Dipl.-Ing. Matthias Glawe
Zusammenfassung
Im Vergleich zu anderen Unfällen bilden Elektrounfälle quantitativ eine relativ kleine Gruppe. Dennoch sind zum Schutz von Personen, Tieren und Sachwerten umfangreiche Maßnahmen notwendig, da noch immer Todesfälle, schwerwiegende Verletzungen und erhebliche Sachschäden zu beklagen sind. Durch einen elektrischen Schlag kann es zu Atemstillstand, Herzrhythmusstörungen oder zu einem Herzstillstand kommen. Aber auch äußere und innere thermische Schädigungen sind möglich.
Maßnahmen zum Schutz vor einer Gefährdung durch elektrischen Schlag sind sowohl in staatlichen Vorschriften als auch im Regelwerk der Unfallversicherungsträger umfangreich dargestellt. Den weitaus größten Teil der zu beachtenden Regeln nehmen die DIN-Normen bzw. VDE-Bestimmungen ein. Ziel ist es dabei, sowohl durch einen Basisschutz (Schutz gegen elektrischen Schlag unter normalen Bedingungen bzw. Schutz gegen direktes Berühren), als auch durch einen Fehlerschutz (Schutz gegen elektrischen Schlag unter Fehlerbedingungen bzw. Schutz bei indirektem Berühren) eine ausreichende Sicherheit für die Beschäftigten und für Sachwerte zu gewährleisten.
- Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV)
- Erste Verordnung zum ProduktsicherheitsgesetzVerordnung über elektrische Betriebsmittel (1. ProdSV)
- DGUV-V 3 "Elektrische Anlagen und Betriebsmittel"
- DGUV-R 103-011 "Arbeiten unter Spannung an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln"
- DGUV-I 203-001 "Sicherheit bei Arbeiten an elektrischen Anlagen"
- DGUV-I 203-002 "Elektrofachkräfte"
- DGUV-I 203-004 "Einsatz von elektrischen Betriebsmitteln bei erhöhter elektrischer Gefährdung"
- DGUV-I 203-005 "Auswahl und Betrieb ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel nach Einsatzbedingungen"
- DGUV-I 203-006 "Auswahl und Betrieb elektrischer Anlagen und Betriebsmittel auf Bau- und Montagestellen"
- DGUV-I 203-070 "Wiederholungsprüfung ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel – Handlungshilfe"
- DGUV-I 203-071 "Wiederkehrende Prüfungen elektrischer Anlagen und Betriebsmittel – Organisation durch den Unternehmer"
- DGUV-I 203-072 "Wiederkehrende Prüfungen elektrischer Anlagen und ortsfester Betriebsmittel – Fachwissen für Prüfpersonen"
1 Elektrounfallgeschehen
Elektrounfälle bilden im Vergleich zu anderen Unfallarten von ihrer Anzahl her eine relativ kleine Gruppe. So wurden z. B. im Jahre 2022 bei der BG ETEM 515 meldepflichtige Stromunfälle angezeigt, darunter 2 tödliche Unfälle. Die Statistik der Stromunfälle zeigt, abgesehen von vereinzelten Spitzen, über die letzten Jahre eine fallende Tendenz. Die statistischen Auswertungen der Stromunfälle für das Jahr 2021 zeigen auch, dass 88,3 % im Niederspannungsbereich und nur 0,8 % im Hochspannungsbereich auftreten. Die Mehrzahl der Verunfallten waren Elektrofachkräfte (49,2 %), gefolgt von den elektrotechnisch unterwiesenen Personen (32,2 %); 18,1 % der Betroffenen waren elektrotechnische Laien.
Unabhängig von den sonstigen Entwicklungen des Arbeitsunfallgeschehens lassen sich 2 Grundaussagen treffen: Der Anteil der Stromunfälle am Gesamtunfallgeschehen ist eher gering. Die Todesfallrate ist allerdings höher als bei vielen anderen Unfallarten.
Eine Studie zeigte, dass die Ursachen für elektrische Unfälle heute v. a. sind:
- Verhaltensfehler, z. B. unsachgemäße Handhabung, Bedienung und Reparatur von elektrischen Geräten und Anlagen;
- unterlassene Wartung, insbesondere bei beweglichen Leitungen.
Bei der Auswertung der Unfallstatistiken haben die Autoren mehrere Faktoren berücksichtigt, z. B. unterschiedliche Arbeitsanforderungen und Tätigkeitsmerkmale von Fachleuten und Laien, den ausbildungsbedingten Kenntnisstand und die Tatsache, dass Arbeiten an elektrischen Anlagen nur von Fachkräften durchgeführt werden dürfen. Außerdem wurde deutlich, dass die meisten Stromunfälle im Niederspannungsbereich geschehen. Gefährdet sind in den elektrotechnischen Berufen besonders Obermonteure, in den nichtelektrotechnischen Berufen in erster Linie Betriebsleiter, Ingenieure und Meister. Betriebsmittel zur Verteilung und Fortleitung elektrischer Energie, vor allem feste Installationen, sowie allgemeine elektrische Verbrauchsmittel, also Elektrowerkzeuge, -geräte und -maschinen aller Art sind dabei die größten Gefahrenquellen für Elektrofachkräfte wie für Elektrolaien.
2 Gefährdung durch elektrischen Schlag: Charakterisierung
Unter einer elektrischen Gefährdung versteht man allgemein die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung durch das Vorhandensein elektrischer Energie in einer Anlage oder einem Betriebsmittel.
Diese Gefährdungsgruppe lässt sich u. a. im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG in verschiedene Fakt...