(1) In der Massentierhaltung wird Formaldehyd bei Neubelegungen von Ställen im Wechsel mit anderen biozid wirksamen Verfahren als Standardverfahren zur Raumdesinfektion regelmäßig eingesetzt. Die alternierende Verfahrensweise erfolgt aus der hygienetechnischen Notwendigkeit, eine Selektion resistenter pathogener Mikroorganismen durch stetige Anwendung nur eines Desinfektionsverfahrens zu verhindern. Vor diesem Hintergrund wird der Forderung nach § 7 Absatz 3 GefStoffV unter Berücksichtigung der Nummer 5.2 bereits weitgehend entsprochen.
(2) Grundsätzlich ist die Verdampfung einer definierten Formaldehydlösung auch in der Stalldesinfektion möglich, findet in der Praxis jedoch kaum Anwendung. Stattdessen wird hier die Heiß-Vernebelung bevorzugt.
(3) Bei der Heiß-Vernebelung wird die Desinfektionslösung mit hoher Frequenz impulsartig aus einem sogenannten Resonatorrohr ausgestoßen. Der Vorgang wird durch Verpuffung eines Kraftstoff-Luft-Gemisches erzeugt, das die am Rohrausgang zugeführte Wirklösung mitreißt. Die dabei entstehenden Aerosol-Tröpfchen werden auf hohe Geschwindigkeit beschleunigt, wobei erhebliche Wurfweiten erreicht werden, so dass mit entsprechend leistungsstarken Verneblern auch in großräumigen Ställen alle zu desinfizierenden Flächen bedient werden. Die Tröpfchengröße des Nebels aus Formaldehyd und Wasser ist kleiner als 40 μm, wodurch der Nebel im Raum die notwendige Standzeit erreicht. Auf die in Nummer 2 Begriffsbestimmungen aufgeführten Definitionen für Vernebeln und Versprühen im Sinne dieser TRGS wird hingewiesen.
(4) Der formaldehydhaltige Nebel soll dem Stallinnenraum in aller Regel von außen über geeignete Öffnungen der Gebäudeaußenwand zugeführt werden, um die Exposition von Beschäftigten und/oder das Tragen belastender persönlicher Schutzausrüstung weitestgehend zu vermeiden. In der Praxis hat sich dabei seit einiger Zeit die Einspeisung des Nebels über Einlassstellen an der Außenseite als geeignet erwiesen, so dass bei dieser Tätigkeit Expositionen der Beschäftigten gegenüber Formaldehyddämpfen nur kurzzeitig auftreten. Kann hierbei eine Konzentration von 0,3 ppm (0,37 mg) Formaldehyd/m³ nicht sicher eingehalten werden, ist das Tragen von Atemschutz nach Nummer 5.5.3 Absatz 2 erforderlich. Aus gefahrstoffrechtlicher Sicht kann dieses Verfahren dennoch als Stand der Technik angesehen werden, soweit die Ausnahmefaktoren gemäß Nummer 5.4.1 Absatz 3 Satz 4 und 5 nicht zum Tragen kommen.
(5) Sofern eine wie oben beschriebene Verfahrensweise wegen des Fehlens gebäudetechnischer Voraussetzungen nicht möglich ist, ist die Vernebelung so auszuführen, dass sich Beschäftigte nicht in der Nähe der Vernebelungsgeräte bzw. im Wirkbereich des Nebels aufhalten müssen. Insbesondere in großen Stallungen kann dies nach praktiziertem Stand der Technik erreicht werden, wenn das Vernebelungsgerät in geeigneter Weise im Raum mittels Eigenantrieb oder mechanisch von außen bewegt werden kann, so dass mittelbar eine weitgehend personenunabhängige Vernebelung des Raumes erfolgt. Alternativ ist die Verteilung mehrerer standortgebundener Vernebelungsgeräte denkbar, wenn diese von außen gestartet werden können.
(6) Die personenabhängige Vernebelung formaldehydhaltiger Lösungen bei der Raumdesinfektion sogenannter Kammställe stellt nicht den Stand der Technik im Sinne der Gefahrstoffverordnung dar. Werden sie dennoch aus den oben in Nummer 5.4.1 Absatz 3 Satz 4 und 5 genannten Gründen ausnahmsweise notwendig, müssen den Beschäftigten bei derartigen Tätigkeiten ausreichende persönliche Schutzausrüstungen gegen inhalative und dermale Expositionen gegenüber Formaldehyd unter Beachtung der Nummer 5.5.3 zur Verfügung gestellt werden.