EU-Antikorruptionsrichtlinie

Die EU-Kommission will mit einer neuen Anti-Korruptionsrichtlinie einheitliche Vorschriften und schärfere Sanktionen in den Mitgliedsstaaten einführen. Experten des Bundestags warnen vor tiefgreifenden Änderungen im deutschen Strafrecht. Der Vorschlag umfasst auch Sensibilisierungsmaßnahmen und ein EU-Netzwerk gegen Korruption.

Mit ihrem Vorschlag für eine Anti-Korruptionsrichtlinie will die EU-Kommission die derzeit noch sehr unterschiedlichen Anti-Korruptionsvorschriften der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten vereinheitlichen und einen allgemein gültigen Rechtsrahmen schaffen. Der Entwurf sieht eine deutliche Verschärfung der strafrechtlichen Sanktionen und der Unternehmenshaftung vor. Sachverständige des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags befürchten, dass die notwendigen Anpassungen des deutschen Strafrechts zu großen Brüchen in der deutschen Rechtsordnung führen könnten.

Bereits im Mai 2023 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine neue Anti-Korruptionsrichtlinie der EU veröffentlicht, der in den Mitgliedsstaaten immer noch intensiv diskutiert wird. Die Anti-Korruptionsrichtlinie soll für einen einheitlichen Rechtsrahmen bei der Korruptionsbekämpfung in Europa sorgen. Gleichzeitig sollen damit auch die Grundlagen für die grenzüberschreitende Verfolgung von Korruptionsstraftaten durch die zuständigen nationalen Behörden geschaffen werden. Der Richtlinienentwurf beinhaltet neben verschärften Sanktionen auch eine Erweiterung der Unternehmenshaftung, die sich zukünftig auch auf im Ausland begangene Korruptionstaten erstrecken soll, die im aktuellen deutschen Strafrecht bisher nicht vorgesehen ist.

EU-Netzwerk gegen Korruption

In Ihrem Entwurf verpflichtet die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten, Informations- und Sensibilisierungskampagnen durchzuführen und Forschungs- und Bildungsprogramme einzurichten, um der Korruption entgegenzuwirken. Begleitet werden sollen diese Maßnahmen durch die Einrichtung eines EU-Netzwerks gegen Korruption, das relevante Interessengruppen, Experten sowie Vertreter der Zivilgesellschaft und einschlägiger Organisationen zusammenbringen soll. Aufgabe des Netzwerks ist es, bis Ende 2024 Bereiche mit besonders hohem Korruptionsrisiko zu identifizieren, damit diese dann gezielt beobachtet werden können. Zusätzlich soll jeder Mitgliedsstaat eine zentrale unabhängige Stelle zur Korruptionsbekämpfung einrichten und sicherstellen, dass die zuständigen Behörden mit ausreichenden personellen, finanziellen und technischen Ressourcen ausgestattet werden. Im Gegensatz zu anderen Mitgliedsstaaten gibt es in Deutschland bisher keine Zentralstelle für die Korruptionsprävention.

Erweiterung der Straftatbestände und schärfere Sanktionen

Artikel 7 bis 13 des Richtlinienentwurfs beschreiben einzelne Straftatbestände: Bestechung, Veruntreuung, unerlaubte Einflussnahme, Amtsmissbrauch, Behinderung der Justiz und Bereicherung. Dabei werden die Korruptionsstraftaten im öffentlichen und im privaten Sektor zusammengefasst und vereinheitlicht.

Artikel 15 bis 19 sehen für die Mitgliedsstaaten standardisierte Sanktionsniveaus und klare Anweisungen für die Überwachung und Berichtserstattung vor. Dort ist auch die Sanktionierung juristischer Personen geregelt: Als Höchststrafe ist für betroffene Unternehmen eine Mindesthöhe von 5 Prozent des weltweiten Umsatzes (einschließlich verbundener Unternehmen) vorgesehen. Die Mitgliedsstaaten können die Höchststrafe nach eigenem Ermessen noch höher ansetzen. Vorgesehen ist auch, dass Unternehmen unter richterliche Aufsicht gestellt werden können. Als strafmildernd sollen vorhandene Compliance-Programme und freiwillige Selbstauskünfte berücksichtigt werden können.

Konsequenzen für das deutsche Strafrecht

In Deutschland hätte die Umsetzung der Vorgaben des Richtlinienentwurfs zur Folge, dass das deutsche Strafrecht angepasst werden müsste. Dies betrifft die Erhöhung von Freiheitsstrafen und die Einführung neuer Straftatbestände.

Derzeit sieht das deutsche Strafgesetzbuch für Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr eine Höchststrafe von 3 Jahren vor, die auf mindestens 5 Jahre erhöht werden müsste. Bestechung und Bestechlichkeit im öffentlichen Dienst werden derzeit mit maximal 3 Jahren Haft geahndet, der Richtlinienentwurf sieht eine Höchststrafe von mindestens 6 Jahren vor. 

Neu ist der vorgesehene Straftatbestand der „unerlaubten Einflussnahme“, mit dem nun auch Mittelsmänner, über die Schmiergeldzahlungen laufen, verfolgt werden können. Im deutschen Strafrecht sind die sogenannten Korruptionsmakler bisher nicht erfasst. Sie spielen vor allem im internationalen Zusammenhang eine wichtige Rolle: Sie erhalten Geldzahlungen oder andere materielle Werte, um Amts- oder Mandatsträger dazu zu bewegen, der Geberseite einen ungerechtfertigten Vorteil z. B. in Form eines öffentlichen Auftrags oder einer Baugenehmigung zu verschaffen. Da es dabei keinen Kontakt zwischen dem Vorteilsnehmer und dem Vorteilsgeber gibt, sind Korruptionsfälle, die über Korruptionsmakler laufen, oft nur schwer nachzuweisen.

Rechtsausschuss des Bundestags kritisiert den EU-Vorschlag

Im November 2023 hat sich der Rechtsausschuss des Bundestages mit dem Richtlinienentwurf der EU befasst. Die beauftragten Sachverständigen haben sich überwiegend kritisch zum Vorschlag geäußert und deutliche Nachbesserungen verlangt.

Bei der Anhörung ging es zunächst um die Frage, ob die Gleichstellung von Amts- und Mandatsträgern, die der EU-Vorschlag in Artikel 7 vorsieht, mit dem verfassungsrechtlich garantierten freien Mandat von Abgeordneten vereinbar sein würde. In Deutschland werden die Bestechung und die Bestechlichkeit von Mandatsträgern aktuell anders geregelt als die von Amtsträgern. Die überwiegende Mehrzahl der Sachverständigen sah in der Gleichstellung allerdings kein Problem, da es dennoch genügend Raum in der Umsetzung für strukturelle Unterschiede zwischen Abgeordneten und Mandatsträgern gäbe. Lediglich der von der FDP benannte Sachverständige Dr. Mansdörfer war der Auffassung, dass die vorgesehene Gleichstellung „das freie Mandat in unangemessener Weise“ beeinträchtige. 

Deutlich kritischer als Artikel 7 sahen die Sachverständigen die übrigen Regelungen des Richtlinienvorschlags. Der Entwurf lasse „kein strukturiertes Konzept“ erkennen, sei „dringend und grundlegend überarbeitungsbedürftig“, bedrohe „die Souveränität der Bundesrepublik in Strafrechtssachen“. Der Sachverständige Prof. Dr. Zimmermann, der von der SPD benannt wurde, wies darauf hin, dass das Gesamtpaket zu großen Brüchen in der deutschen Rechtsordnung führen würde und strafrechtliche Regelungen mit Bedacht einzusetzen seien, da der Entwurf darin an vielen Stellen zu weit ginge. Konkret warnte er davor, dass Korruptionsvorwürfe rasch missbraucht werden könnten, um politische Gegner kaltzustellen: „In Zeiten der grassierenden Rechtsstaatskrise könnte sich die Annahme des von der Kommission vorgelegten Entwurfs als fatal erweisen und letztlich einen Vorwand für die Verfolgung von Oppositionspolitikern liefern.“

Vertreter von LobbyControl und Transparency International warben bei der Anhörung dafür, dass Deutschland beim Thema Korruption nicht bremsen, sondern „treibend vorangehen“ solle und unterstützten das „grundlegende Ansinnen der EU-Richtlinie“ und „die Stoßrichtung des Richtlinienentwurfs“.

Ausblick

Angesichts der weitreichenden rechtlichen Konsequenzen wird es noch einige Zeit dauern, bis sich die EU-Gremien auf eine neue Anti-Korruptionsrichtlinie geeinigt haben. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens wird es sicherlich auch noch umfangreiche Änderungen geben. Der Richtlinienentwurf zeigt aber auf, welche Schwerpunkte die EU bei der Korruptionsbekämpfung setzen wird: Europaweit werden Korruptionstatbestände erweitert und vereinheitlicht, Sanktionen verschärft und Unternehmen stärker in die Verantwortung genommen. Dadurch, dass Unternehmen zukünftig direkt sanktioniert werden können, wird auch das Compliance Management zunehmend an Bedeutung gewinnen. Zumal Unternehmen mit einem Compliance Management System bei Verstößen gegen die Korruptionsregeln auf Strafmilderung hoffen können.

Weiterführende Links:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung der Korruption (PDF)

Kritik des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags an EU-Vorschlag zur Korruptionsbekämpfung mit Links zu den Stellungnahmen der juristischen Sachverständigen

Stellungnahme Transparency International

Stellungnahme LobbyControl


Schlagworte zum Thema:  Korruption, EU-Recht, EU-Kommission