Die Verkehrssicherungspflicht trifft den,
- der die rechtliche oder die tatsächliche Herrschaft über eine Sache ausübt, die für Dritte gefährlich sein kann,
- in dessen Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle liegt,
- der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält,
- der eine gefährliche Sache in Verkehr bringt oder dem allgemeinen Verkehr aussetzt.
Gleichzeitige Pflichtenstellungen
Die Rechtspflichten sind per Gesetz oder Verordnung bestimmten Normadressaten zugeordnet. Doch kann es vorkommen, dass eine Person mehrfacher Adressat ist. Ein Bauherr muss bei einem Vorhaben nicht nur Bauherr, er kann zugleich Unternehmer, Planer sowie Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator sein, z. B. als Bauträger mit eigener Planungs- und Bauabteilung. Ein Bauherr kann sein Projekt komplett vergeben, er kann sich aber auch persönlich einbringen und Teilleistungen selbst erledigen. Daher lässt sich von außen nicht allgemein sagen, wer bei einem spezifischen Bauprojekt tatsächlich welche Verantwortung trägt.
3.1 Verantwortung des Bauherrn
Auf Baustellen trifft die primäre Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich den Bauherrn als Veranlasser des Bauvorhabens. Bereits nach dem Bauordnungsrecht obliegt es ihm, dafür zu sorgen, dass sein Bauvorhaben sicher und schadensfrei realisiert wird. Er kann – und wird im Regelfall – die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflichten delegieren. Die damit beauftragten Architekten, Planer, Unternehmer, Bauleiter verfügen über die mit der Aufgabe einhergehende erforderliche Sachkunde und Erfahrung. Beim Bauherrn verbleibt die Pflicht der sorgfältigen Auswahl und Überwachung der Tätigkeit seiner Beauftragten. Dabei muss er auch deren Leistungsfähigkeit und Ausstattung in Betracht ziehen, möglichst Referenzen einholen etc. Aus der Haftung kann sich der Bauherr trotz Überwachung und Kontrolle nicht gänzlich befreien, seine primäre geht in eine sekundäre Verkehrssicherungspflicht über.
Der Umfang der Kontrollpflicht geht dahin, ihm bekannt gewordene oder durch ihn erkennbare Mängel abzustellen oder tätig zu werden, wenn ihm Zweifel am ordnungsgemäßen Wahrnehmen der Verkehrssicherungspflicht beim Beauftragten kommen. Offenkundige, auch für einen Laien erkennbare Gefahrenstellen, muss er erkennen und auf die Abstellung hinwirken. Er darf sich nicht "blind" stellen. Welche Mängel ein Bauherr erkennen muss, hängt u. a. vom Einzelfall und seinen Vorkenntnissen oder seinem Sonderwissen ab. An einen fachkundigen Bauherrn werden höhere Anforderungen gestellt.
Der Bauherr verbleibt in der primären Haftpflicht, wenn er selbst Arbeiten am Objekt durchführt, die Baustellenkoordination selbst wahrnimmt oder anderweitig aktiv in das Baugeschehen eingreift.
3.2 Verantwortung des Bauunternehmers
Der Unternehmer muss die von ihm übernommenen Arbeiten in Übereinstimmung mit den öffentlich-rechtlichen Anforderungen ausführen und ist damit für die ordnungsgemäße Einrichtung und den sicheren Betrieb der Baustelle verantwortlich (vgl. MBO).
Die Verkehrssicherungspflichten treffen vorrangig den Bauunternehmer. Zum einen wächst er mit Abschluss des Bauvertrages in die Garantenstellung als primär Verkehrssicherungspflichtiger, zum anderen ist er es, der durch seine Bautätigkeiten praktisch die Gefahrenquellen erschafft und damit zu verantworten hat. Zugleich ist er in der Lage, die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen sofort einzuleiten.
Ohnehin obliegen dem Bauunternehmer die Fürsorge- und Unternehmerpflichten für das eigene Personal. Zur Gewährleistung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes seiner Beschäftigten ist er Normadressat der Arbeitsschutzvorschriften. Dies trifft gleichwohl für seine Mitarbeiter in Leitungs- und Führungsfunktionen zu.
Folgende Verkehrssicherungspflichten können anfallen:
- Einweisung von Mitarbeitern von Fremdfirmen, Treffen klarer Absprachen (Aufgabenzuweisung, Kompetenzabgrenzung, Sicherungspflichten);
- (Fremdfirmen übernehmen für den Bereich, für den sie die Herrschaft innehaben, eigene Verkehrssicherungspflichten);
- Verkehrssicherungspflicht für Personen, die sich berechtigt auf der Baustelle aufhalten, wie Bauherr, Architekt, Planer, Behördenmitarbeiter;
- Verhaltensmaßregeln für Kunden und Besucher – üblicherweise dürfen sie sich nicht frei auf der Baustelle bewegen und nicht alle Bereiche betreten;
- Schutz von Passanten, z. B. an Baustellenein- und -ausfahrten, vor Gefahren durch in den öffentlichen Verkehrsbereich fallende oder kippende Gegenstände oder Schwenken eines Turmdrehkrans mit angeschlagener Last über umliegende Grundstücke und Gebäude;
- Schutz der Mieter, wenn Bauarbeiten im bewohnten Gebäude stattfinden.
3.3 Verantwortung des Architekten
Der Architekt bzw. Entwurfsverfasser muss zunächst für die Vollständigkeit und Brauchbarkeit seines Entwurfs einstehen, darf also keine Planungsfehler machen. Daneben ist er für die Übereinstimmung seiner Ausführungszeichnungen, -berechnungen und -anweisungen mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften verantwortlich.
Als lediglich planender Architekt trifft ihn hinsichtlich der Verkehrssicherungspflichten die geringste Haftung. Anders als bauleitende...