Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Zusammenfassung
Wichtige Argumente für Notfallübungen sind:
- Brandschutz- und Evakuierungsübungen gehören zum Pflichtprogramm im Arbeitsschutz.
- Praktische Übungen aktivieren die Beschäftigten i. d. R. deutlich mehr als Vortragsveranstaltungen und wecken so Verantwortungsgefühl für betriebliche Sicherheitsbelange.
- Fehlende Brandschutz- und Evakuierungsübungen werden von Aufsichtsbehörden bzw. im Schadensfall leicht als Ausdruck allgemein fehlenden Sicherheitsbewusstseins gedeutet und sind bei Zertifizierungsverfahren ein gravierendes Abwertungskriterium.
- Praktische Übungen lassen sich unter Einbeziehung der örtlichen Gegebenheiten praxisnah und abwechslungsreich gestalten.
- Effektiv und straff organisierte Brandschutz- und Evakuierungsübungen belasten den betrieblichen Ablauf wenig und können so auch Kunden/Gästen gegenüber Ausdruck verantwortungsbewussten betrieblichen Handelns sein.
1 Details
1.1 Definition
Die Begriffe Brandschutz- bzw. Evakuierungsübung werden nebeneinander für gleich oder mind. ähnlich gelagerte, praktische Schulungen verwendet, deren Schwerpunkt (neben ggf. anderen Themen) das Verhalten im Brandfall ist.
Eine wesentliche rechtliche Grundlage solcher Unterweisungen ist die jährlich erforderliche allgemeine Sicherheitsunterweisung, die auch die Gefahrenabwehr und das Verhalten in unterschiedlichen zu erwartenden Notfällen umfassen muss (§ 12 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), § 4 DGUV-V 1).
Ausdrücklich werden praktische Brandschutzunterweisungen im Arbeitsstättenrecht angesprochen:
§ 4 Abs. 4 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV):
Zitat
In angemessenen Zeitabständen ist entsprechend diesem Plan [dem Flucht- und Rettungsplan] zu üben.
Abschn. 11 Abs. 2 ASR A2.3 "Fluchtwege und Notausgänge":
Zitat
Ist für eine Arbeitsstätte die Erstellung eines Flucht- und Rettungsplanes erforderlich, sind in regelmäßigen Abständen Evakuierungsübungen durchzuführen.
Hinweis: In der Praxis hat sich bewährt, die Evakuierungsübungen in Abständen von 2 bis 5 Jahren zu wiederholen. Zur Festlegung der Häufigkeit und des Umfangs der Evakuierungsübungen sowie zu deren Durchführung sind auch Anforderungen anderer Rechtsvorschriften (z. B. Bauordnungsrecht, Gefahrstoffrecht, Immissionsschutzrecht) zu berücksichtigen.
Außerdem gibt es länderspezifisch bau- und betriebsrechtliche Vorgaben zu Evakuierungsübungen (auch als Alarmproben, Alarmübungen, Notfallübungen bezeichnet) für Gebäude und Anlagen besonderer Art und Nutzung, z. B. für Schulen, Kindergärten, Versammlungsstätten, Verkaufsstätten. Sie sind i. d. R. jährlich bis halbjährlich durchzuführen, z. T. in Abstimmung mit den zuständigen öffentlichen Brandschutzdienststellen.
Praktische Übungen zum Umgang mit Handfeuerlöschern sind in ASR A2.2 Abschn. 7.3 bzw. § 22 Abs. 2 DGUV-V 1 verankert:
Zitat
Der Unternehmer hat eine ausreichende Anzahl von Versicherten durch Unterweisung und Übung im Umgang mit Feuerlöscheinrichtungen zur Bekämpfung von Entstehungsbränden vertraut zu machen.
1.2 Hintergrund
Nach ASR A2.3 soll anhand von Evakuierungsübungen überprüft werden, ob
- die Alarmierung zu jeder Zeit unverzüglich ausgelöst werden kann,
- die Alarmierung alle Personen erreicht,
- sich alle Personen, die sich im Gebäude aufhalten, über die Bedeutung der jeweiligen Alarmierung im Klaren sind und danach handeln,
- die zu evakuierenden Bereiche frei von Personen sind.
Evakuierungsübungen wie auch andere praktische Brandschutzübungen sind für Beschäftigte meist eindrücklicher als theoretische Unterweisungen und tragen sowohl zu mehr Sachkompetenz als auch zu einem verbesserten Verantwortungsgefühl für betriebliche Sicherheitsbelange bei.
1.3 Unfallgeschehen
Aufgrund der strengen Bauvorschriften und des allgemein hohen Sicherheitsstandards für Gebäude und Anlagen allgemein und Arbeitsstätten im Besonderen ist nicht zu erwarten, dass es häufig zu Brandereignissen kommt, bei denen Menschen dadurch zu Schaden kommen, dass sie ein betroffenes Gebäude nicht rechtzeitig verlassen konnten.
Trotzdem ist es gerade wegen der hoch toxischen Wirkung von Brandrauch und der allgemein unterschätzten, sehr intensiven Rauchentwicklung bei typischen Schadenfeuern jederzeit möglich, dass Menschen, die sich im Brandfall unüberlegt oder falsch verhalten, schwer verletzt oder getötet werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach unstrukturierter Evakuierung Suchaktionen nach scheinbar oder tatsächlich vermissten Personen die Einsatzkräfte der Feuerwehr stark gefährden und den Löscheinsatz wesentlich verschleppen können.
Fehlende Kompetenz beim Umgang mit Handfeuerlöschern kann dazu führen, dass Sachschäden entsprechend höher ausfallen, weil Entstehungsbrände nicht wirksam unter Kontrolle gebracht werden konnten. Darüber hinaus können dadurch bei der Rettung brennender Personen wertvolle Sekunden bis zum möglichen Ablöschen verstreichen, die die Überlebenschancen Betroffener deutlich verringern können.
1.4 Verantwortung von Arbeitgeber und Führungskräften
Brandschutzunterweisungen und -übungen gehören zum absoluten Pflichtprogramm in Sachen Sicherheitsorganisation (s. Abschn. 1.1 Definition). Die Durchführung muss dokumentiert werden. Bes...