Auch ärztlich verordnete Medikamente können die Arbeitssicherheit nachhaltig gefährden. Neben RITALIN®, OXYCODON®, FENTANYL oder anderen Medikamenten, die dem BtMG unterstellt sind, tauchen im Arbeitsbereich seit einigen Jahren auch immer häufiger ärztlich verordnete Cannabis-Produkte auf. Bei ärztlich verordneten Substanzen baut sich ein besonderes Spannungsfeld auf. Denn einerseits brauchen wir alle im Laufe unseres Arbeitslebens Medikamente, um geheilt zu werden, Schmerzen zu lindern und arbeitsfähig zu sein, andererseits sollten wir unter dem Einfluss v. a. von betäubungsmittelhaltigen Medikamenten bestimmte Tätigkeiten nicht ausführen. Man denke hier an das Führen von Kraftfahrzeugen und Arbeitsmaschinen, an Arbeiten, die besonders hohe Konzentration, Schnelligkeit oder andere kognitive Fähigkeiten fordern.
Ist man als Referent für Arbeitssicherheitsfragen in Bezug auf Substanzmissbrauch unterwegs, zeigt die Praxis, dass Führungskräfte häufig nicht darüber informiert sind, welche Möglichkeiten es für Mitarbeiter gibt, die Kraftfahrzeuge oder Arbeitsmaschinen bedienen, wenn betäubungsmittelhaltige Medikamente eingenommen werden müssen. Zu selten wird daran gedacht, dass betroffene Mitarbeiter vorübergehend oder auf Dauer andere Aufgabenbereiche übernehmen können, in denen die nötigen Medikamente kein Hindernis darstellen. Wo setzt man solches Personal ein, das vertrauensvoll und den Arbeitsschutz-Bestimmungen folgend mitteilt, dass die gewohnte Arbeit aufgrund ärztlich verordneter Medikamente nicht mehr gefahrlos möglich ist? Wann und wo kann man die nötigen Gutachten beantragen, damit es keine Probleme beim Führen eines Kraftfahrzeugs oder einer Arbeitsmaschine gibt? Das Arbeitsschutzgesetz und die Unfallverhütungsvorschriften fordern von Unternehmern und den dort Beschäftigten die Einhaltung bestimmter Regeln, wenn Alkohol, Drogen oder Medikamente die gefahrlose Ausführung der Arbeit behindern können. Ein guter Ansatz, aber wie setzt man diese Regeln um?
Fragen in der Praxis
- Wie würden Sie handeln, wenn Ihnen ein Mitarbeiter erklärt, er müsse jeden Tag zu bestimmten Zeiten "sein" Medikament einnehmen (seinen Joint rauchen)?
- Würde ein Mitarbeiter, der an einer Maschine tätig ist, die hohe Konzentration, Schnelligkeit und Genauigkeit erfordert, ohne Gefährdung seiner eigenen Person oder der von Kollegen weiter beschäftigt werden können, wenn er – ärztlich verordnet oder missbräuchlich genutzt – unter dem Einfluss von Medikamenten (z. B. FENTANYL) steht, die dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterstellt sind?
- Ist in Ihrem Arbeitsbereich der Umgang mit ärztlich verordneten Medikamenten, die die Sicherheit beeinträchtigen können, und die Kontrolle geregelt?
- Gibt es eine Betriebsvereinbarung mit klaren Handlungsanweisungen für solche Fälle?
- Sind die Fachkräfte für Arbeitssicherheit mit dem nötigen Basiswissen ausgestattet, um beratend unterstützen zu können?
- Steht ein Betriebsarzt zur Verfügung, der über Kenntnisse aus dem Sport- und Jugendbereich verfügt und der über die Substanzen informieren kann, die augenblicklich im Sport- oder Freizeitbereich angesagt sind (z. B. Legal Highs)?
- Haben Sie Ihre Mitarbeiter im Sinne der geltenden Gesetze aufgeklärt?
- Wissen Sie, was nach einem schweren Arbeitsunfall auf Sie und Ihre Mitarbeiter zukommen könnte, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln und Fragen nach Unterweisung der Mitarbeiter, nach Unterweisungsprotokollen und Gefährdungsanalysen stellen?
- Haben Ihre Mitarbeiter die erforderlichen Belehrungen verstanden? Ist das dokumentiert worden? Wer war für den Verunglückten verantwortlich?
Es tauchen viele Fragen auf, wenn man sich genauer mit der Thematik beschäftigt. Organisationsverantwortung, Führungsverantwortung und die Fürsorgepflicht für die Mitarbeiter fordern das Handeln von Arbeitgebern (§ 3 Arbeitsschutzgesetz), auch wenn es um die Unterstützung von Führungspersonal in Fragen von Substanzmissbrauch am Arbeitsplatz geht.
Die Arbeitgeber haben das Recht, von ihren Mitarbeitern zu erfahren, wenn bestimmte Substanzen die Sicherheit gefährden. Wenn es sich bei den konsumierten Stoffen um illegale Drogen handelt, wird das kaum kommuniziert werden. Deshalb sollte jeder Mitarbeiter, jede Führungskraft und jede Fachkraft für Arbeitssicherheit wissen, wie man auch als Laie Substanzmissbrauch erkennen kann und dass immer dann, wenn Alkohol, Drogen oder Medikamente im Betrieb auftauchen, straf-, zivil- und arbeitsrechtliche Aspekte zu beachten sind.