Der wichtigste Hinweis gehört gleichzeitig zum Fundament jeder guten Führungsarbeit: Veränderungen bei einem Beschäftigten müssen wahrgenommen werden. Die kritischen Veränderungsmerkmale auf die eine Führungskraft reagieren muss, wurden bereits dargestellt.
Je früher eine Führungskraft aktiv wird, desto besser für alle: der Betroffene ist in einem frühen Stadium oft noch einsichtig, ein reibungsloser Arbeitsablauf kann sichergestellt werden, die Kollegen werden nicht mehrbelastet.
Rolle der Führungskraft
Eine Führungskraft ist kein Diagnostiker und kein Therapeut. Sie soll weder Krankheitsdiagnosen stellen, noch therapeutisch tätig werden. Aber sie muss im Rahmen ihrer Organisations- und Aufsichtsverantwortung sowie ihrer Fürsorgepflicht (auch gegenüber den Kollegen eines psychisch auffälligen Beschäftigten) bei länger währenden Auffälligkeiten eingreifen. Dabei gibt es für eine Führungskraft mehrere Möglichkeiten, bei Auffälligkeiten eines Mitarbeiters einzuschreiten.
6.1 Gespräche führen
Am effizientesten ist es, zunächst das Gespräch mit dem Betroffenen zu suchen. Mitarbeiter-Führungskraft-Gespräche sind auf beiden Seiten nicht sonderlich beliebt, bei solchen kritischen Sachverhalten sind die Zurückhaltung und das Widerstreben gleich noch viel größer. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass die meisten Führungskräfte unsicher sind in Bezug auf psychische Auffälligkeiten und nicht recht wissen, wie sie damit umgehen, geschweige denn, wie sie die Auffälligkeiten ansprechen sollen.
Ideal ist es, wenn beide Seiten offen und ohne Vorurteile und Vorbehalte ein erstes Vier-Augen-Gespräch führen und ihre Standpunkte und Notwendigkeiten darstellen.
Bevor dieses Gespräch stattfindet, sollte die Führungskraft sich gut darauf vorbereiten, sowohl organisatorisch als auch inhaltlich.
Organisatorische Gesprächsvorbereitung
Dem Beschäftigten sollte frühzeitig mitgeteilt werden, dass die Führungskraft ein Gespräch mit ihm über seine Verhaltensauffälligkeit führen wird. Die Führungskraft sollte sich ausreichend Zeit für das Gespräch nehmen und für eine ungestörte und angenehme Gesprächsatmosphäre sorgen.
Inhaltliche Gesprächsvorbereitung
Genauso wichtig ist allerdings eine gründliche inhaltliche Vorbereitung auf das Gespräch. Es werden sehr sensible Themen behandelt, die sowohl die Führungskraft als auch den Beschäftigten seine Grenzen führen können. Hinzu kommt, dass das Gespräch eine unerwartete Dynamik entwickeln und eskalieren kann. Dessen sollte sich die Führungskraft bewusst sein und entsprechende (Gesprächs-)Strategien parat haben. Sie sollte immer bei den Fakten bleiben und Spekulationen und Diagnosen vermeiden. Bei Bedarf kann und sollte die Unterstützung des Betriebsarztes herangezogen werden.
Folgende Leitfragen sollte sich die Führungskraft vorab selbst beantworten:
- Was möchten Sie mit dem Gespräch erreichen? Soll der Mitarbeitende pünktlicher, zuverlässiger, teamorientierter sein?
- Welche Veränderungen im Sozial- und Leistungsverhalten des Beschäftigten sind Ihnen aufgefallen? Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit, häufige Kurzerkrankungen, gereiztes Verhalten, Rückzugstendenzen, …
- Wie erleben andere den Mitarbeitenden (Kollegen, Kunden)? Was ist Ihnen über den Mitarbeitenden zu Ohren gekommen?
- Welche Ursachen haben die wahrgenommenen Verhaltens- und Wesensänderungen? Sind es private Ursachen oder gibt es berufliche Gründe für das auffällige Verhalten?
- Welche konkreten Verhaltensänderungen erwarten Sie als Führungskraft vom Mitarbeitenden? Pünktlichkeit, korrekte Arbeitsleistung, Einhaltung der vereinbarten Abgabefristen, angemessenes Verhalten gegenüber den Kollegen, …
- Welche verbindlichen Lösungswege gibt es, um das Dilemma zu lösen? Was kann das Unternehmen tun (z. B. Arbeitsbedingungen überprüfen, Unterstützung anbieten), was muss der Betroffene tun (z. B. professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, Beratungsstellen aufsuchen)?
- Wie und wann wird der Erfolg der Maßnahmen festgestellt? Abschließende und etwaige Folgegespräche sollten nach 4 bis 6 Wochen stattfinden.
Dieses erste Gespräch hat noch keinen formellen Charakter und bleibt ohne jegliche disziplinarische Konsequenzen. Ob weitere Gespräche stattfinden, hängt vom Verlauf der erwarteten und eingeforderten Verhaltensänderung des Betroffenen ab. Hat sich das Verhalten in die erwünschte und vereinbarte Richtung gedreht, wird in einem zweiten und letzten Gespräch von der Führungskraft die positive Verhaltensänderung anerkennend zurückgemeldet und eine weiterhin gute Zusammenarbeit betont. Haben sich keine Veränderungen ergeben, sind weitere Absprachen notwendig.
Folgegespräche
Die Folgegespräche sind abhängig vom Grad der Verhaltensänderung. Braucht der Mitarbeiter noch mehr Zeit, ist aber bereits aktiv geworden, in dem er (professionelle) Hilfe in Anspruch genommen hat? Hat er gar nichts getan, um den unerwünschten Zustand zu ändern?
Hat der Betroffene nichts unternommen, wird er nochmals darüber aufgeklärt, dass Verhaltensänderungen unabdingbar sind. Ihm wird unmissverständlich klar ...