1.1 Definition
Eine Gefährdungsbeurteilung ist der Prozess zur Ermittlung von Gefährdungen und Beanspruchungen mit einer Bewertung der damit verbundenen Risiken, sowie der Festlegung von Schutzmaßnahmen.
Dabei bedeutet:
- Gefährdungen entstehen durch das örtliche und zeitliche Zusammentreffen von Personen mit Gefahren. Gefahren sind die Ursachen einer möglichen Verletzung oder Gesundheitsschädigung von Personen und werden i. d. R. ihrem Ursprung nach unterschieden.
- Beanspruchung ist die individuell verschiedene Reaktion des Menschen auf eine äußere Belastung. Die Belastung wiederum ist eine objektive Einwirkung äußerer Bedingungen auf den Menschen bei der Arbeit, die den physischen und/oder psychischen Zustand einer Person ändern kann. Die zumutbare Belastung hängt letztlich vom Gesundheitszustand und der Konstitution des Beschäftigten ab.
- Risiko ist die Kombination aus Wahrscheinlichkeit (Eintrittswahrscheinlichkeit) und Schwere (Schadensumfang) eines durch eine Gefährdung möglichen Schadens. Restrisiko ist das Risiko, welches nach Durchführung von Schutzmaßnahmen noch verbleibt. Grenzrisiko ist das höchste, von der Gesellschaft akzeptierte Restrisiko.
1.2 Hintergrund
Nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) muss der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen ermitteln, welche Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Die Beurteilung der Gefährdungen ist die Voraussetzung für das Ergreifen von wirksamen und betriebsbezogenen Arbeitsschutzmaßnahmen. Welche konkreten Schutzmaßnahmen im Betrieb erforderlich sind, muss durch eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen festgestellt werden. Die Gefährdungsbeurteilung ist auch die Grundlage für die Festlegung der Rangfolge der zu ergreifenden Schutzmaßnahmen (TOP = Technisch – Organisatorisch – Persönlich).
Die Gefährdungsbeurteilung besteht aus einer systematischen Feststellung und Bewertung von relevanten Gefährdungen und der Ableitung entsprechender Maßnahmen. Die aus der Gefährdungsbeurteilung resultierenden Maßnahmen müssen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und an sich ändernde Gegebenheiten angepasst werden.
1.2.1 Methoden der Gefährdungsbeurteilung
Spezielle Methoden oder Mittel zur Gefährdungsbeurteilung sind nicht vorgeschrieben. Einfache Methoden zur Feststellung von Gefährdungen sind z. B. Arbeitsplatzbegehungen, Auswertungen von Beinaheunfällen und Unfallereignissen.
Handelt es sich um Tätigkeiten oder Arbeitsplätze mit einem hohen oder komplexen Gefährdungspotenzial (z. B. Arbeiten auf hochgelegenen Arbeitsplätzen, Sprengarbeiten, Arbeiten in Kanalisationsanlagen, Feuerarbeiten in brand- und explosionsgefährdeten Bereichen) ist eine umfangreichere Gefährdungsbeurteilung erforderlich.
Bei nicht stationären Betrieben (z. B. Baustellen) ist es i. d. R. nicht ausreichend, nur eine einzige Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Hier unterscheiden sich die Arbeitsbedingungen (z. B. durch wechselnde Gegebenheiten oder unterschiedliche Arbeitsabläufe), sodass die Gefährdungen sehr unterschiedlich sein können. Daher muss die Anwendbarkeit auf den neuen Arbeitsbereich von Fall zu Fall geprüft werden. Gegebenenfalls muss die Gefährdungsbeurteilung an die sich verändernden Bedingungen angepasst werden. Ergänzungen oder Anpassungen können auch vor Ort vorgenommen werden, z. B. durch den Bauleiter.
1.2.2 Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung
Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung bieten die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und die Betriebsärzte. Zur Beratung kann aber auch der zuständige Unfallversicherungsträger oder die staatliche Arbeitsschutzbehörde hinzugezogen werden.
1.2.3 Durchführung der Gefährdungsbeurteilung
Eine sinnvolle Gefährdungsbeurteilung ist ein kreativer Prozess, der nicht durch Formalismus erstickt werden darf. Der Arbeitgeber verfügt normalerweise nicht über die erforderlichen Kenntnisse, um Gefährdungsbeurteilungen selbst durchführen zu können und sollte sich durch die o. g. Partner beraten lassen.
Für Kleinbetriebe bieten einige Berufsgenossenschaften das Unternehmermodell an. Im Rahmen dieses Modells werden Arbeitgeber so geschult, dass sie die Gefährdungsbeurteilungen selbst durchführen und die notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen ermitteln können.
Die Gefährdungsbeurteilung sollte, nach den unterschiedlichen Arbeitsbereichen und Gefährdungsarten gegliedert, durchgeführt und dokumentiert werden.
Die Gefährdungsbeurteilung kann
- tätigkeitsbezogen (z. B. für Gerüstbauarbeiten),
- arbeitsplatzbezogen (z. B. für den Bildschirmarbeitsplatz),
- arbeitsmittelbezogen (z. B. für die Drehmaschine) oder
- personenbezogen (z. B. für Jugendliche)
erstellt werden.
In den meisten Fällen werden Mischvarianten erforderlich sein, je nachdem wo der Gefahrenschwerpunkt liegt.
1.2.4 Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung
Mögliche Anlässe für eine Überprüfung der vorhandenen Gefährdungsbeurteilung ergeben sich z. B. bei:
- Neu- oder Umbau von Betriebsanlagen und Einrichtungen,
- Beschaffung oder Umrüstung technischer Arbeitsmittel (z. B. Werkzeuge, Maschinen),
- Einführung von gesundheitsgefährdenden Arbeitsstoffen,
- Einführung oder wesentlichen Änderungen von Arbeitsverfahren und -abläufen,
- Änderungen der Mitarbeiterstruktur,
- Arbeitsunfällen ode...