Dipl.-Ing. Dirk Rittershaus
Zusammenfassung
Kein Chemikalienschutzhandschuh bietet universell für alle Gefahrstoffe den besten Schutz. Das Handschuhmaterial stellt i. d. R. nur eine zeitlich befristete Barriere dar, bis der Gefahrstoff auf molekularer Ebene durch den Handschuh hindurch zur Haut gelangt. Die Zeit, die der Gefahrstoff braucht, um durch den Handschuh die Haut zu erreichen, wird Durchbruchzeit genannt. Der Fachbegriff für die molekulare Durchdringung des Handschuhmaterials heißt Permeation.
DIN EN 374-3 "Schutzhandschuhe gegen Chemikalien und Mikroorganismen - Teil 3: Bestimmung des Widerstandes gegen Permeation von Chemikalien"
1 Prüfverfahren
Die DIN EN 374-3 beschreibt das Prüfverfahren, mit dem Hersteller ihre Chemikalienschutzhandschuhe hinsichtlich der Permeationszeit untersuchen. Das Prüfverfahren wird hier nur grob beschrieben.
Von jedem Handschuhtyp werden mindestens drei Exemplare geprüft. Mindestens bei einem Muster wird der schwächste Teil des Handschuhs geprüft. Die Prüfung findet bei Raumtemperatur (23 °C) statt. In einer Prüfzelle wird nun die Permeationszeit bestimmt. Diese wird bei einer Permeationsrate von 1 μg min-1 cm-2 erreicht.
2 Schutzindex
Abhängig von der Permeationszeit wird eine Bewertung über den Schutz gegenüber der geprüften Chemikalie vorgenommen. Dieser Schutzindex wird in sechs Klassen eingeteilt.
gemessene Permeationszeit |
Schutzindex |
> 10 min |
Klasse 1 |
> 30 min |
Klasse 2 |
> 60 min |
Klasse 3 |
> 120 min |
Klasse 4 |
> 240 min |
Klasse 5 |
> 480 min |
Klasse 6 |
Tab. 1: Schutzindex von Chemikalienschutzhandschuhen in Abhängigkeit von der Permeationszeit
Jede Chemikalie hat ihre eigene Permeationszeit. Hersteller von Chemikalienschutzhandschuhen verfügen über umfangreiche Permeationstests. Für gängige Chemikalien, aber auch für Zubereitungen liegen i. d. R. Untersuchungsergebnisse vor. In den Herstellerprospekten wird meist auch eine Tabelle der untersuchten Substanzen mit dem zugeordneten Schutzindex abgedruckt. Häufig wird die Klasse hier jedoch Level genannt.
Derartige Listen geben die Durchbruchzeit in Abhängigkeit vom jeweiligen Chemikalienschutzhandschuh an. Hierbei fällt auf, dass nicht jede aufgeführte Chemikalie mit jedem Handschuhtyp getestet wird. Das ist vorrangig eine Kostenfrage. Wichtiger ist aber, dass es innerhalb eines Handschuhmaterials bei unterschiedlichen Chemikalienschutzhandschuhtypen verschiedene Permeationszeiten gibt.
3 Materialarten sind nicht verallgemeinerbar
Hersteller von Gefahrstoffen sollten im Sicherheitsdatenblatt konkretere Angaben über Schutzhandschuhe machen. Sie als Endverbraucher sollten davon ausgehen können, dass die Angaben des Herstellers richtig sind. Angaben wie "Handschuhe aus Nitril" oder "Latexhandschuhe tragen" geben Ihnen keinen Hinweis über die Permeationszeiten eines bestimmten Nitrilhandschuhs von Hersteller XYZ. Fragen Sie beim Hersteller konkret nach einem Chemikalienschutzhandschuh für Ihren Gefahrstoff. Eventuell muss dieser dann eine Probe des Gefahrstoffs einschließlich Sicherheitsdatenblatt von Ihnen erhalten, damit entsprechende Permeationstests durchgeführt werden können.
Fragen Sie auch nach, ob bereits bekannt ist, wie groß die Permeationszeit bei dem ausgewählten Chemikalienschutzhandschuh tatsächlich ist. Die EN 374 bricht die Bestimmung der Permeationszeit nach einer Arbeitsschicht von 8 Stunden ab. Meist hält der Handschuh der Chemikalie aber noch länger stand, sodass er auch am nächsten Tag noch einsetzbar ist. Die Nachfrage kann helfen, Kosten zu sparen.
4 Ausblick
Die Prüfbedingungen der Permeationszeit entsprechen nicht den Praxisbedingungen. Die Handtemperatur beträgt nicht 23 °C, und ein Handschuh wird beim Tragen unterschiedlich stark gedehnt bzw. mechanisch belastet. Demzufolge kann die Permeationszeit in der Praxis stark von den im Labor ermittelten Permeationszeiten abweichen. Sie sollten sich daher nicht auf die angegebenen Permeationszeiten verlassen. Fragen Sie deshalb den Hersteller der Handschuhe, welche Empfehlung er als Tragezeitbegrenzung für den ausgewählten Handschuh gibt.