1.1 Definition und Hintergrund
Ziel der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist, arbeitsbedingte Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten durch regelmäßige Untersuchungen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Arbeitsmedizinische Vorsorge ist Teil des betrieblichen Gesundheitsschutzes. Ob arbeitsmedizinische Vorsorge erforderlich ist, hängt vom Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG ab. Untersuchungen sind meist erforderlich, wenn Grenzwerte z. B. beim Umgang mit Gefahrstoffen (Arbeitsplatzgrenzwert AGW) oder an Lärmarbeitsplätzen (Auslösewerte) überschritten werden. Auch wenn der Umgang mit bestimmten Chemikalien oder bestimmte gefährdende Tätigkeiten Berufskrankheiten verursachen können, ist i. Allg. arbeitsmedizinische Vorsorge vom Arbeitgeber zu organisieren.
Gesetzliche Grundlage ist die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Sie gilt im Geltungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes und umfasst die Regelungen zu Vorsorgeuntersuchungen, die ursprünglich in der GefStoffV, BioStoffV, GenTSV, LärmVibrationsArbSchV, DruckLV und ehemaligen BildscharbV enthalten waren.
Arbeitsmedizinische Regeln (AMR) konkretisieren die ArbMedVV. Im Gegensatz dazu haben Arbeitsmedizinische Empfehlungen (AME) keine Vermutungswirkung, sondern nur Empfehlungscharakter. Sie beruhen auf gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen und werden vom Ausschuss für Arbeitsmedizin aufgestellt oder angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlicht. Themen sind z. B. Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, psychische Gesundheit im Betrieb, Zeitarbeit, Wunschvorsorge.
Handlungsanleitungen für die arbeitsmedizinische Vorsorge (DGUV-Informationen 240-XXX) liefern dem Arbeitgeber ergänzende Hinweise für die Gefährdungsbeurteilung und für die Auswahl der zu untersuchenden Beschäftigten.
Arbeitsmedizinische Vorsorge beinhaltet – neben den Untersuchungen selbst – auch
- die Beurteilung der individuellen Wechselwirkungen von Arbeit und physischer und psychischer Gesundheit und die Früherkennung arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen,
- individuelle arbeitsmedizinische Aufklärung und Beratung der Beschäftigten,
- die Nutzung von Erkenntnissen aus der Vorsorge für die Gefährdungsbeurteilung und für sonstige Maßnahmen des Arbeitsschutzes.
1.2 Verantwortung des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber ist zur gesundheitlichen Fürsorge für seine Beschäftigten verpflichtet. Er muss daher
- für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge sorgen,
- zur Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge einen Arzt nach § 7 ArbMedVV beauftragen, mit der Gebietsbezeichnung "Arbeitsmedizin" oder der Zusatzbezeichnung "Betriebsmedizin",
- dem Arzt alle erforderlichen Auskünfte über die Arbeitsplatzverhältnisse, v. a. über den Anlass der jeweiligen Untersuchung und die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung erteilen,
- eine Begehung des Arbeitsplatzes ermöglichen,
- dem Arzt auf Verlangen Einsicht in die Unterlagen gewähren (Vorsorgekartei).
Der Arbeitgeber muss
- Pflichtvorsorge veranlassen,
- Angebotsvorsorge anbieten,
- Wunschvorsorge nach § 11 ArbSchG ermöglichen.
Angebotsvorsorge bei Erkrankungen
Sobald der Arbeitgeber Kenntnis von einer Erkrankung erhält, die in Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Beschäftigten stehen kann, muss er unverzüglich eine Angebotsvorsorge anbieten; dies kann auch für Beschäftigte gelten, die vergleichbare Tätigkeiten ausführen.
Arbeitsmedizinische Vorsorge soll während der Arbeitszeit stattfinden.
Reichen bisher festgelegte Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit nicht aus, muss der Arbeitgeber
- die Gefährdungsbeurteilung überprüfen,
- unverzüglich erforderliche Maßnahmen treffen,
- Betriebs- oder Personalrat und die zuständige Behörde über die getroffenen Maßnahmen informieren.
Ist ein Tätigkeitswechsel erforderlich, muss der Arbeitgeber dem Beschäftigten eine andere Tätigkeit zuweisen.
Gefährdungen bzw. Tätigkeiten
Bei welchen Arbeiten bzw. Tätigkeiten Pflicht- bzw. Angebotsvorsorge erforderlich ist, ist im Anhang Teile 1 bis 4 ArbMedVV festgelegt:
Arbeiten mit Gefahrstoffen, z. B. bestimmte krebserzeugende sowie keimzellmutagene Stoffe und Gemische der Kategorie 1A und 1B, bestimmte Stäube, Schweißrauche;
Neue Begriffe und Kategorien
Nach CLP-Verordnung wurde der Begriff "Zubereitung" durch"Gemisch" ersetzt.
Die bisherigen Kategorien 1, 2 und 3 für KMR-Stoffe wurden neu eingeteilt in 1A, 1B und 2.
- Arbeiten mit biologischen Arbeitsstoffen einschließlich gentechnischer Arbeiten mit humanpathogenen Organismen, z. B. bestimmte Bakterien und Viren;
- Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen: Hitze, Kälte, Vibration, Lärm, Tätigkeiten unter Wasser sowie mit Exposition durch inkohärente optische Strahlung, Tätigkeiten mit wesentlich erhöhter körperlicher Belastung (Handhabung von Lasten, repetitive manuelle Tätigkeiten, Arbeiten in Zwangshaltung), Tätigkeiten im Freien mit intensiver Belastung durch natürliche UV-Strahlung von regelmäßig einer Stunde oder mehr pro Tag;
- sonstige Tätigkeiten, z. B. Tragen von Atemsc...