Zusammenfassung
In diesem Beitrag wird die "Vision Zero" als nationale und internationale Strategie vorgestellt. Nach der Entstehungsgeschichte wird in diesem Beitrag besonderer Wert auf die Bedeutung, Definition und vor allem die betriebliche Umsetzung der Vision Zero gelegt. Dies erfolgt alternativ über die Einführung einer betrieblichen Präventionskultur mit 6 Handlungsfeldern oder die Direktansprache betrieblicher Führungskräfte durch die 7 goldenen Regeln. Abschließend wird die Frage beantwortet, ob die Vision Zero als Strategie realistisch ist.
1 Definition
Die Vision Zero ist eine weltweite Strategie für Sicherheit bei der Arbeit und im Straßenverkehr. National wurde sie von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) als fundamentale Strategie seit 2008 eingeführt und schrittweise umgesetzt. International ist die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherung (IVSS) zusammen mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) federführend.
Die ILO in Genf geht davon aus, dass weltweit durch unsichere Arbeitsbedingungen, Unfälle und Berufskrankheiten 4 % der Wirtschaftsleistung verloren gehen, in manchen Ländern sogar bis zu 10 %. Das unterstreicht die Bedeutung der Prävention generell. Klar ist aber auch, dass jede Aktivität für mehr Sicherheit und Gesundheit Prioritäten setzen muss. International und bezogen auf ganze Staaten wird deshalb die Vision Zero üblicherweise so definiert: Keine Todesfälle und keine Schwerverletzten bei der Arbeit oder im Straßenverkehr. Bezogen auf einzelne Betriebe wurde die Definition inzwischen auf die Vermeidung aller Unfälle und Berufskrankheiten erweitert. So gibt es in jüngster Zeit in Deutschland und in Singapur Präventionskampagnen mit der Zielrichtung "VISION ZERO. Null Unfälle – gesund arbeiten". Die beiden Literaturstellen enthalten neben den Definitionen bereits konkrete Umsetzungsvorschläge.
2 Eine Vision entsteht
Gelegentlich auch als Philosophie oder als Vision bezeichnet, ist die Vision Zero tatsächlich eine Strategie. Diese Strategie hat ihren Ursprung in verschiedenen Kontinenten und unterschiedlichen Epochen, aber sie geht letztlich auf die chemische Industrie zurück.
Ein historisches Beispiel aus dem Jahr 1811 markiert den Ursprung der Vision Zero, ein aktuelles aus dem Jahr 2014 verdeutlicht die Universalität der Strategie. Der älteste bekannte Ursprung geht tatsächlich bis in den Beginn des 19. Jahrhunderts auf Éleuthère Irénée du Pont de Nemours zurück. E.I. du Pont erwarb 1802 das seitdem als Ursprung des DuPont-Konzerns bekannte Grundstück am Brandywine River nahe Wilmington (Deleware, USA) und gründete einen Schwarzpulverhersteller. Schon in den ersten Betriebsjahren gab es mehrere schwere Arbeitsunfälle durch heftige Explosionen, später explodierten sogar 3 Waggonladungen von Schwarzpulver während der Fahrt mitten in Wilmington. Tote waren zu beklagen, Gebäude wurden zerstört. Als Konsequenz der schweren Arbeitsunfälle stellte du Pont bereits 1811 die ersten Sicherheitsregeln auf, in denen insbesondere dem Management die Verantwortung für die Sicherheit im Unternehmen übertragen wurde. Dies ging so weit, dass er allen Vorgesetzten auferlegte, mit ihren Familien mitten im Betriebsgelände zu wohnen. Damit demonstrierte die Betriebsleitung die Verantwortung für Leben und Gesundheit der Mitarbeiter ebenso wie das Vertrauen in das inzwischen erreichte Niveau der Arbeitssicherheit.
Wie bei E.I. du Pont zeigt auch ein aktuelles Beispiel aus einer der größten Werften weltweit in Singapur, wie einfach in der Umsetzung die Vision Zero sein kann – wenn man den richtigen Ansatzpunkt findet und kreativ denkt. Die Arbeit auf Werften ist generell gefährlich. In Singapur kommt das Klima mit täglichen Temperaturen von mehr als 30 °C und stets mehr als 90 % Luftfeuchtigkeit sowie kurzen, aber heftigen Schauern an den meisten Tagen des Jahres hinzu.
Der Ansatz der Leitung der Werft bei der Umsetzung der Vision Zero war in der Theorie einfach: Alle Beschäftigten sollten Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit aller anderen Beschäftigten übernehmen. Bei einem Anteil von über 90 % Wanderarbeitnehmern aus vielen asiatischen Ländern mit oft nur geringen Sprachkenntnissen eine auf den ersten Blick schwierige Aufgabe. Bei du Pont war die Residenzpflicht aller Vorgesetzten mit ihren Familien auf dem Werksgelände der Schlüssel zum Erfolg. In Singapur waren es viele, in kurzen Abständen installierte Telefone mit nur 2 Tasten: Eine verbindet mit dem Arbeitsschutz der Werft, die andere direkt mit dem Arbeitsministerium. Vom CEO der Werft über alle Hierarchieebenen wurde dann täglich kommuniziert, dass jede auch scheinbar nur so geringfügige Gefährdung von Personen sofort völlig formlos über die Telefone mitgeteilt werden solle. Und wer dem internen Arbeitsschutz nicht traut, könne jederzeit den Knopf für das Arbeitsministerium drücken. T...