Kennzahlen und KPI für Innovations- und FuE-Controlling

Auch für Forschung und Entwicklung sollten angemessene Kennzahlen zur Steuerung für das Controlling eingesetzt werden. Schließlich sind Innovationen einerseits teuer, andererseits hängt von ihnen die langfristige Existenz des Unternehmens ab. Der Beitrag stellt 15 Innovationskennzahlen vor, die in der Praxis häufig angewendet werden und aus denen sich eine Auswahl für die eigenen Anforderungen treffen lässt und als KPIs festgehalten werden können.

Transparenz für Kosten und Ergebnisse im F&E-Bereich durch KPI erforderlich

Viele Unternehmen können langfristig nur erfolgreich sein, wenn sie regelmäßig und in ausreichender Anzahl Neuprodukte entwickeln und am Markt platzieren. Das bedeutet, dass sie relativ viel Geld in die Produktentwicklung stecken müssen, wenn sie langfristig am Markt bestehen wollen. Ein Problem des Bereichs Forschung und Entwicklung (F&E) ist, dass zunächst mehr oder weniger hohe Kosten entstehen und die Umsatzerlöse mit neuen Produkten zeitverzögert – oft erst nach mehreren Jahren – entstehen. Kurzfristig hat ein Verzicht oder ein Zurückfahren von Entwicklungsaufwendungen also sinkende Kosten und damit steigende Gewinne zur Folge. Mittelfristig jedoch ist dadurch oft die Existenz des Betriebes gefährdet. Daher sollte die F&E mithilfe von Innovationskennzahlen im Controlling bewertet und gesteuert werden, um sicherzustellen, dass dauerhaft in ausreichendem Umfang qualitative Neuentwicklungen im gesetzten Zeit- und Kostenrahmen zur Verfügung gestellt werden können.

Um mit F&E-Kennzahlen im Innovationsmanagement arbeiten zu können, ist es nicht zwingend erforderlich, eine eigene Abteilung zu haben oder einzurichten. Es ist aber notwendig, Umsätze und Kosten der Entwicklung bzw. neu entwickelten Produkten zurechnen zu können.

Kennzahlenauswahl zur Planung und Steuerung im Bereich Forschung und Entwicklung

Wie in anderen Unternehmensbereichen, gibt es auch in F&E eine nahezu unbegrenzte Zahl möglicher Kenngrößen. Um einen (Kenn-)Zahlenfriedhof zu vermeiden, sollte man in der Entwicklung möglichst nicht mehr als 5-10 Kennziffern nutzen, die die Leistung dieses Bereichs, der Effektivität und deren Innovationsprojekte möglichst realistisch widerspiegeln.

Die Übersicht zeigt 15 Kennzahlen des Bereichs F&E, die in der Praxis häufig angewendet werden, aus denen sich eine Auswahl treffen lässt. Der Einsatz von Kennzahlen des Innovationscontrollings helfen um die Effizienz und den Erfolg der F&E-Aktivitäten zu messen und zu verbessern. Kennzahlbezeichnungen und Formelvorschläge können beliebig angepasst werden.

Time to Market (Produktentwicklungszyklus) 

Formelvorschlag: Zeitdauer des Gesamtprozesses von der Produktidee bis zur Markteinführung

Erläuterungen/Aussagen: Mit die wichtigste F&E-Kennzahl: Bei der Produktentwicklung ist es entscheidend, schneller als die Konkurrenten zu sein, um Wachstumsbereiche innerhalb der Branche oder neue Märkte erschließen zu können. Die Messung kann z.B. nach dem Eingang des Verbesserungs- oder Produktvorschlags beginnen und mit dem Tag der Markteinführung abgeschlossen werden. So bildet „Time to Market“ den gesamten Prozess, von der ersten Idee bis zum Beginn des Umsatzprozesses ab.

Anzahl Innovationen 

Formelvorschlag: Anzahl Produktinnovationen / Periode

Erläuterungen/Aussagen: Kennzahl zeigt, wie viele Produkte pro Periode eingeführt werden. Besonders im Mehrjahresvergleich und mit der Branche aussagekräftig. Die Anzahl sollte stabil bleiben oder steigen.

Anteil neu eingeführter Produkte

Formelvorschlag: Anzahl neu eingeführter Produkte * 100 / Gesamtzahl F&E-Projekte

Erläuterungen/Aussagen: Indikator für die Effizienz des Entwicklungsprozesses. Grundsätzlich gilt: Je höher die Quote, desto besser.

Markterfolgsquote 

Formelvorschlag: Anzahl neu eingeführter Produkte * 100 / Anzahl neuer Produkte, die nach X Jahren noch am Markt sind.

Erläuterungen/Aussagen: Indikator für die Funktions- und Leistungsfähigkeit der F&E über die reine Entwicklung sowie die Qualität der Markteinschätzung hinaus. Die Anzahl der Produkte, die nach einigen Jahren noch am Markt ist, sagt auch etwas über die Qualität des Vertriebes aus. Hohe Quoten bedeuten auch, dass der Vertrieb die Märkte gut einschätzen kann. Je mehr Produkte längere Zeit am Markt bleiben, desto besser der Gesamtprozess und die Kommunikation.

Budgetausschöpfung 

Formelvorschlag: In Anspruch genommenes (verwendetes) F&E-Budget * 100 / Gesamt F&E-Budget

Erläuterungen/Aussagen: Indikator für die Budgetnutzung. Überschreitungen sind häufig auf Ineffizienzen, z.B. beim Entwicklungsprozess oder allgemeine Kostensteigerungen zurückzuführen. Unterschreitungen können darauf hindeuten, dass nicht genügend Projekte gestartet und umgesetzt wurden.

Innovationsumsatz 

Formelvorschlag: Umsatz mit neuen Produkten * 100 / Gesamtumsatz

Erläuterungen/Aussagen: Es muss definiert werden, was unter „neu“ zu verstehen ist, etwa Produkte, die nicht älter sind als 2 oder 3 Jahre (stark Branchen abhängig). Der Anteil sollte mindestens konstant sein bzw. im Laufe der Jahre steigen. Die Kennzahl eröffnet vor allem im Zeitablauf, dass nennenswerter Umsatz mit neuen Produkten meist erst nach mehreren Jahren möglich ist.

Fremdkostenanteil  

Formelvorschlag: Kosten für Fremdleistungen (Entwicklungsleistungen Dritter) * 100 / Gesamtkosten F&E

Erläuterungen/Aussagen: Zeigt, wie groß der Eigen- bzw. Fremdanteil an der Entwicklung ist. Dritte können ggf. Entwicklungen preiswerter erbringen, der eigene Betrieb kann hohe Fixkosten vermeiden oder Wissens- und Kapazitätsengpässe überbrücken. Es besteht das Risiko, dass Wissen verloren geht oder Ideen gestohlen werden.

Anteil F&E-Budget 

Formelvorschlag: F&E-Budget * 100 / Gesamtkosten (oder Umsatz)

Erläuterungen/Aussagen: Mit dieser Kennzahl wird sichtbar, ob es ein ausreichendes F&E-Budget relativ zu den gewählten Zielgrößen gibt. Die Ausprägung sollte stabil sein oder leicht steigen. Erhöht sich die Quote übermäßig, können die Ursachen auch in (zu) stark steigenden F&E-Kosten oder durch sinkenden Gesamtumsatz verursacht werden. Diese ermöglicht meist einen guten Branchenvergleich.

F&E-Wachstumsquote 

Formelvorschlag: Umsatzwachstum * 100 / F&E-Kosten

Erläuterungen/Aussagen: Mit der Kennziffer wird das Verhältnis von Umsatzwachstum zu Entwicklungskosten abgebildet. Dabei muss beachtet werden, dass das Umsatzwachstum in der Regel zeitverzögert zu den Kosten entsteht. Über einen längeren Zeitraum gesehen, relativieren sich die Verschiebungen meist. Allerdings kann eine Umsatzsteigerung auch auf andere Faktoren zurückzuführen sein, etwa einen Anstieg der Verkaufsmengen und / oder Preisen bei etablierten Artikeln. Ggf. sind weitere Analysen notwendig.

Termineinhaltung/-treue 

Formelvorschlag: Anteil termingerecht fertiggestellten F&E-Projekte * 100 / Gesamtzahl F&E-Projekte

Erläuterungen/Aussagen: Kennzahl, die ergänzend / alternativ zu Time-to-Market gebildet werden kann, um die Effizienz des Gesamtprozesses abzubilden. Die Einhaltung der geplanten Projektdauer bei der Mehrzahl der Vorhaben ist essentiell für eine funktionierende Entwicklung. Gute Ausprägungen sind Indikatoren für einen funktionierenden F&E-Prozess.

Kosteneinhaltung  

Formelvorschlag: Anteil im Kostenrahmen fertiggestellter F&E-Projekte * 100 / Gesamtzahl F&E-Projekte

Erläuterungen/Aussagen: Die Einhaltung vorgegebener bzw. geplanter Entwicklungsbudgets stellt sicher, dass man mit dem zur Verfügung stehenden Geld auskommt und auf Kostensenkungen an anderer Stelle verzichten oder Gewinnreduktionen hinnehmen muss.

Portfolio-Index 

Formelvorschlag: Anzahl neu entwickelter Produkte / Anzahl vom Markt genommener Produkte

Erläuterungen/Aussagen: Der Index sollte im Mittel mehrerer Jahre mindestens 1 betragen bzw. leicht darüber liegen. Dann übersteigt die Anzahl neuer Produkte die Anzahl der Artikel, die vorm Markt genommen werden müssen, was sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes auswirkt. Alternativ kann die Anzahl der neuen Produkte, die nach X Jahren noch am Markt sind, genommen werden.

F&E-Mitarbeiterauslastung 

Formelvorschlag: Anteil der Tage / Stunden, an denen Beschäftigte an F&E-Projekten arbeiten * 100 / verfügbare Arbeitszeit F&E

Erläuterungen/Aussagen: Zeigt, in welchem Umfang die F&E-Beschäftigten produktiv für einzelne Vorhaben arbeiten können und wie hoch der Anteil unproduktiver Arbeiten ist, z.B. für Administration oder Fehlerbearbeitung.

F&E-Umsetzungsquote 

Formelvorschlag: Anzahl Projektvorschläge * 100 / Anzahl genehmigter F&E-Projekte

Erläuterungen/Aussagen: Indikator für die Qualität der Innovationsvorschläge (ggf. auch des Vorschlagswesens). Je höher die Quote, desto besser in der Regel der gesamte Innovationsprozess und umgekehrt.

Eigenfinanzierungsquote 

Formelvorschlag: F&E-Budget, das aus eigenen Mitteln finanziert wird * 100 / Gesamt-F&E-Volumen

Erläuterungen/Aussagen: Grundsätzlich sollte angestrebt werden, im Mittel einen möglichst großen Teil der Projekte aus selbst erwirtschafteten Mitteln zu bezahlen (Faustregel: >50-70 %). Das sorgt für finanzielle Stabilität und eine geringe Zinsbelastung. Abweichungen sollte es nur in Jahren geben, in denen Projekte mit besonders hohen Volumina realisiert werden.

Praxis-Tipp

Zu jeder ausgewählten Kennzahl sollte es Zielgrößen geben, die erreicht werden sollen. Die Ziel- bzw. Plangrößen sollten regelmäßig, z.B. monatlich oder jährlich, mit den erreichten Werten verglichen werden. Bei Abweichungen größer 10 % sollte den Ursachen nachgegangen werden, um Ideen für Verbesserungen zu bekommen.

Kennzahlenprofile erstellen

Gerade bei den F&E-Kennzahlen muss zum einen darauf geachtet werden, dass alle Kennzahlenempfänger wissen, wie sich die ausgewählten Kennziffern zusammensetzen, welche Aussagen mit einer Kenngröße transportiert werden und welche möglichen Wechselwirkungen es gibt, die die Aussagekraft beeinträchtigen können. Bei „Anteil neu eingeführter Produkte“ beispielsweise kann es auch dann zu einer Verbesserung der Kennzahlenausprägung kommen, wenn die Anzahl nicht steigt oder sogar rückläufig ist. Das ist dann der Fall, wenn die Gesamtzahl der Artikel stark absinkt, wenn beispielsweise eine Sortimentsbereinigung vorgenommen wird. Hierzu empfiehlt es sich, je Innovationskennzahl ein Profil oder Glossar zu erstellen, in dem auch festgehalten wird, wie sich die Kennzahlenausprägungen generell verbessern lassen. Zum anderen muss darauf geachtet werden, dass es möglich ist, die nötigen Daten weit gehend automatisiert zu erhalten und in die Kennzahlenbildung einfließen zu lassen. Nicht zuletzt sollten die wichtigsten 3-5 F&E-Kennzahlen als KPI (Key Performance Indicators, deutsch etwa Schlüsselkennzahlen) in die Unternehmens-Berichterstattung einfließen, damit die Verantwortlichen zentrale Entwicklungen stets aktuell vor Augen haben.

Branchenvergleich

In den meisten Fällen macht es Sinn, nicht „nur“ die Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens darzustellen und zu bewerten, sondern sich zusätzlich mit der Branche oder direkten Wettbewerbern zu vergleichen. Mögliche Datenquellen für einen solchen Vergleich können die Webseiten oder Abschlüsse von Konkurrenten oder Auskunfteien (u.a. Creditreform, Creditsafe, Bürgel, Hoppenstedt), Angaben von Branchenverbänden, Hochschulen oder Verbänden wie Stifterverband ( Forschung und Entwicklung | Stifterverband) und Research in Germany ( F&E im Unternehmen) sein. Auch Banken und Sparkassen können u.U. Daten und Zahlen bereitstellen.

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