Kostenrechnung ERP-Wechsel zu SAP S/4HANA

Bei einer Migration auf SAP S/4HANA geht es um nichts anderes als um die Zukunft der Unternehmenssteuerung, in der auch die Kostenrechnung eine wichtige Rolle spielen wird. Dieser Verantwortung muss das Controlling gerecht werden und darf nicht einfach den Status Quo übertragen.

S/4HANA bedeutet den Abschied von vielen Teilsystemen…

Die Kostenrechnung ist ohne die Nutzung anderer Systeme nicht denkbar. Dies gilt insbesondere für ihre ERP-Basis. Gibt es hier einen grundsätzlichen Wechsel, bleibt das nicht ohne Veränderung auf Seiten der Kostenrechnung. Der letzte Wechsel dieser Art war im deutschsprachigen Raum die Einführung von SAP R/3. Aktuell steht ein weiterer bevor bzw. findet schon statt: Die Ablösung von R/3 durch SAP S/4HANA.

SAP R/3 ist durch eine Vielzahl von eng miteinander vernetzten Teilsystemen gekennzeichnet, zu denen auch die beiden Kernmodule Finanzbuchhaltung (FI) und Kostenrechnung (CO) zählen. Durch das Nebeneinander unterschiedlicher Teilsysteme kommt es bei deren Integration zu Mehrfacharbeit und der Gefahr von Inkonsistenzen, letzteres sowohl in inhaltlicher als auch in zeitlicher Hinsicht (unterschiedliche Aktualitätsstände).

…hin zu einer einzigen Tabelle mit beliebigen Dimensionen

Solche können bei der neuen Software nicht mehr auftreten. Ausgangspunkt für diese ist ein anderes Datenbankkonzept (HANA – „High Performance Analytic Appliance“), das durch eine sog. „In Memory-Technologie“ auch mächtige Datenmengen sehr schnell verarbeiten kann, so schnell, dass Auswertungen der komplexen, unverdichteten Rohdaten im Idealfall auch für größere Unternehmen „auf Knopfdruck“ möglich sind. Bildlich kann man sich die neue Lösung als eine einzige große Tabelle vorstellen, die alle Belege aufnimmt und aus der heraus in quasi beliebigen Dimensionen verdichtet und berichtet werden kann: Alles, was auf den Belegen erfasst wurde, lässt sich – und dies quasi in Echtzeit – auswerten. Damit ist die Möglichkeit geschaffen, ad hoc Unterschiedlichkeiten und Muster in den Daten zu erkennen. Ein Warten aufgrund fester Berichts- bzw. Auswertungstermine („monatliche Berichterstattung“) entfällt. Zudem lässt sich das, was belegmäßig erfasst wird, flexibel verändern. Auf die einzelnen Belege greifen sowohl die Buchhaltung als auch das Controlling zu, und das nicht nur für einen Abgleich der verdichteten Zahlen, sondern auch bezogen auf alle Details. Damit ist auch die Trennung zwischen den beiden Modulen FI und CO aufgehoben. Außerdem entfällt durch die In-Memory-Technologie die Notwendigkeit, Daten aus Gründen beschränkter Rechnergeschwindigkeit vorab verdichten zu müssen („Warehouse-Konzept“).

Transfer des Status Quo ist keine Option

Alles in allem ist dies systemtechnisch und konzeptionell ein großer Schritt nach vorn. Die neue Systemumgebung bietet eine Reihe neuer Optionen, die genutzt werden können. Sie lädt dazu ein, die bestehende Kostenrechnung ganz grundsätzlich zu überdenken. Will man in die neue Welt wechseln, kann man diese Einladung allerdings auch nicht ablehnen. Zu glauben, man könne die alte Lösung einfach in die neue Systemwelt portieren, wäre ein geradezu verhängnisvoller Irrtum. Wer die S/4HANA-Welt sinnvoll nutzen will, muss – wie dies im letzten Beitrag ausgeführt wurde – vorher eine Vision der künftigen Unternehmenssteuerung entwickeln und in dieser auch die Rolle der Kostenrechnung festlegen. Ein Kleinreden des Veränderungsbedarfs wird sich später ebenso rächen wie eine nur oberflächliche Analyse, die wesentlich im Dunstkreis der Controller selbst betrieben wird.

Neugestaltung von Unternehmenssteuerung und Kostenrechnung ist ein Gemeinschaftsprojekt

An die Entwicklung der Vision wird sich eine lange Phase anschließen, in der die Qualität der Daten auf das für das neue Konzept notwendige Maß gehoben wird. Daten nur einmal zu speichern, macht jede Inkonsistenz in der Definition der Daten sichtbar. Mit unstrukturierten und/oder unscharfen Daten kann das System aber nicht vernünftig arbeiten. Federführung für diese Kärrnerarbeit haben die Controller. Allerdings erfordert gerade die Auswahl und Definition der Daten eine intensive Einbeziehung des Managements, so dass die Einführung von SAP S/4HANA insgesamt ein Gemeinschaftsprojekt von Controllern, Managern und IT-Spezialisten sein muss. Entsprechend hoch sind die Ressourcen, die benötigt werden, entsprechend lang ist der Zeitraum, die eine Einführung in Anspruch nimmt. Das entspricht aber auch dem strategischen Charakter des Projekts und seiner hohen Bedeutung für das Unternehmen. Es sollte um nichts anderes gehen als um die Zukunft der Unternehmenssteuerung, in der auch die Kostenrechnung eine wichtige Rolle spielen wird, in welcher Ausprägung auch immer. Wer ein so strategisches und ressourcenintensives Projekt aufsetzt, kann sich hoher Aufmerksamkeit im Unternehmen sicher sein. Für den, der den Wechsel von SAP R/3 auf SAP S/4HANA als reinen Softwarewechsel positioniert, gilt dies nicht. Die dann gebrauchten Ressourcen sind deutlich geringer, der Erfolg des ganzen Vorhabens aber auch! Also gilt als Heuristik: Think big!

Literatur-Tipp:
Zukunftsfähige Kostenrechnung in der Unternehmenssteuerung
Autor: Prof. Dr. Jürgen Weber

Die Veränderungen des Wettbewerbsumfelds („VUCA-Welt“) und insbesondere die Digitalisierung erfordern ein grundsätzliches Re-Design der Kostenrechnung. Der Autor gibt in diesem Buch konkrete Unterstützung bei der Neuausrichtung des bewährten Controllinginstruments. Anhand von fundierten Konzepten, Fallstudien und einem detaillierten Einblick in die Praxis erläutert er die unterschiedlichen Facetten und zeigt Ihnen Möglichkeiten, die Kostenrechnung in Ihrem Unternehmen zukunftsfähig auszurichten.

Bestell-Nr.:  E11210 | ISBN: 978-3-648-15525-7 | 1. Auflage 2021 | 300 Seiten | Preis: 69,95 EUR