Nicht Excel ist das Problem, sondern die Anwender!

Immer wieder ist zu lesen, Excel sei ein ungeeignetes und nicht mehr zeitgemäßes Tool. Für Rainer Pollmann liegen die Ursachen für die Ineffizienzen jedoch bei fehlerhaften Anwendungen. Statt Weiterbildung in Technik fordert er die richtigen Skills für ein digitales Mindset und die Gestaltung von Datenmodellen.

Der Aufstieg von Excel und seinen Vorläufern.

Der Begriff Excel leitet sich von lateinisch ex-cellere → „empor-/hervorragen, sich erheben“ ab.

Die Ursprünge von Excel gehen zurück bis 1979 – als Dan Bricklin zusammen mit einem Kommilitonen, einem Harvard Studenten, das Programm VisiCalc für Apple Computer entwickelte. In seinem Studium der Elektrotechnik musste er viele Berechnungen durchführen und wollte dabei Zeit sparen. Offiziell vorgestellt wurde Microsoft Excel erstmals 1985 als Nachfolger von Multiplan für den  Apple Macintosh. In den 1980er Jahren war Lotus 1-2-3 das dominierende Tabellenkalkulationsprogramm, speziell auf IBM-kompatiblen Rechner. In den 1990er Jahren begann dann die Vorherrschaft von Excel, das in den Controllingabteilungen unverzichtbar wurde.

Und nun scheint es mit der Vorherrschaft vorbei zu sein!

Immer wieder ist zu lesen, Excel sei ein ungeeignetes und nicht mehr zeitgemäßes Tool:

  • Excel sei fehleranfällig,
  • zu viel müsse manuell erledigt werden,
  • es sei limitiert in der Verarbeitung großer Datenmengen,
  • in der Planung gäbe es Probleme mit den Varianten,
  • eine Aktualisierung sei zu aufwändig uvm..

Die Ursachen für die Mängel sind nicht in Excel selbst, sondern in der Nutzung durch die Anwender zu suchen.

Diese Argumentation wird häufig von Autoren vorgebracht, die bei Software-Anbietern oder Consulting-Unternehmen angestellt sind und die naturgemäß eigene Interessen verfolgen. Die angeführten Einschränkungen von Excel lesen sich plausibel, sind nach meiner Auffassung aber in der behaupteten Form nicht zutreffend. Wenn bemängelt wird, dass z. B.

  • zu viel manueller Aufwand bei der Integration von Daten betrieben wird,
  • Szenariotechnik nicht möglich sei,
  • Excel für die Menge der Daten nicht geeignet sei,
  • Formeln und Funktionen nicht valide arbeiten,

dann sind die Ursachen meines Erachtens nicht in Excel selbst zu suchen (dass sehr wohl über solche Möglichkeiten verfügt), sondern in der Nutzung durch die Anwender!

Es fehlen Anwendungskonzepte und Richtlinien für die Excel-Nutzung

Wenn Excel-Modelle unübersichtlich, unperformant und kaum beherrschbar sind, weil mit Unmengen an Daten gearbeitet wird (Stichwort „Schatten-IT“), dann liegt das in erster Linie an denjenigen, die solche Modelle erstellen und darin ineffiziente und ineffektive Excel-Techniken verwenden. Deren Kolleg:Innen, die ebenfalls mit diesen Modellen arbeiten oder weiterentwickeln sollen, gelingt das mangels Dokumentation oder Standards nicht. Denn die wenigsten Excel-Modelle werden dokumentiert oder nach einem Standard gestaltet!

Anwendungskonzepte für Excel, die Definition der notwendigen Excel-Kenntnisse für Mitarbeiter oder eine Richtlinie zur Modellierung und Nutzung von Excel sind in den meisten Unternehmen nicht oder sehr selten anzutreffen.

Bei der Excel-Modellierung dominiert ein analoges Mindset

Hinzu kommt ein analoges Mindset und die Unkenntnis der Modellierung von Datenmodellen. Excel-Modelle sind in der Regel „analog“ aufgebaut, d.h. Eingabezellen befinden sich in der optischen Nähe von Ergebniszellen, als ob man immer noch eine Tabelle auf einem Blatt Papier mit Zahlen befüllen, mit Taschenrechner aufsummieren und die Ergebnisse ebenfalls in die Tabelle schreiben würde. Und da sich Zahlen ändern können, nutzt man einen Bleistift, um überholte Ergebnisse wegradieren zu können. Nur, dass man diese Arbeitsweise auf Excel überträgt (analoges Mindset) und die mit Excel zu lösende Aufgabe nicht als Datenverarbeitungsprozess begreift (digitales Mindset).

Vielfalt bei Lösungsansätzen führt ins Chaos

Die geschilderte Vorgehensweise führt zu einer großen Vielfalt von sehr unterschiedlichen Excel-Modellen und vor allem unterschiedlicher Techniken zur Lösung der gleichen Aufgabe! Löst ein Anwender eine bestimmte Aufgabe mit der Pivot-Tabelle, wird bei den Kolleg:Innen meist SUMMEWENNS(), alternativ das Filtern und Gliedern von Tabellen oder gleich die VBA-Programmierung eingesetzt. Abgesehen von möglichen Ineffizienzen, entstehen durch dieses Vorgehen potenzielle Fehlerquellen.

Verbreitet ist die Unsitte, Tabellen zu filtern, um eine Selektionssicht (Teilmenge) auf Daten zu generieren. Gefilterte Tabellen werden dann von Dritten als Gesamtheit gesehen, kopiert und als „Wahrheit“ verkauft. So erstellte und genutzte Excel-Modelle können ein großes Risikopotenzial darstellen, weil Fehler unbemerkt im Informations- und Steuerungsprozess fortgeführt werden (Garbage in, Garbage Out). Im schlimmsten Fall werden hier existenzgefährdende Risiken für das Unternehmen nicht oder zu spät erkannt. Und so gerät Excel als Applikation durch ineffiziente und ineffektive Anwendung in Misskredit, sodass die Ergebnisse von Excel-Modellen zu Recht kritisch hinterfragt werden.

Techniken allein führen nicht zu einem nützlichen Modellaufbau

Excel lädt aufgrund des einfachen Zugangs dazu ein, spontan damit zu arbeiten. In der Weiterbildung werden in erster Linie Techniken vermittelt, aber weniger Konzepte, Lösungen oder gar ein Mindset, um Lösungen zu entwickeln, die manuelles Anpassen von Excel-Modellen überflüssig machen. Excel-User verbringen Stunden damit, um unbekannte Techniken über Online-Tutorials, BLOGS und Foren zu suchen und sich anzueignen. Die gesuchten Techniken lösen bestenfalls ein punktuelles Problem, aber nicht das Problem des Modellaufbaus.

Persönliche Learnings

Ich habe als junger Controller ebenfalls so mit Tabellenkalkulationsprogrammen gearbeitet. Damals habe ich mit dem IT-Leiter meines damaligen Arbeitgebers viel Zeit verbracht, um Lösungen dafür zu finden, Daten aus dem ERP-System in die Tabellenkalkulation übertragen zu können. Mitte der 1980er war das der Export von Text-Dateien, dann gab es die ersten FTP-Protokolle. 1995 kam mit Excel 5.0 der Quantensprung, die ODBC-Schnittstelle mit dynamischem Zugriff auf Datenbanken, Text- und XLS-Dateien. Dank der in den Menüs von MS Query integrierten SQL-Technik war die Funktion SVERWEIS() zur Verbindung von Stammdaten und Bewegungsdaten seit 1995 nicht mehr notwendig! Und SVERWEIS() ist in den meisten Controlling-Abteilungen die am meisten verwendete Funktion, schafft aber auch die meisten Probleme, um nur eine Excel-Techniken zu nennen, die eher ineffektiv ist. Auch ihr Nachfolger in Excel365, die Funktion XVERWEIS() ändert nichts daran, dass das Matchen von Daten grundsätzlich auf einem anderen Weg erfolgen sollte.

Pollmann Abbildung 1

  1. Denken nach dem EVA-Prinzip
    Der oben erwähnte IT-Leiter brachte mir das EVA-Prinzip nahe, also die Trennung von Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe. Dieses EVA-Prinzip auf den Aufbau von (Excel-)Dateien übertragen ermöglicht es, Excel in die bestehende IT-Landschaft des Unternehmens zu integrieren, ohne das Prinzip der Datenkonsistenz zu verletzen. Excel-Modelle nach diesem Prinzip und mit den richtigen Techniken aufgebaut, importieren, verteilen und berechnen Daten automatisch, ohne dass Programmierung dafür notwendig ist.

    Pollmann Abbildung 2

  2. Nicht nur auf einem Blatt denken.
    Denn der Vorteil von Tabellenkalkulationsprogrammen war ja anfangs der, dass manuell auf Papier erstellte und berechnete Tabellen durch Tabellenkalkulation abgelöst wurden. D.h. der große („digitale“) Fortschritt bestand darin, dass man Zellen beliebig mit Zahlen überschreiben konnte und die in anderen Zellen eingefügte Formeln und Funktionen sofort Ergebnisse aktualisierten. Aber dadurch waren Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe auf einem Tabellenblatt konzentriert! Und so sind die meisten Excel-Modell noch heute aufgebaut.
  3. Modelle dokumentieren
    Der schon erwähnte Kollege aus der IT legt mir auch nahe, meine Excel-Modelle zu dokumentieren. Das ist aus verschiedenen Gründen ratsam, unterbleibt jedoch bei den meisten Anwendern. Denn es bedeutet zusätzlichen Aufwand. Diese Problematik könnte gemildert werden, indem bestimmte Vorgehensweisen zum Standard erklärt werden und in "Leitfäden" für den Fachbereich oder die gesamte Organisation beschrieben werden. Dies kann
    - mit einer standardisierten Modellierung beginnen,
    - sich über Standards in der Anwendung bestimmter Techniken / Funktionalitäten fortsetzen und
    - den Verzicht auf bestimmte Techniken / Funktionalitäten, weil sie nicht effizient genug oder nicht effektiv sind, einschließen.

Was sind sehr gute Excel-Kenntnisse?

In Stellenanzeigen für Controller werden „sehr gute Excel-Kenntnisse“ verlangt. Doch was sind sehr gute Excel-Kenntnisse? Wie definiert man sie? Ich habe dafür noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden. Ich meine, es sind die, die bei einer guten Problemlösung helfen. Das sind oft nicht die, die man in beindruckenden Videos auf Youtube findet.

Es waren und sind die Anwender, die (ohne eigenes Verschulden) seit 40 Jahren mit einem analogen Mindset Techniken einsetzen, die vordergründig beeindruckend, im Grunde aber wenig hilfreich sind. Für Anwender ist es daher wichtig, die Grenzen von Excel zu kennen, um es effizient und effektiv einsetzen zu können. Es ist auch wichtig, Anwendungskonzepte für Excel mit den Do‘s and Dont‘s in Unternehmen oder in Controlling-Abteilungen zu entwickeln, die eine Standardmodellierung und dafür notwendige Techniken enthalten. Dann könnte auch die Weiterbildung gezielter umgesetzt werden.

In der VUCA-Welt muss es das Ziel sein, Excel-Modelle vollständig automatisiert und dynamisiert in maximal einem Tag zu erstellen. Dazu bedarf es eines Standards, der mit dem EVA-Prinzip beginnt und sich über einen automatisierten Datenimport- und datenverdichtungsprozess erstreckt.

Neue Serie: MODERN EXCEL – Lösungsansätze für effizienten Excel-Einsatz

Wie das aussehen könnte, welche Techniken dafür notwendig sind, damit verschiedene Aufgaben im Controlling gelöst werden können, soll in den nächsten Wochen hier in einer Serie beschrieben werden.

Denn Excel ist nicht tot, es lebe MODERN EXCEL!


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