Rechtsanspruch auf Bildschirmbrille auch im Homeoffice?


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Rechtsanspruch auf Bildschirmbrille auch im Homeoffice?

Seit der Corona-Pandemie wünschen sich Beschäftigte vermehrt, ihre Tätigkeiten (zumindest zum Teil) auch in ihren privaten Räumlichkeiten ausführen zu können. Da es sich dabei in der Regel um Tätigkeiten an Bildschirmgeräten handelt, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber den Beschäftigten auch für ihre Tätigkeiten im Homeoffice eine Bildschirmbrille bereitstellen muss.

Allgemeiner Rechtsanspruch auf eine Bildschirmbrille

Der Rechtsanspruch auf eine Bildschirmbrille ergibt sich aus Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 des Anhangs der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Nach dieser Regelung muss der Arbeitgeber Beschäftigten dann eine spezielle Sehhilfe („Bildschirmbrille“) zur Verfügung stellen, wenn das Ergebnis der Angebotsvorsorge ist, dass spezielle Sehhilfen notwendig und normale Sehhilfen nicht geeignet sind.

Dies geht auf europarechtliche Vorgaben (vgl. Art. 9 Abs. 3 RL 90/270/EWG) zurück, eine Vorschrift folglich, welche Deutschland entsprechen umsetzen muss (vgl. Art. 288 UAbs. 3 AEUV). Die Kosten für die Bildschirmbrille müssen hierbei regelmäßig vom Arbeitgeber übernommen werden (§ 3 Abs. 3 ArbSchG).

Anwendbarkeit der ArbMedVV im Homeoffice

Bei der ArbMedVV handelt es sich um eine Rechtsverordnung, welche ihre Ermächtigungsgrundlage in den §§ 18 und 19 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) hat. Sie gilt damit im Geltungsbereich des ArbSchG (vgl. § 1 Abs. 2 ArbMedVV). Das ArbSchG kennt im Hinblick auf den sachlichen Anwendungsbereich keine Einschränkungen bezüglich des Orts der durchzuführenden Tätigkeiten. Die entsprechenden arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften sind folglich auch dann anzuwenden, wenn die Tätigkeiten an Örtlichkeiten durchgeführt werden, welche keine räumliche Verfestigung der arbeitgeberseitigen Betriebsstrukturen darstellen. Somit gilt die ArbMedVV auch im Homeoffice.

Auch die europarechtlichen Vorgaben kennen keine Einschränkung auf Räumlichkeiten des Arbeitgebers. So gilt die „Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz“ für alle privaten und öffentlichen Tätigkeiten ungeachtet des Ortes der Tätigkeitsdurchführung (vgl. Art. 2 Abs. 1 RL 89/391/EWG).

Gem. § 5 Abs. 1 ArbMedVV i. V. m Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV muss Beschäftigten, welche Tätigkeiten an Bildschirmgeräten ausführen, eine Angebotsvorsorge („Bildschirmvorsorge“) angeboten werden.

Hierbei ist auch unbeachtlich, dass die Beschäftigten ggf. lediglich ortsveränderliche Bildschirmgeräte (z. B. einen Laptop) benutzen. Bei Bildschirmgeräten handelt es sich um Funktionseinheiten, zu denen insbesondere Bildschirme zur Darstellung von visuellen Informationen, Einrichtungen zur Datenein- und -ausgabe, sonstige Steuerungs- und Kommunikationseinheiten (Rechner) sowie Software zur Steuerung und Umsetzung der Arbeitsaufgaben gehören (vgl. § 2 Abs. 6 ArbStättV). Rechtlich entscheidend bleibt hier folglich, „dass“ ein entsprechendes Bildschirmgerät genutzt wird.

Dies ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG zu ermitteln. Eine Gefährdungsbeurteilung muss auch bei Tätigkeiten im Homeoffice durchgeführt werden.

Muss der Beschäftigte seinen Anspruch auf eine Bildschirmbrille kennen?

Anders als z. B. bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen (vgl. § 14 Abs. 2 S. 3 Gefahrstoffverordnung) ist bei Tätigkeiten an Bildschirmgeräten nicht explizit gefordert, dass die Beschäftigten auf ihren Rechtsanspruch auf eine Angebotsvorsorge (aus der sich wiederum ein Rechtsanspruch auf eine „Bildschirmbrille“ ergeben kann) hingewiesen werden müssen.

Allerdings muss der Arbeitgeber die Angebotsvorsorge den Beschäftigten regelmäßig aktiv anbieten (vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 ArbMedVV). Rechtssicher setzt der Arbeitgeber diese Angebotsverpflichtung immer dann um, wenn er jedem Beschäftigten persönlich in schriftlicher Form oder in Textform (z. B. per E-Mail) ein entsprechendes Angebot unterbreitet (vgl. § 3 Abs. 1 S. 3 ArbMedVV i. V. m Nr. 3 Abs. 1 AMR Nr. 5.1). Insofern erfahren Beschäftigte auch regelmäßig von der Möglichkeit einer entsprechenden arbeitsmedizinischen Vorsorge.

Aus dem Angemessenheitserfordernis nach § 3 Abs. 1 S. 1 ArbMedVV lässt sich weiterhin auch ableiten, dass die Beschäftigten im Rahmen der Unterweisungen nach § 12 ArbSchG auch darauf hingewiesen werden sollten, dass sie ggf. einen Rechtsanspruch auf eine Bildschirmbrille haben könnten.

Fazit

Auch bei Tätigkeiten im Homeoffice muss den Beschäftigten regelmäßig eine Angebotsvorsorge („Bildschirmvorsorge“) angeboten werden, aus der sich wiederum ein Anspruch auf eine spezielle Sehhilfe („Bildschirmbrille“) ergeben kann. Wird folglich in der Angebotsvorsorge festgestellt, dass eine spezielle Sehhilfe erforderlich ist, muss der Arbeitgeber diese auch den Beschäftigten im Homeoffice zur Verfügung stellen.

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