Revolution oder Evolution? Erfahrungen aus der Projektarbeit
Hat die Digitalisierung der Unternehmenssteuerung eher revolutionären oder evolutionären Charakter? In seiner Keynote stellte Stefan Tobias, Partner im Bereich Controlling & Finance bei Horváth & Partners, Technologien und Daten als zentrale Befähiger heraus. Für eine nachhaltige Schaffung von Mehrwert, so der Referent, sind aber auch fachliche, prozessuale und organisatorische Hebel anzusetzen. Nur dann könne die digitale Unternehmenssteuerung erfolgreich etabliert werden. Inwiefern bezüglich der erfolgreichen digitalen Transformation eine revolutionäre oder evolutionäre Strategie die bessere ist, zeigte er am Beispiel der digitalen Plattform für die Unternehmenssteuerung. Hier werden revolutionäre Schritte, wie etwa die „Greenfield“-Einführung eines „In-Memory“-ERP-Systems für End-to-End-Prozesse, mit evolutionären Komponenten, wie z. B. die Umsetzung einzelner Advanced Analytics Cases im Forecasting, kombiniert. Die Schwerpunkte im Rahmen dieser Strategie orientieren sich an konkreten Mehrwertpotenzialen. Lessons learned - etwa bezüglich der Erfordernis zu funktionsübergreifendem Denken und Handeln beim Digitalisieren der Unternehmenssteuerung - werden konsequent berücksichtigt.
Bayer: Funktionsübergreifende Datenplattform und Advanced Analytics für die Supply Chain
In ihrem Vortrag zum Projekt „date.one“ zeigten Jörn Bieg (Head of Corporate Product Supply Controlling, Bayer AG) und Silja Salge (verantwortlich für den Bereich Strategy & Development im Corporate Product Supply Controlling, Bayer AG), wie eine integrierte funktionsübergreifende Datenplattform erfolgreich aufgebaut werden kann. Von Grund auf neu aufgesetzt, ermöglicht „data.one“ dem Konzern (zentral wie dezentral) nicht nur eine funktionsübergreifende Unternehmenssteuerung, etwa anhand eines effizienten und harmonisierten Reportings. Bayer schaffte darüber hinaus mit data.one die Basis für innovative Use-Cases der digitalen Unternehmenssteuerung. Bieg und Salge zeigten dies am Beispiel des „Supply Interruption Prediction Tools“. Unter Einbezug von verschiedenen Datenkomponenten aus Materialwirtschaft, Produktion, Vertrieb, Supply Chain, etc. werden hier mit Maschine Learning-Algorithmen „stock out probabilities“ (Wahrscheinlichkeiten für Lieferschwierigkeiten) vorhergesagt. Die Erfahrungen und Erfolgsfaktoren dieses Use Cases stießen auf großes Interesse im Auditorium und wurden eingehend diskutiert.
Innogy: „Einfach und einheitlich“ – Einführung von SAP S/4 HANA als Basis der Digitalisierung
Die bis dato größte erfolgreiche Umsetzung von SAP S/4 in Deutschland fand bei Innogy SE statt. In seinem Vortrag teilte Dr. Axel Sneikus (Head of Reporting, Innogy SE) seine Erfahrungen zum gewählten „greenfield“-Ansatz, der eine umfassende Neugestaltung der Prozesse mit sich brachte. An konkreten Beispielen machte Dr. Sneikus fest, wie dabei SAP S/4-Standards zum Tragen kamen und wo diese auch an ihre Grenzen stießen. Dazu hob er die Bedeutung einer agilen Arbeitsweise bei der Realisierung eines solchen Großprojektes hervor. Ausgehend von aufgezeigten Lessons Learned, wurde anschließend eingehend über Erfolgsfaktoren und Mehrwert von SAP S/4 im Rahmen der digitalen Unternehmenssteuerung diskutiert. So verspricht sich die Innogy von der neuen Systemwelt erhebliche Verbesserungen, wie z.B. auf Echtzeitdaten basierendes Reporting, vereinfachte Abschlüsse und Konzernberichterstattungen sowie intuitives Arbeiten durch FIORI Apps.
Deutsche Bahn: Digitalisierung der end-to-end-Prozesse in der Finanzfunktion
Die Deutsche Bahn hat sich mit dem Programm FINANCE4DB der ganzheitlichen Digitalisierung der Finanzfunktion angenommen, so Peter Bettinger (Senior Project Manager Data Science F4DB, Deutsche Bahn) und André Obiora (Senior Projektleiter IT F4DB, Deutsche Bahn). Ziel des Programms ist es, anhand von digitalen Ansätzen den Konzern besser steuern zu können sowie Effizienz und Exzellenz zu steigern. Nach einer konzernweiten Bestandsaufnahme in zentralen und dezentralen Bereichen der Finanzfunktion wurden zunächst Handlungsfelder und Verbesserungspotenziale identifiziert. Vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen Zielbildes, das auf end-to-end Prozessen basiert, wurden anschließend erste Fokusprojekte im Bereich Planung, Einkauf und integrierte Datenplattform gestartet. In deren Rahmen kommen verschiedene Methoden der digitalen Unternehmensteuerung zur Umsetzung, etwa Predictive Analytics, Process Mining und Blockchain. Beispielhaft zeigte Peter Bettinger z.B. Anwendung von Machine Learning im end-to-end-Prozess „Plan-to-Steer“: Mittels einer automatisierten Umsatzprognose, in die zahlreiche verschiedene Einflussfaktoren fließen, konnte ein neues Verfahren der Umsatzprognose realisiert werden, mit eindrucksvollen Ergebnissen. Auch dieser Vortrag wurde von einer lebhaften Diskussion und Beiträgen aus dem Auditorium begleitet.
Interaktive Sessions und Panel Diskussion
Nach den Fachvorträgen am Vormittag folgte eine TED-Umfrage zu sieben Kernfragen rund um das Thema digitale Unternehmenssteuerung - mit aufschlussreichen Ergebnissen, die zu einem späterem Zeitpunkt der Veranstaltung nochmal eine wichtige Rolle spielten. Anschließend konnten die Teilnehmer - je nach fachlichem Interesse - eine von vier unterschiedlichen, interaktiven Sessions besuchen, die insbesondere dem funktionsübergreifenden Ansatz des Forums digitale Unternehmenssteuerung Rechnung trugen:
- Digitale Finanztransformation – Welcher Weg führt zum Erfolg? (Gregor Przytulla, Horváth & Partners)
- Schaffung von Wettbewerbsvorteilen in der Wertschöpfung durch eine integrierte, digitale Steuerung mit dem Operations Control Tower (Jochen Kröber und Fabian Schmidt-Schröder, beide Horváth & Partners)
- Potenziale und Anwendungsmöglichkeiten einer integrierten digitalen Steuerung von Vertrieb und Pricing (Thorsten Lips und Benjamin Schwarzer, beide Horváth & Partners)
- Die Nutzung von intelligenten Algorithmen in der Finanzfunktion (Thomas-Ludwig Mayer und Karin Tichmann, beide Horváth & Partners)
Die abschließende Podiumsdiskussion vertiefte die Einblicke in die verschiedenen Projekte und die Erfahrungen der Referenten und wurde durch interessante Fragen und Anmerkungen aus dem Auditorium bereichert.
Fazit
Das erste „Forum digitale Unternehmenssteuerung“ hat mit hochkarätigen Referenten, interessanten Vortragsthemen und spannenden Breakout-Sessions ein vieldiskutiertes Thema in verschiedener Hinsicht be- und ausgeleuchtet. Die lebhaften Diskussionen zwischen Referenten und Teilnehmern zeigten, wie das Thema das moderne Performance Management bewegt und verändert. Der intensive Austausch rund um Themen wie Advanced Analytics, Prozessautomatisierung oder SAP S/4 HANA machte deutlich, dass das Mehrwertversprechen der digitalen Unternehmenssteuerung zunehmend konkret wird.
Die Veranstaltung
Die erste Ausgabe der Konferenz „Forum digitale Unternehmenssteuerung“ fand am 21. März 2019 in Düsseldorf statt. Über 80 Teilnehmer folgten der Einladung der Unternehmensberatung Horváth & Partners sowie der beiden Konferenzleiter Markus Kirchmann und Dr. Matthias Emler. Vier Fachvorträge zum Thema „(R)evolution – Durch Digitalisierung der Unternehmenssteuerung konkreten Mehrwert schaffen“ regten einen intensiven Austausch zu Themen rund um die Zukunft der Unternehmenssteuerung an.
Ergänzt wurden die Vorträge durch interaktive Diskussionsformate und Breakout Sessions in kleineren Runden. Dazu stellten Vertreter der Technologieanbieter und Umsetzungspartner Celonis, Roboyo und Infomotion im Bereich Process Mining, RPA oder Big Data ihre Angebote vor.