Das öffentliche Recht regelt die Beziehungen des Bürgers zum Staat und den übrigen Trägern öffentlicher Gewalt. Der Einzelne ist dem Staat untergeordnet. Öffentliches Baurecht basiert vornehmlich auf dem Gedanken der Gefahrenabwehr. Es zielt auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere indem Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden (§ 3 Musterbauordnung – MBO). Das Arbeitsschutzrecht will Gefährdungen für die Beschäftigten bei der Arbeit abwenden und trifft dazu u. a. Sicherheits- und Verhaltensanforderungen.
1.2.1 Bauordnungsrecht
Verkehrspflichten im Bauordnungsrecht beziehen sich auf bauliche Anlagen und bezwecken den Schutz der Bewohner, Besucher und Benutzer. Bei der Verschiedenartigkeit baulicher Anlagen, z. B. Versammlungsstätten oder Verkaufsstätten, gelten sehr unterschiedliche Anforderungen an die Verkehrssicherheit.
Die Verkehrspflichten sind nicht begrenzt auf die Bauphase, sondern gelten während der gesamten Nutzungsphase baulicher Anlagen. Die Nutzungsphase wird im vorliegenden Beitrag nicht weitergehend thematisiert.
Verkehrssicherheit
In der MBO hat die Verkehrssicherheit einen eigenen Paragrafen (§ 16 MBO):
"Bauliche Anlagen und die dem Verkehr dienenden nicht überbauten Flächen von bebauten Grundstücken müssen verkehrssicher sein." Dazu zählt u. a.
- die sichere, stolper- und rutschfreie Benutzbarkeit von Fußböden, Treppen und Fluren,
- das Vorhandensein von Umwehrungen und Halterungen, wie z. B. Geländer,
- Belange des Grundstücks, z. B. Zugänge, Einfahrten, Stellplätze, Spielplätze.
"Die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs darf durch bauliche Anlagen oder deren Nutzung nicht gefährdet werden."
- Bauteile, wie Sockel, Gesimse, Fensterbänke oder Werbeanlagen, dürfen den öffentlichen Verkehrsraum in Breite und Höhe nicht einengen und Passanten nicht gefährden,
- Ein- und Ausfahrten dürfen den öffentlichen Verkehr nicht gefährden.
Baustellen
Baustellen sind nach dem Bauordnungsrecht so einzurichten, dass Gefahren oder vermeidbare Belästigungen nicht entstehen. Eine Gefahr ist ein Zustand, der bei ungehindertem Ablauf des weiteren Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führt. Gefahr, Gefährdung und schließlich Schädigung sollen vermieden werden. Können unbeteiligte Personen gefährdet werden, ist die Gefahrenzone abzugrenzen oder durch Warnzeichen zu kennzeichnen. Erforderlichenfalls ist die Baustelle mit einem Bauzaun abzugrenzen, mit Schutzvorrichtungen gegen herabfallende Gegenstände zu versehen und zu beleuchten.
Verantwortlichkeiten
Die Verantwortung für die Sicherung der Schutzgüter hat die MBO dem Bauherrn und im Rahmen ihres Wirkungskreises den anderen am Bau Beteiligten auferlegt. Ist der Bauherr nicht selbst zur Erfüllung der Verpflichtungen nach der MBO geeignet, muss er zur Vorbereitung, Überwachung und Ausführung nicht verfahrensfreier Bauvorhaben sowie der Beseitigung von Anlagen geeignete Beteiligte bestellen. Dazu gehören Entwurfsverfasser, Fachplaner, (Bau-)Unternehmer und Bauleiter.
1.2.2 Staatliches Arbeitsschutzrecht
Eine Fundstelle für originäre Verkehrssicherungspflichten im Arbeitsschutzrecht ist § 8 ArbSchG. Er behandelt die Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber. Die Beschäftigten verschiedener Arbeitgeber dürfen sich durch ihre Tätigkeiten nicht gegenseitig gefährden. Zu diesem Zweck müssen die Arbeitgeber bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenarbeiten, sich über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren unterrichten und Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren abstimmen.
Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber
Es kommt der Grundsatz zur Geltung, dass, wer eine Gefahrenstelle erschafft, diese sichern muss. Werden im Betrieb des Arbeitgebers A Beschäftigte anderer Arbeitgeber X, Y und Z tätig, muss Arbeitgeber A sich vergewissern, dass die Beschäftigten der Fremdfirmen X (z. B. Kundendienst), Y (z. B. Leiharbeitnehmer) und Z (z. B. Grünpflege) hinsichtlich der Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit während ihrer Tätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers A angemessene Anweisungen erhalten haben.
1.2.3 Unfallverhütungsvorschriften
Nach § 5 Abs. 3 DGUV-V 1 müssen Unternehmer bei der Erteilung von Aufträgen an ein Fremdunternehmen sicherstellen, dass Tätigkeiten mit besonderen Gefahren durch Aufsichtführende überwacht werden, welche die Durchführung der festgelegten Schutzmaßnahmen sicherstellen. Werden gefährliche Arbeiten von mehreren Personen gemeinschaftlich ausgeführt und erfordern zur Vermeidung von Gefahren eine gegenseitige Verständigung, so muss der Unternehmer dafür sorgen, dass eine zuverlässige, mit der Arbeit vertraute Person die Aufsicht führt.
Betreten verboten für Unbefugte
Eine typische Verkehrssicherungspflicht des Unternehmers ist es, dafür zu sorgen, dass Unbefugte Betriebsteile nicht betreten, wenn dadurch eine Gefahr für Sicherheit und Gesundheit entsteht. Dies lässt sich z. B. durch Zutritts- und Aufenthaltsverbote realisieren.