Servitization - Geschäftsmodellinnovation im Zuge der Digitalisierung
Definition Servitization
Immer mehr produzierende Unternehmen befassen sich mit "Servitization": Neben dem Produkt werden noch weitere Dienstleistungen angeboten. Die Digitalisierung spielt dabei eine große Rolle, gerade bei der Vernetzung von Produkt und Services.
Immer häufiger interessieren sich Kunden nicht nur für das Produktportfolio, sondern mögliche zusätzliche Leistungen. Für die Produktionswirtschaft ist Servitization – auch Servitisierung genannt – sowohl mit Herausforderungen als auch neuen Chancen verbunden. Produzierende Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle prüfen und mit einer neuen Herangehensweise verändern und erweitern. Das ist nicht immer einfach, denn langjährige bewährte Prozesse müssen auf einmal infrage gestellt werden. Datenanalysen werden immer wichtiger. Das komplette Supply-Chain-Management, das über Jahre erfolgreich war, muss sich gegebenfalls neu erfinden und wird durch die Digitalisierung maßgeblich verändert.
Es ergeben sich neue Aufgaben für
- das Controlling,
- das Marketing,
- die IT,
- den Vertrieb und
- generell das Unternehmensmanagement.
Zudem müssen Unternehmen zunächst prüfen, welche Zusatzservices bei ihren Kunden tatsächlich gefragt sind und sich auch wirtschaftlich rechnen.
Beispiele für Servitization
In der Automobilindustrie macht sich das beispielsweise beim Carsharing bemerkbar. Bestes Beispiel sind hier aktuell die Elektroautos. Viele Autofahrer interessieren sich bereits für Elektroautos, scheuen jedoch die hohen Anschaffungskosten. Große Automobilhersteller bieten ihre produzierten Fahrzeuge auch per Carsharing an, wie beispielsweise VW (We Share), Daimler (Car2Go) und BMW (DriveNow). Autofahrer können so erst einmal Elektroautos testen mit einem überschaubaren finanziellen Aufwand. Die Automobilhersteller erweitern ihr ursprüngliches Geschäftsmodell und konzentrieren sich nicht ausschließlich nur auf den Fahrzeugverkauf.
In vielen Großstädten sieht man auch immer häufiger Fahrradstationen. Per App lassen sich die Fahrräder mieten, abgerechnet wird die Nutzungszeit. Digitale Tools werden so zu einer wichtigen Basis des gesamtem Geschäftsmodells. Und die Preisgestaltung variiert je nach Angebot.
Vorteile und Herausforderungen von Servitization
Produzierende Unternehmen bieten also ihre Produkte nicht mehr nur ausschließlich zum Kauf an. Dies betrifft nicht nur den Pkw oder das Fahrrad für Privatpersonen. Auch Baumaschinen, Computer oder Nutzfahrzeuge können beispielsweise geleast und entsprechend ihres Nutzungsumfangs abgerechnet werden. Von Vorteil ist außerdem, dass der Kunde Produkte auf neustem technischen Stand nutzen und nach Ende der Vertragslaufzeit zurückgeben kann. Die Kosten sind zudem meist genau kalkulierbar. In vielen Branchen gehören Zusatzservices bereits nahezu zum Standard. Der Maschinenbau bietet u.a. Wartungs- und Reparaturleistungen immer häufiger an. Für Kunden spielt auch die Beratung eine große Rolle; die Beziehung von Kunde und Unternehmen verändert sich.
Auf Seiten der Anbieter entstehen wiederkehrende Umsätze, die das Controlling entsprechend steuern muss. Themen wie Vertragsmanagement sind auf einmal von noch größerer Bedeutung als zuvor, da Vertragslaufzeiten und -kündigungen die Umsatzentwicklungen maßgeblich beeinflussen. Die regelmäßigen zusätzlichen Umsätze wiederum wirken sich auf das Liquiditätsmanagement aus. Der Finanzbereich muss sich also auf die neuen Gegebenheiten einstellen, um das Management beraten und unterstützen zu können.
Servitization: Trend oder Notwendigkeit?
Servitization ist in vielen Unternehmen bereits mehr als nur ein Trend. Wer jedoch diesen Weg geht, muss bereit sein, das Geschäftsmodell des Unternehmens komplett neu zu denken. Dies birgt natürlich auch Risiken.
- Werden Kunden das neue Angebot auch annehmen?
- Wie soll die Preisgestaltung aussehen?
- Welche Auswirkungen hat die Umstellung auf die Liquidität?
Wer Services anbieten will, muss außerdem auch entsprechende Kompetenzen vorweisen können. Denn wer beispielsweise mit Sharingangeboten per App auf den Markt geht – und dann keine einwandfrei funktionierende App vorweisen kann, wird Kunden schnell abschrecken und verärgern. Wer will beispielsweise bei einer Städtereise mit seinem Smartphone an einer Fahrradstation stehen und erst einmal den Kundenservice kontaktieren, weil die App nicht funktioniert?
Ein Geschäftsmodell, dass auf digitale Tools beruht, benötigt entsprechende Experten, ansonsten ist das Scheitern vorprogrammiert. Auch der Wettbewerbsdruck ist nicht zu unterschätzen. Deshalb brauchen Unternehmen innovative Ideen, um sich von der möglichen Konkurrenz abheben und im Preiskampf behaupten zu können. Ob der Weg der Servitisierung für ein Unternehmen tatsächlich notwendig ist und welche Bedeutung der Dienstleistungsanteil bekommt, hängt schlussendlich vom jeweiligen Unternehmen ab. In manchen Firmen wird nach wie vor die Produktorientierung im Vordergrund stehen und lediglich um einige Services ergänzt. In anderen Firmen geht es so weit, dass nicht mehr das Produkt, sondern die Dienstleistung im Fokus steht. Welche Variante für ein Unternehmen am besten passt, muss individuell ermittelt werden. Klar ist jedoch, dass aufgrund der zahlreichen Angebote auf dem Markt auch die Kundenansprüche steigen. Wer hier die Entwicklungen unterschätzt, kann schnell das Nachsehen haben.
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