Serielles Bauen im Fokus
Eine Form des Bauens soll der Schlüssel zum bezahlbaren Wohnen sein: das serielle Bauen. Von der Bauweise verspricht man sich Schwung im Neubau – schneller, kostengünstiger und effizienter. Kritiker bemängeln fehlende Gestaltungsfreiheit und die bürokratischen Hürden.
Vor allem bei Ausschreibungen von Wohnbauprojekten fehlt es oft an Erfahrungswerten, die Bürokratie bremst Experimente mit der Bauweise aus. Vor diesem Hintergrund findet die neue Rahmenvereinbarung des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW in der Branche große Beachtung. Sie hilft Unternehmen dabei, Ausschreibungen für serielle Bauprojekte rechtssicher zu formulieren.
Grundlagen: Was ist serielles Bauen?
Das serielle Bauen meint eine Bauweise, die dem Lego-Prinzip ähnelt: Bauunternehmen fertigen die benötigten Gebäudeteile oder Module industriell vor, transportieren sie auf die Baustelle und fügen sie dort zusammen. Die Idee hinter dieser Bauweise ist alles andere als neu und reicht bis zum Bauhaus-Meister Walter Gropius zurück, der schon in den 1920er-Jahren als Vorreiter einer modularen Architektur nach Baukastensystem galt.
Mit dem modernen modularen Wohnungsbau verbinden viele Menschen Fertighäuser und Containerhäuser. Tatsächlich gibt es Ähnlichkeiten: So wie beim Modulbau mit Containern haben auch beim seriellen Bauen die einzelnen Bauelemente ein großes Format – die Baufirmen bereiten zum Teil ganze Räume oder einzelne Elemente wie Treppenhäuser in einer Halle vor, bevor ein LKW diese dann zur Baustelle transportiert. Allerdings handelt es sich beim seriellen Bau nicht um Container, sondern um massive Gebäude, die als dauerhafte Lösung gedacht sind. Die einzelnen Bauteile haben ein entsprechend hohes Gewicht.
Wohnungsbauunternehmen produzieren die einzelnen Bauteile in Serie. In ihrer Grundform sind demnach alle Gebäude eines Unternehmens, die aus dieser Serie entstehen, in gewissen Punkten gleich. Zum Beispiel sind sie beim Grundriss, beim Treppenhaus und bei der Ausgestaltung der Badezimmer identisch. Die Außenfassade der Häuser lässt sich dagegen individuell ausgestalten. Entgegen seinem Ruf hat serielles Bauen – optisch und qualitativ – mit den einheitlichen DDR-Plattenbauten aus den 1970er-Jahren eher wenig gemein.
Vorteile des seriellen Bauens
Das serielle Bauen bringt eine Reihe von Vorteilen mit: Zum einen arbeiten die Handwerker in der Halle unabhängig von Witterungsbedingungen. Schnee, Frost, Regen, Gewitter und extreme Hitze sind somit kein Grund mehr, den Bau eines Projekts zu pausieren. Gerade im Holzbau ist das Arbeiten mit Planen bei Regen unter normalen Baustellenbedingungen oft lästiger Alltag. Im Werk können die Baustellenmitarbeiter außerdem – ähnlich wie in der Industrie – zu jeder Tages- und Nachtzeit im Schichtdienst arbeiten. Das ermöglicht es Bauträgern, Projekte schneller abzuschließen und feste Abschlusstermine zuverlässiger einzuhalten.
Gleichzeitig hilft das Bauen unter Laborbedingungen, den Fachkräftemangel in der Branche zu bewältigen. Im Gegensatz zu den widrigen Arbeitsbedingungen auf der Baustelle bietet das Bauen im Werk ein attraktiveres Arbeitsumfeld für Mitarbeiter. Und das nicht nur, weil die Halle sie vor Wind und Wetter schützt. Zusätzlich ist bei der Vorfertigung im Werk der Einsatz von Robotern üblicher als auf der klassischen Baustelle. Das kann Mitarbeiter entlasten, unter anderem beim Heben schwerer Bauteile. Ein weiterer Pluspunkt: Da beim seriellen Arbeiten viele Prozesse digital und automatisiert ablaufen, benötigen Bauunternehmen insgesamt weniger Mitarbeiter.
Bauen in Serie: Kostengünstiger Wettbewerbsvorteil
Auch in Sachen Qualität und Effizienz hat der Serienbau dem konventionellen Modell einiges voraus: Viele Prozesse erfolgen automatisiert, die Qualitätssicherung ist nahezu lückenlos. "Auf der Baustelle existieren viele Gewerke und Schnittstellen, die gut aufeinander abgestimmt sein müssen", sagt Fabian Viehrig, Leiter Bauen und Technik beim GdW. "Es gibt oft Abstimmungsschwierigkeiten und Störfaktoren in Übergabeprozessen, die den Bau verzögern."
Beim seriellen Bau ist der Ablauf strukturierter: Die gesamte Produktion erfolgt oft aus einer Hand, die Planung steht im Vorfeld fest. Das macht den Bau weniger anfällig für Fehler. "Man gibt als Bauherr Freiheiten auf, dadurch sind der Prozess und die Kosten kalkulierbarer.", so Viehrig. Damit verhindere diese Bauweise Nachfolgeprobleme im Bauablauf. "Sogar die Abnahme ist vor Ort im Werk möglich." Nicht zuletzt kann die Serienproduktion die Baukosten drücken – ein enormer Wettbewerbsvorteil.
Nachteile beim seriellen Bauen
Besonders bei Hotels oder Studierendenwohnheimen funktioniert das Modell der Wohnräume von der Stange gut. Beim Bau von Wohnsiedlungen ist der Wunsch nach Individualisierbarkeit bei vielen Menschen groß. Bauherren und Architekten haben zwar Spielräume bei der Gestaltung und Zusammenstellung der Baumodule, ist die Planung aber abgeschlossen, müssen sich alle Beteiligten an das Konzept halten. Dann lässt sich keine Steckdose und kein Kabel mehr umverlegen.
Außerdem ist das serielle Bauen nicht per se fehlerfrei. Hier kann es durch schlechte Vorarbeit schwierige Bauvorhaben geben, betont GdW-Experte Viehrig. Zwar sei das unwahrscheinlicher als beim konventionellen Bau, aber Qualitätseinbußen sind nicht ausgeschlossen. Auch die Kosteneinsparungen sind nicht automatisch gegeben: "Anspruchsvolle Bauherrenwünsche können die Kosten nach oben treiben", so Viehrig.
Nicht zuletzt ist die Bürokratie eine Hürde. Insbesondere beim Ausschreibungsprozess: Beim seriellen Bau erledigt ein Bauunternehmen in der Regel alle Leistungen. Wer eine Wohnung nach standardisiertem Baukastenprinzip erstellen lassen will, schreibt die Aufgabe idealerweise über eine funktionale Leistungsbeschreibung aus: Der Bau wird mit seinen Parametern an ein Unternehmen vergeben.
In Deutschland ist eine funktionale Leistungsbeschreibung allerdings nicht Standard, sondern Ausnahme und muss gut begründet werden. Die Regel ist bei öffentlichen Vergabeverfahren, jedes Gewerk im Teillosverfahren einzeln auszuschreiben. "Man müsste das Vergaberecht adäquat modernisieren", fordert Viehrig.
GdW-Rahmenvereinbarung "Serielles und modulares Bauen 2.0"
Bei bürokratischen Hürden soll die neue Rahmenvereinbarung "Serielles und modulares Bauen 2.0" des GdW unterstützen. Die erste Vereinbarung war 2018 gestartet und ist im Mai 2023 ausgelaufen. Mit dieser Rahmenvereinbarung gelang es den Mitgliedsunternehmen des GdW, fünf Prozent des Bauvolumens in Serie bauen zu lassen. Damit erreichte der Verband seine Zielmarke.
"Für die neue Rahmenvereinbarung wünschen wir uns einen Anteil von mehr als zehn Prozent", so Viehrig. Der GdW hat dafür Angebote für Systembaukonzepte eingeholt, die anhand eines Modellgebäudes mit vier Stockwerken und 24 Wohneinheiten beschrieben wurden. Eine Jury hat 20 von 50 Bietern den Zuschlag für 25 Konzepte erteilt. Die rund 3.000 GdW-Mitglieder können nun aus diesen Projekten auswählen und den zugehörigen Rahmenvertrag nutzen. Andere Akteure aus der Baubranche dürfen ähnliche Verträge mit den ausgewählten Bietern schließen. "Mithilfe der Rahmenvereinbarung sind unsere Wohnungsunternehmen in der Lage, ihre Projekte vergaberechtskonform auszuschreiben", sagt Viehrig.
Kosten und Finanzierung beim seriellem Bauen
Seriell erstellte Gebäude gelten im Bau im Vergleich zum konventionellen Wohnungsbau als kostengünstiger. Wie groß die Einsparungen sind, hängt vom Projekt ab. Die neue GdW-Rahmenvereinbarung bietet eine Orientierung: Im Medianwert betrugen die Angebotspreise 2.995 Euro pro Quadratmeter, wobei der preisgünstigste Quadratmeterpreis bei 2.370 Euro lag und der teuerste bei 4.370 Euro. "Im Median sind wir dabei auf eine Sollmiete von 14 Euro pro Quadratmeter gekommen", so Vierhrig weiter – "im Gegensatz zu durchschnittlichen 18 Euro pro Quadratmeter Sollmiete beim Neubau generell zum Baukostenstand August 2023."
Beim sozialen Wohnungsbau liegt die Sollmiete im Schnitt bei rund sieben Euro – davon sind die Preise der seriellen Neubaukonzepte noch meilenweit entfernt. Doch im Vergleich zum Durchschnittsneubau fallen die geplanten Kosten günstiger aus. Wobei sich die Angebotspreise auf das vordefinierte Modellgebäude beziehen und je nach individueller Ausgestaltung des Bauherrn noch in die Höhe gehen können.
Serielles Bauen für mehr Nachhaltigkeit?
Beim seriellen Bauen soll Bauschutt eingespart werden – zum einen, weil es die digitalisierten Baukonzepte ermöglichen, die verwendeten Materialien als Teil einer Kreislaufwirtschaft genau zu beschreiben und zu dokumentieren. Zum anderen, weil die effiziente Bauweise Fehler und damit auch Ressourcenverschwendung reduziert.
Bauunternehmen setzen beim standardisierten Bau außerdem in der Regel klimafreundlichere Materialien ein. Im seriellen Wohnungsbau ist viel Holz und CO2-neutraler Zement im Einsatz. Auch die eingesparten CO2-Emissionen, die sonst beim Transport vieler einzelner Baumaterialien zu den Baustellen anfallen würden, zahlen auf die gute Klimabilanz der seriellen Bauweise ein.
Serielles Bauen ist oft im Einsatz, wenn es um Großprojekte wie Bürogebäude, Schulen oder Hotels geht. Doch auch für Wohnzwecke gibt es Beispiele für seriell gebaute Gebäude. Im Jahr 2023 stellte etwa die Deutsche Reihenhaus die Siedlung "Am Herbstwiesenweg" im mittelfränkischen Erlangen Bruck fertig, mit Einfamilienhäusern von 120 oder 145 Quadratmeter Größe. Oder das Bauunternehmen Goldbeck hat die Siedlung "Sterndamm" im Berliner Stadtteil Treptow-Köpenick 2022 nach 16 Monaten Bauzeit 66 Wohnungen mit jeweils ein bis vier Zimmern realisiert. Das Projekt war Teil der ersten GdW-Rahmenvereinbarung für serielles Bauen.
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