Fehlbedarf bei Wohnungen: Die Lücke wächst in Stadt und Land

Die Zuwanderung nach Deutschland fällt laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) deutlich höher aus als bisher erwartet – deshalb müssten mehr Wohnungen gebaut werden als gedacht. Einen signifikanten Fehlbedarf gibt es nicht mehr nur in den Großstädten.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln ist bisher davon ausgegangen, dass 308.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden müssten. Nun bezifferte es den Bedarf nach einer neuen Studie auf 372.000 jährlich. Hintergrund ist unter anderem die Zuwanderung, die zuletzt stärker ausgefallen ist als vom Institut erwartet. Im Jahr 2023 wurden bundesweit nur 295.000 Wohnungen fertiggestellt.

"Wir müssen die Bautätigkeit jetzt deutlich steigern", sagte IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. In den sieben größten deutschen Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart würden im Schnitt nur 59 Prozent der erforderlichen Wohnungen gebaut. Wegen der Wohnungsbaukrise und der rückläufigen Bautätigkeit nimmt laut IW Köln der Wohnungsmangel vielerorts noch weiter zu. Die Mieten bei Neuvermietung steigen damit weitaus stärker als früher.

Wohnungsbedarf bleibt bis 2030 auf hohem Niveau

Den Wohnungsbedarf im Zeitraum 2021 bis 2025 haben die Ökonomen auf Grundlage einer neuen regionalen Bevölkerungsprognose nach oben korrigiert. Die Zuwanderung war zunächst aufgrund der Corona-Pandemie wesentlich moderater eingeschätzt worden. Seit Februar 2022 kamen durch den russischen Krieg in der Ukraine 1,3 Millionen Flüchtlinge dazu. In Summe wurde die Zuwanderung um 1,5 Millionen Personen unterschätzt.

Auch für den Zeitraum 2026 bis 2030 zeigen die aktualisierten Ergebnisse im IW-Wohnungsbedarfsmodell ein hohes Niveau von immer noch 302.000 benötigten Wohnungen pro Jahr – das ist zwar weniger als in den von starker Zuwanderung gekennzeichneten Jahren, liegt aber immer noch über der in den vergangenen drei Jahren realisierten Bautätigkeit.

Im Verhältnis zum jährlichen Bedarf liegt die aktuelle Bautätigkeit (2021 bis 2023) in Deutschland nur bei 79 Prozent. Besonders hoch ist die Unterdeckung in den sieben größten Städten. Dort liegt die Quote aus aktueller und benötigter Bautätigkeit bei 59 Prozent. Am niedrigsten ist unter den "Top 7" die Bautätigkeit in Köln und in Stuttgart: Im Zeitraum von 2020 bis 2023 sind nur 37 Prozent beziehungsweise 43 Prozent der dort benötigten Wohnungen neu gebaut worden. Das IW Köln erwartet, dass die Bautätigkeit in den Jahren 2024 und 2025 noch geringer ausfallen und der Wohnungsmangel flächendeckend zunehmen wird.

Wohnungsangebot: Fehlbedarf bis in ländliche Regionen

Neben den Bundesländern haben die Forscher auch die Regionstypen nach der BBSR-Klassifikation betrachtet, die die Kreise nach der Bevölkerungsdichte unterscheidet – zwischen den "Top 7", den 64 weiteren kreisfreien Städten, 128 städtischen Kreisen, 101 ländlichen Kreisen und 101 dünn besiedelten Kreisen.

Wie erwartet, fällt die Lücke in den sieben Top-Metropolen am größten aus, wo folglich bislang nur jährlich 59 Prozent der benötigten Wohnungen gebaut wurden. Ähnlich hoch ist der Fehlbedarf in den weiteren kreisfreien Großstädten mit 63 Prozent. Die städtischen Kreise, die vor allem die Umlandkreise um die Großstädte erfassen, weisen mit 82 Prozent ebenfalls einen signifikanten Fehlbedarf auf. Selbst in den ländlichen Kreisen wurde insgesamt zu wenig gebaut.

Nur in den dünn besiedelten Kreisen, die oftmals durch Abwanderung gekennzeichnet sind, ist nach dem bisherigen Stand etwas mehr gebaut worden als benötigt wird. Berücksichtigt wurden die Fertigungszahlen im Zeitraum von 2021 bis 2023, die Bautätigkeit dürfte der Analyse zufolge in den Jahren 2024 und 2025 noch geringer ausfallen.

Metropolen: Mieten steigen stärker als früher

In Berlin entstanden in den vergangenen Jahren mit 16.400 Wohnungen pro Jahr am meisten neue Wohnungen im Vergleich der "Top 7", wie das IW mitteilt. In Relation zur Bevölkerung war die Bautätigkeit aber nicht am dynamischsten. Im Verhältnis zur Bevölkerung erreicht die Bundeshauptstadt mit 4,4 Wohnungen pro 1.000 Einwohner und Jahr nur einen Durchschnittswert. München (5,5) und Frankfurt am Main (4,5) erzielten die höchsten Fertigungszahlen je 1.000 Einwohner unter den bevölkerungsreichsten seiben Städten. Am niedrigsten ist die Bautätigkeitin dieser Kategorie in Köln und in Stuttgart: Im Zeitraum von 2020 bis 2023 wurden nur 37 Prozent beziehungsweise 43 Prozent der benötigten Wohnungen gebaut.

Entsprechend der hohen Knappheiten sind in allen "Top 7"-Städten Steigerungen bei den Kaufpreisen und Mieten sowie ein zunehmend negativer Binnenwanderungssaldo mit den Umlandgemeinden zu erwarten. Die hohen Bedarfe erklären sich laut IW Köln vorrangig aus den Bevölkerungszuwächsen. In Berlin ist der Bedarf wegen der hohen Zuzüge aus dem Aus- und Inland am größten: 31.300 Wohnungen müssten pro Jahr absolut entstehen – 8,3 Wohnungen pro 1.000 Einwohner in relativen Zahlen.

In Stuttgart und Düsseldorf ist der Wohnungsbedarf am geringsten unter den Metropolen. München ist bei der Bedarfsdeckung am höchsten: Das liegt auch daran, dass das Einwohnerwachstum geringer ausgefallen ist, weil zu wenig gebaut wird.

IW-Studie "Mehr Wohnungsmangel durch steigende Bedarfe und sinkende Bautätigkeit" (Download)


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Schlagworte zum Thema:  Leerstand, Wohnungswirtschaft