"Es irrt der Mensch, so lang er strebt." Diese Erkenntnis Goethes war sicherlich nicht das Credo der Fehlerforscher. Vielleicht inspirierte es sie aber, Fehlentscheidungen, Fehlhandlungen und die Art der Fehler selbst genauer zu untersuchen, um eventuelle Gesetzmäßigkeiten zu entdecken: Wodurch werden Fehlhandlungen verursacht? Gibt es Grundmuster von Fehlern? Lassen sich Systematiken bei Handlungen entdecken?
Fehler werden definiert als "Abweichung von einem richtig angesehenen Verhalten oder von einem gewünschten Handlungsziel, das der Handelnde eigentlich hätte ausführen bzw. erreichen können". Fehlerforscher unterscheiden Fehlerarten und Fehlertypen, untersuchen also, warum etwas falsch gemacht wurde und was genau falsch gemacht wurde. Diese differenzierten Zugangsweisen zu Fehlern sollen helfen, Systemprobleme zu erkennen und Gegenstrategien zu entwickeln.
4.1 Fehlerarten
Bei den Fehlerarten wird nach den Ursachen für Fehler gesucht. Viele Fehlerarten sind sowohl durch Personenfaktoren als auch durch Faktoren außerhalb der Person verursacht.
Fehlerursachen innerhalb der Person lassen sich einteilen in:
Physiologische und biologische Faktoren
Dazu zählen die körperliche Ausstattung des Menschen sowie das aktuelle Befinden. Müdigkeit kann z. B. zu Wahrnehmungs- und Denkfehlern führen, Erkrankungen zu einer Leistungsminderung und Lärm kann die Aufmerksamkeit beeinträchtigen. Einige potenzielle körperliche und mentale Beeinträchtigungen kann man durch die Gestaltung des Arbeitssystems kompensieren (z. B. durch Lärmschutz), andere können unabhängig davon bei jedem Menschen auftreten (z. B. Krankheiten).
Individuelles Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten
Diese Ebene ist hochindividuell. Beeinflussbar sind diese Faktoren über Personalauswahl sowie Aus- und Weiterbildung.
Menschliche Informationsverarbeitung und Motivationsregulation
Viele Fehler können mit der menschlichen Informationsverarbeitung in Verbindung gebracht werden. Diese ist begrenzt und der Mensch strebt deshalb nach Ressourcenschonung. Zur Ressourcenschonung gehört die Komplexitätsreduktion, die zu einer vereinfachten und vorschnellen Urteilsbildung führt, welche die Realität nicht unbedingt abbildet.
Bekannt sind in diesem Zusammenhang die kognitiven Abkürzungen oder Heuristiken. Menschen neigen dazu, Wahrnehmungsreize bekannten Schemata zuzuordnen oder bekannte Regeln anzuwenden, ehe sie neue Lösungen erdenken.
Der fundamentale Attributionsfehler
Menschen schreiben Handlungsergebnisse Personen zu, während die handelnde Person Fehler auf den Einfluss von Situationsvariablen zurückführt.
Rückschaufehler
Hinterher ist man immer schlauer. Nach dem Unfall weiß man, was richtig gewesen wäre, sodass man davon ausgeht, dass die handelnde Person das auch zum Zeitpunkt des Unfalls hätte wissen müssen.
Neben der Begrenztheit der kognitiven Ressourcen sind auch individuelle Motive und die Motivation bei der Fehlerentstehung zu berücksichtigen. Menschen wollen Kompetenz zeigen, Macht ausüben, Risiken auf sich nehmen und dazugehören. Um Status und Akzeptanz in der Gruppe nicht zu gefährden, wird eventuell nicht auf eine Gefahr hingewiesen oder man traut sich nicht, dem Vorgesetzten zu widersprechen.
Fehlerquellen außerhalb der handelnden Person sind in der Arbeitsaufgabe (Komplexität), der Arbeitsorganisation (Abläufe, Zuständigkeiten), dem sozialen Klima (Führung, Kollegen) sowie den Arbeits- und Umgebungsbedingungen (Arbeitsmittel, Arbeitszeiten) zu suchen.
4.2 Fehlertypen
Es gibt eine Vielzahl an Fehlerklassifikationen, die verwirren kann. Für die Diagnostik wird unterschieden in Informationsfehler, Diagnosefehler, Zielfehler, Strategiefehler, Prozedurfehler, Ausführungsfehler, Zuordnungsfehler, Prognosefehler, Denkfehler, Erkennungsfehler, Automationsfehler, Auswahlfehler, Aufmerksamkeitsfehler, Merk- und Vergessensfehler, Urteilsfehler, Gewohnheitsfehler, Unterlassensfehler, die jeweils definiert und unterschiedlichen Ebenen (Planungs- und Ausführungsebene) zugeordnet werden.
Stellvertretend werden hier die Erkenntnisse von Rasmussen vorgestellt, die als Weiterentwicklung der Forschung von Chapanis (1951), Meister (1971) und Norman (1981) verstanden werden können. Rasmussens Forschungsergebnisse hatten großen Einfluss auf das Verständnis von menschlichen Fehlhandlungen.
Rasmussen unterscheidet 3 Ebenen der Handlungsregulation bei der Bedienung technischer Systeme, auf der jeweils spezifische Fehler auftreten.
Ausführungsebene |
Fehlertyp |
Erläuterung |
Handlungen |
fertigkeitsbasiert (skill-based) |
Patzer und Schnitzer |
Fehler in der Ausführung eigentlich beherrschter korrekter Handlungen |
- unterlassen
- vergessen
- vertauschen
Beispiel: Blinker wird falsch gesetzt |
regelbasiert (rule-based) |
regelbasierte Fehler |
Anwendung unpassender Regeln aufgrund fehlender Informationen |
- falsches Vorgehen
- richtiges Vorgehen zur falschen Zeit
Beispiel: Fahren in die falsche Richtung in einer Einbahnstraße |
wis... |