1.1 Definitionen
Die systemergonomischen Zusammenhänge beim Bürodrehstuhl sind:
- Der Bürostuhl muss sich dem Menschen anpassen und nicht umgekehrt.
- Der Bürostuhl muss sich für die gestellte Arbeitsaufgabe eignen.
- Der Mitarbeiter muss mitgenommen werden und seinen Nutzen erkennen.
- Der Bürostuhl muss dem Mitarbeiter in seiner richtigen Nutzung bekannt sein.
- Der Bürostuhl muss auf den Arbeitstisch und die Arbeitsmittel abgestimmt sein.
Gesetzmäßigkeiten des Menschen berücksichtigen
Optimale Leistung entsteht nur dann, wenn nicht nur die Gesetze der Technik, sondern auch die physiologischen und psychologischen Gesetzmäßigkeiten der Menschen berücksichtigt werden. Wer dagegen verstößt, mindert deren Leistung und provoziert Krankheiten und Fehlzeiten.
Dynamische Sitzkonzepte sind Stuhlmechaniken, die die natürliche Bewegung des Menschen im Sitzen durch ein dynamisches Sitzträgersystem ermöglichen. Ein statisches Sitzen ist nicht möglich. Die Dynamik wird i. d. R. durch den Einsatz der folgenden grundlegenden Konzepte erreicht:
- Kipp-Prinzip,
- Ball-Prinzip,
- Pendel-Prinzip,
- bzw. andere dynamische Wirkmechanismen wie Luftkammern oder kinematische Lösungen.
Das Sitzträgersystem verfügt sowohl in der vorderen, mittleren als auch in der hinteren Sitzhaltung über eine passend abgestimmte Rückenlehnenmechanik. Diese trägt dem Drang nach Abstützung durch eine feststellbare Rücklehne Rechnung.
Dabei ist das Individualprinzip zu berücksichtigen, d. h., die individuellen Bedürfnisse der Nutzer weichen abhängig von körperlichen Voraussetzungen und Anforderungen des Arbeitsplatzes voneinander ab. Qualität und Eignung von Bürodrehstühlen können deshalb nicht völlig objektiv und standardisiert beurteilt werden, sondern immer nur unter Berücksichtigung arbeitsplatz- und benutzerbezogener Kriterien.
1.2 Hintergrund
Die rechtlich vorgeschriebenen Anforderungen an Bürostühle sind sehr gering. Anhang 3.3 Abs. 2 Arbeitsstättenverordnung fordert bei "ganz oder teilweise sitzend zu verrichtender Arbeit", dass "Sitzgelegenheiten zur Verfügung zu stellen" sind. Alles Weitere bleibt der Gestaltungsfreiheit des Herstellers und der branchenspezifischen Normung überlassen (DIN EN 1335), an der sich die Hersteller mehr oder weniger orientieren.
Tatsächlich ist es so, dass der Markt an Büroarbeitsstühlen extrem weit gefächert ist, ohne dass festgelegt ist, welche Funktionen obligatorisch sind, um zuträgliche Arbeitsbedingungen zu erzielen. Hilfreich sind Hinweise der BGen, insbesondere der Verwaltungs-BG. Neben den absoluten Grundvoraussetzungen, wie
- 5 Rollen,
- Höhenverstellbarkeit,
- Dämpfung (Tiefenfederung),
- Polsterung und
- Neigungsverstellung der Rückenlehne,
kann heute mit aller gebotenen Zurückhaltung eine gut ausgeführte Dynamikfunktion (gewichtsangepasste Permanentkontaktlehne oder synchrone Verstellung von Rückenlehnen- und Sitzflächenneigung) sowie dynamische Sitzkonzepte als Stand der Technik gelten. Üblich sind vielfach auch Sitztiefenverstellungen, höhenverstellbare Armstützen und Lendenstützen.
Anforderungen an Bürostühle
Die gleichnamige Checkliste bietet Ihnen einen schnellen Überblick über die Anforderungen eines Bürostuhls.
1.3 Unfall- und Berufskrankheitengeschehen
Obwohl es nach der allgemeinen Erfahrung und medizinischen Erkenntnissen unstrittig ist, dass langes Sitzen die Wahrscheinlichkeit von Gesundheitsbeschwerden (besonders im Bereich der Wirbelsäule) erhöht, gibt es kein Berufskrankheitsbild für durch Sitzen unter ungünstigen Bedingungen ausgelöste Erkrankungen.
Tatsächlich sind Wirbelsäulenbeschwerden mit so vielen Ursachen im persönlichen Lebensbereich in Zusammenhang zu bringen (z. B. körperliche Disposition, sportliche Betätigung, Schlafgewohnheiten, psychische Belastungen), dass ein Ursache-Wirkungszusammenhang nicht eindeutig festzumachen ist. Außerdem ist ihre Verbreitung in der arbeitenden Bevölkerung so hoch, dass die mit einer Anerkennung eines Berufskrankheitsbildes in diesem Bereich verbundenen Kostenbelastungen unkalkulierbar wären. Weil außerdem das Unfallgeschehen in Verbindung mit Bürostühlen verschwindend gering ist, sind die durch ungeeignete Bürostühle zu erwartenden Belastungen für Beschäftigte und Betrieb nicht im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung zu erwarten.
1.4 Verantwortung von Arbeitgeber und Führungskräften
Die Beschaffung von Bürostühlen lässt sich nicht nach Katalog und Preis durchführen. Um wirtschaftlich und effizient einzukaufen, müssen Zuständige sich in das Thema einarbeiten. Dabei helfen interne und externe Fachleute, wie Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte, Hersteller und Lieferanten, Berufgenossenschaften und (im Fall von Beschaffung für Schwerbehinderte) z. B. auch die Integrationsämter, Hauptfürsorgestellen usw.
Dabei ist es unerlässlich sich als Verantwortlicher eine eigene Urteilsfähigkeit auszubilden, weil zu wenig objektive mess- oder beschreibbare Kriterien über die Qualität von Stühlen entscheiden. Verantwortliche sollten darauf achten, dass Stühle entsprechend der ermittelten Gefährdungen und Belastungen beschafft werden (z. B. Arbeitszeit, Arbeitshaltung, körperliche Bedürfnisse) und...