Tomy Sobetzko, Dr. Rupprecht Maushart
Ionisierende Strahlung ist ein Energieträger. Wird diese Energie in Materie absorbiert, so bewirkt sie dort Strukturänderungen der unterschiedlichsten Art. In lebendem Gewebe bedeutet das von der Höhe der Dosis abhängige Zellschäden mit negativen Auswirkungen auf den Gesamtorganismus. Allerdings sind die Reaktionen der einzelnen Zelle und des Zellverbands außerordentlich komplex und noch nicht abschließend erforscht. Unstrittig ist jedenfalls, dass das Ausmaß der Schädigung von der Höhe und von der zeitlichen Verteilung der Dosis abhängt.
Bei kurzzeitigen hohen Ganzkörperdosen ab einigen Sievert entstehen akute Strahlenschäden, die durch das Versagen einzelner Organe in meist kurzer Zeit zum Tod führen. In der Krebstherapie werden hohe Dosen punktuell und gezielt eingesetzt, um die kranken Zellen der Geschwulst abzutöten. Niedrigere Dosen führen zu Zellmutationen, die nach einer gewissen Latenzzeit (Zeit zwischen Exposition und Ausbruch der Krankheit) von bis zu 30 Jahren zur Krebsentstehung führen können, aber nicht zwangsweise müssen.
Diese verzögert und statistisch bedingt auftretende Schädigung nennt man im Jargon der Wissenschaftler stochastische Strahlenschäden. Die Wahrscheinlichkeit, dass es nach einer bestimmten Dosis zum Schadenseintritt kommt, ist das Strahlenrisiko.
Abb. 1: Wie funktioniert der Strahlenschutz?
Die Ansichten über das Ausmaß des Risikos und über die Notwendigkeit seiner Minimierung haben sich im Laufe der Zeit ständig zur größeren Vorsicht hin geändert. Die Internationale Strahlenschutzkommission ICRP geht heute von der Annahme aus, dass das Strahlenrisiko von Null aus ab der kleinsten Dosis proportional zur Dosis zunimmt. Die ICRP nennt dafür in ihrem Report Nr. 60 einen Faktor von 5 × 105/mSv, d. h. von 100.000 kurzzeitig mit 1 mSv exponierten Personen bekommen wahrscheinlich fünf im Laufe der Zeit ein strahlenbedingtes Karzinom (das entspräche einer Erhöhung der "natürlichen" Krebsrate um etwa 0,5 %). Diese so genannte LNT-Hypothese (Linear, No Threshold, der Schaden tritt von Null aus linear und nicht erst ab einer Schwelle ein) wird aufgrund der neueren biologischen Zellforschung allerdings zunehmend kontrovers diskutiert. Es gibt Anzeichen dafür, dass kleine Strahlendosen den Reparaturmechanismus der Zelle stimulieren und dadurch sogar zu einem negativen Risiko führen können. Bis zur endgültigen wissenschaftlichen Klärung dieses Sachverhalts wird die LNT-Hypothese jedoch weiterhin Richtlinie des Strahlenschutzes bleiben.