Sieben Ansatzpunkte für ein besseres Forderungsmanagement

Probleme in der Materialbeschaffung zwingen viele Unternehmen dazu, ihre Lagerbestände aufzubauen und mehr Material als bisher auf Vorrat zu beschaffen. Dazu benötigen sie zusätzliche Finanzmittel. Jörgen Erichsen stellt sieben Ansatzpunkte vor, um das Forderungsmanagement zu optimieren.

Die aktuelle Situation bei der Materialbeschaffung führt u einer höheren Kapitalbindung und Belastung der Liquidität. Auch die Risiken für Schwund oder Diebstahl steigen. Um vor allem den Liquiditätsrückgang zu begrenzen, müssen sich Unternehmen noch mehr als bisher um ihr Forderungsmanagement kümmern und prüfen, wie sie die Außenstände schneller eintreiben können. Allerdings nutzen viele Unternehmen die Möglichkeiten, die ein systematisches Forderungsmanagement bietet, nicht umfänglich aus.

Forderungsmanagement nach wie vor oft unsystematisch und unvollständig

Viele Unternehmen verstehen unter Forderungsmanagement vor allem die Gestaltung der Vertragskonditionen, etwa Preise, Zahlungsziele und Rabatthöhen. Oft wird noch das Mahnwesen dem Forderungsmanagement zugerechnet. Doch Forderungsmanagement geht weit darüber hinaus und umfasst den gesamten Rechnungsprozess, von der Risikoreduzierung, über die Vertragsgestaltung und den Fakturierungsprozess bis zum Mahnwesen.

Häufig sind Unternehmer der Auffassung, sie tun schon genug in Sachen Forderungsmanagement und sehen keinen Handlungsbedarf, weil sie z.B. glauben, dass gerade ihre Kunden unproblematisch sind. Oder die Risiken durch Forderungsausfall und -verzug werden schlicht unterschätzt. Hinzu kommt, dass Unternehmer sich schlicht scheuen, Kunden zu mahnen und offene Forderungen im Notfall auch gerichtlich einzutreiben. Dabei sind vor allem Forderungsausfälle gefährlich und können durch Zusatzumsätze oft nicht ausreichend kompensiert werden.

Praxisbeispiel:

Ein Unternehmen erzielt einen Umsatz von 10 Mio. Euro und eine Umsatzrendite von 5% entsprechend 500.000 Euro. Zwei Kunden mit einem Umsatz von 50.000 Euro melden Insolvenz an; die Forderungen können nicht mehr eingetrieben werden. Es entsteht ein Forderungsausfall von "nur" 0,5% des Umsatzes. Damit geht der Gewinn unter sonst gleichen Bedingungen auf nur noch 450.000 Euro zurück; die Liquidität wird in gleichem Umfang gemindert. Um den Ausfall auszugleichen, müsste der Betrieb seinen Umsatz um 10% steigern (5% von 10 Mio. Euro = 50.000 Euro).

Mit einem Forderungsausfallrechner, wie er z.B. unter bei der Seite von Creditreform zu finden ist, können Unternehmer die Lage ihres Betriebes mit nur wenigen Eingaben bewerten.

Jetzt kommen vor allem durch die Beschaffungsseite noch erhebliche Belastungen auf die Kunden zu und verschärfen die potenziellen Schwierigkeiten noch. Es sind weitere Kostensteigerungen abzusehen, etwa durch die Tarifrunden der kommenden Monate.

Forderungsmanagement professionalisieren und ausbauen

Unter Forderungsmanagement sind alle Aktivitäten zu verstehen, die dazu beitragen, dass Rechnungen fristgerecht und möglichst ohne Ausfälle bezahlt werden. Zu einem guten Forderungsmanagement gehören vor allem folgende Inhalte:

  • Risikoreduzierung: Systematische und möglichst vollständige Bonitätsprüfungen von Neu- und Bestandskunden, ab einem bestimmten Umsatz- oder Auftragsvolumen, z.B. 500 Euro. Neukunden sollten stets vor Auftragserteilung geprüft werden, z.B. über Auskunfteien wie Schufa, Creditreform, Bürgel oder andere. Alternativ kann man von Kunden eine aktuelle Selbstauskunft verlangen, um Kosten zu sparen. Bei Bestandskunden sollte die Prüfung einmal pro Jahr vorgenommen werden oder wenn es einen konkreten Anlass gibt, etwa Gerüchte über mögliche Probleme. Zudem sollten Kreditlimits festgelegt werden: Unter welchen Umständen dürfen Kunden unbegrenzt auf Rechnung kaufen, etwa bei guter Bonität und wenn es bisher keinen Verzug gegeben hat? Wann gibt es Limits, etwa, wenn die Bonität einen bestimmten Wert unterschreitet? Wann wird die Möglichkeit ausgeschlossen, etwa bei schlechter Bonität oder wenn es schon Zahlungsprobleme gegeben hat? Außerdem können Warenkreditversicherungen und Factoring zur Risikoreduzierung geprüft werden.
  • Vertragsgestaltung: Verträge sollten möglichst einheitliche Zahlungskonditionen mit festen Zahlungszielen und Regeln zu Rabatten enthalten. Die Kontrakte sollten stets so gestaltet werden, dass auch ohne weitere Mahnungen Verzug entsteht. Alle Kunden, gewerblich und privat, sollten explizit auf diese Regelung hingewiesen werden, z.B. durch einen Vermerk in der Rechnung. Zusätzlich kann die Einführung eines Bonus-Malus Systems geprüft werden. Kunden, die stets pünktlich zahlen, erhalten dann z.B. einen Nachlass auf den ersten Kauf im neuen Jahr. Eine Malus-Regelung kann in einer Kürzung oder Streichung von Kreditlinien bestehen.
  • Auftragsbearbeitung: Sie sollte soweit wie möglich automatisiert erfolgen, und z.B. Kreditlimits prüfen und die Lieferung nach positivem Ergebnis freigeben. Andernfalls sollte es einen Lieferstopp geben, bis der Kunde die Forderung beglichen hat.
  • Fakturierung: Auch hier sollte so weit wie möglich auf Automatisierung und vor allem E- bzw. XRechnungen zurückgegriffen werden. Außerdem muss geprüft werden, ob Regelungen für Sonderformen wie Gutschriften benötigt werden. Zu diesem Themenkomplex gehört auch die Festlegung der Zyklen für die Rechnungsstellung. Faustregel: der Rechnungsversand sollte mindestens 2-Mal pro Woche, besser täglich bzw. nach Auftragsende erfolgen. Zudem muss geprüft werden, ob und wie man verstärkt auf Bar- oder Kartenzahlung, Vorauskasse, Lastschriften oder eine Erhöhung von Anzahlungen zurückgreifen kann.

Tipp: Es kann geprüft werden, ob All-in-One-Kassensysteme helfen, den Zahlungseingang zu beschleunigen. Beispielsweise können Handwerker Leistungen nach Arbeitsende direkt vor Ort beim Kunden in Rechnung stellen, den Betrag sofort kassieren und den Kunden einen Beleg ausstellen. Wegen der Fülle der Angebote sollte man mit dem Begriff "Mobile All-in-One-Kassensysteme" googeln und Angebote vergleichen. Oder man kann sich beim Verband oder befreundeten Unternehmen nach eingesetzten Lösungen und deren Qualität erkundigen.


  • Mahnwesen: Ausbau des Mahnwesens mit automatischem, abgestuften Mahnprozess bei dem Mahnkosten und -zinsen ebenfalls automatisiert berechnet werden. Unternehmer müssen auch die Bereitschaft haben, fällige Forderungen notfalls per Gericht einzutreiben. Außerdem muss man bereit sein, sich von Kunden zu trennen, die häufig verspätet zahlen (Faustregel: mehr als 4-5 Mal bzw. bei mehr als 20-30% der Fälle). Betroffene Kunden sollten vorab über die kommenden Aktivitäten informiert werden, damit sie eine letzte Chance bekommen, ihr Verhalten dauerhaft zu ändern.
  • Prozessverbesserungen: Intern sollte versucht werden, die Kommunikation innerhalb der Bereiche zu verbessern, insbesondere zwischen Vertrieb und Buchhaltung, um z.B. zu vermeiden, dass der Vertrieb einem Kunden andere als die Standard-Zahlungsbedingungen gewährt und die Buchhaltung den Kunden trotzdem mahnt. Zudem werden klare Regelungen dazu benötigt, wie vorgegangen wird, wenn ein Kunde reklamiert. Nicht zuletzt gilt es, den eigenen Rechnungsstellungsprozess ständig zu verbessern und auch evtl. vorhandene stille Kredittage zu vermeiden oder zu reduzieren. Als stille Kredittage wird der Zeitraum bezeichnet, der zwischen Leistungserbringung und tatsächlicher Rechnungsstellung vergeht. Die stillen Kredittage verlängern noch einmal die Frist, bis die Forderungssumme auf dem Konto eingeht. Häufig vergehen intern mehrere Tage oder sogar Wochen, bis der Buchhaltung alle rechnungsbegründenden Unterlagen vorliegen und die Rechnung erstellt werden kann. Beispiel: Das Zahlungsziel in einem Unternehmen beträgt 30 Tage. Die Rechnungen werden bisher erst 14 Tage nach Projekt- oder Auftragsende erstellt. Damit beträgt die gesamte Forderungslaufzeit 44 Tage. Vorausgesetzt, die Kunden zahlen immer pünktlich. Hier gilt es, Regelungen zu treffen, die sicherstellen, dass z.B. Projektleiter die Dokumente innerhalb einer bestimmten Frist, etwa 5 Tage nach Auftragsende, der Buchhaltung vorlegen müssen, damit diese die Rechnung erstellen kann.
  • Kennzahlennutzung: Gerade im Forderungsmanagement lassen sich Erfolg bzw. Verbesserungen gut durch Kennzahlen messen. Einige Beispiele mit Formelvorschlägen. Die genannten Orientierungswerte sind auch von der Branche und der aktuellen Organisationsqualität abhängig und können schwanken. Auch strategische Entscheidungen im Betrieb können dazu führen, dass andere Orientierungswerte gelten, etwa, wenn es eine Anweisung gibt, bei der ersten Mahnung grds. keine Kosten zu berechnen.

Kennzahl

Formelvorschlag

Orientierung

Forderungsquote

Forderungssumme * 100 / Bilanzsumme

< 15-20% *

Forderungsausfallquote

Forderungsausfälle * 100 Forderungssumme

< 0,5% *

Verzugsquote

Verspätete Zahlungen * 100 / Forderungssumme

< 1-5% *

Forderungslaufzeit (DSO; Days Sales Outstanding)

Forderungssumme / (Jahresumsatz / 360)

< = üblichem Zahlungsziel im Unternehmen

Umschlaghäufigkeit Forderungen

Umsatzerlöse / Forderungen

Bei 30 Tagen üblichem Zahlungsziel: 12 *

Bonitätsprüfungsquote

Anzahl Bonitätsprüfungen * 100 / Anzahl Neukunden mit Aufträgen > festgelegter Bandbreite

Möglichst nahe 100% *

Zeitnahe Rechnungsstellung

Anzahl der innerhalb von 24 / 48 Stunden nach Leistungserbringung versendeten Rechnungen * 100 / Gesamtzahl Rechnungen

Möglichst nahe 100% *

Mahnquote

Anzahl Mahnungen * 100 / Anzahl Rechnungen

< 5-10% *

Mahnkostenquote

Anzahl Mahnungen bei denen Kosten berechnet wurden * 100 / Anzahl Mahnungen

Möglichst nahe 100% *

Direkteinzugsquote

Anz. Zahlungen mit mobilen Terminals * 100 / Anz. Rechnungen, die für mobile Zahlung geeignet sind (kann z.B. bei komplexen Projekten kaum umgesetzt werden, bei denen es nicht möglich ist, alle rechnungsbegründenden Dokumente sofort zusammenzustellen).

Möglichst nahe 100% *

* Alternativ: Im Verlauf mehrerer Jahre sinkend (z.B. Forderungsausfallquote, Mahnkostenquote) oder steigend (z.B. Umschlagshäufigkeit, Bonitätsprüfungsquote)

Fazit und Ausblick

Durch die Probleme in der Beschaffung müssen Unternehmen hier ihre Strategien ändern und anpassen. Beispielsweise ist es oft sinnvoll, mehr Waren zu kaufen und die Lagerbestände zu erhöhen. Das bindet Kapital, belastet die Liquidität und erhöht die Kosten, etwa für Versicherungen. Damit rückt das Forderungsmanagement noch stärker als bisher in den Fokus der meisten Unternehmen.

Es muss verstärkt darauf geachtet werden, dass Kunden pünktlich zahlen und dass es keine Zahlungsausfälle gibt. Zudem müssen alle Möglichkeiten geprüft werden, Zahlungsziele zu verkürzen. Das bedeutet für die Praxis, dass vor allem die Betriebe, die ihr Forderungsmanagement nicht systematisch betreiben, zahlreiche Hausaufgaben machen müssen. Diejenigen Firmen, die schon aktiv sind, sollten nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen. In jedem Fall sollte der bestehende Forderungsmanagementprozess mindestens einmal pro Jahr überprüft und möglichst weiter verbessert werden.

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Schlagworte zum Thema:  Forderungsmanagement, Rechnung, Vertrag