektierter Tabellen.