Mit Beginn der digitalen Transformation gewinnen auch die digitalen Geschäftsmodelle immer weiter an Bedeutung. Alte Geschäftsmodelle müssen von den Unternehmen überdacht und angepasst werden, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Bis vor kurzem standen noch hauptsächlich Standardisierungen im Vordergrund. Heute spielen personalisierte Produkte und Dienstleistungen, möglichst aus wiederverwertbarem Material, eine große Rolle.
Definition von Industrie 4.0
Bevor Dr. Zorzi auf die Bestrebungen rundum ein neues Architektur- und Servicemodell des Konzerns KUKA einging, definierte er das zugrundeliegende Verständnis der Industrie 4.0 (I4.0). Allgemein versteht er darunter die Vernetzung aller Produktionsteilnehmer durch entsprechende Informations- und Produktionstechnologie mit dem Ziel, flexibler und wandelbarer produzieren zu können und die Produktion besser überwachen und steuern zu können. Organisatorisch ist hierfür bei KUKA eine neu implementierte Querschnittsfunktion namens "I4.0 Business Enablement" verantwortlich, die die anderen Geschäftsbereiche strategisch und operativ bei der Umsetzung eigener I4.0 Projekte unterstützen soll.
Architektur- und Servicemodelle für Digitalisierungsprojekte
Die Basis produktionsnaher Digitalisierungsprojekte bildet ein mehrstufiges Architekturmodell, das eine Vernetzung von Geräten und Maschinen (einzelne oder mehrere) ermöglicht. Aus dem Architekturmodell lassen sich unterschiedliche Servicemodelle ableiten (s. Abb. 2 der Bilderreihe):
- Betriebswirtschaftlich ist vor allem die Applikationsebene von Bedeutung, da sich hieraus der konkrete Kundennutzen und das eigene Geschäftsmodell ableiten lassen (SaaS). Die Entwicklung von Softwareapplikationen ist eine zentrale, vornehmlich zu beherrschende neue Kernkompetenz für Produktionsbetreiber.
- Die benötigten Plattformleistungen (PaaS) müssen allerdings nicht unbedingt selbst betrieben werden. In Zukunft wird die Leistung durch spezielle Anbieter gewährleistet werden können. Zurzeit betreiben viele Produktionsbetreiber oder auch Anbieter für Automatisierungstechnik wie KUKA noch eigene IoT-Plattformlösungen.
- Infrastrukturleistungen (IaaS) werden bereits heute extern bezogen, so der Referent.
Digitale Produkte und Services bei KUKA
Im weiteren Verlauf seiner Präsentation erläuterte Dr. Zorzi zwei Praxisbeispiele, wie zukünftige Geschäftsmodelle aussehen können. Die (Waren-) Palettierungszelle "KUKA ready2_palletize" wird in der Konsumgüterproduktion eingesetzt und bietet eine softwarebasierte Steuerung, die sich auf einer cloudbasierten Vernetzung der beteiligten Maschinen gründet. Kundenmehrwerte sind hierbei
- die Automatisierung der Warenpalettierung,
- die Steuerung und Überwachung der Produktion sowie
- die nutzungsbasierte Abrechnung.
Bei der Matrixproduktion "KUKA SmartProduction" handelt es sich um eine Alternative zur klassischen Linienproduktion. Dabei wird der Produktionsprozess in nachrüstbare Basiszellen segmentiert und Produktion sowie Logistik getrennt. Mittels mobiler Robotik und der Vernetzung aller Produktionsteilnehmer können Produktion und Logistik letztlich wieder miteinander verbunden werden. Für den Kunden erschließen sich dadurch vor allem diese Vorteile
- Automatisierung der Produktion,
- Flexible Produktionssteuerung und -umrüstung sowie
- Remote-Zugriff auf die Produktion.
Kaufmännische Steuerung der digitalen Geschäftsmodelltransformation
Damit Management und I4.0-Querschnittsfunktion alle entscheidungsrelevanten Informationen erhalten, ist es die Aufgabe des Controllings, die digitale Transformation als Business Partner ökonomisch zu begleiten. Im Bereich des strategischen Controllings steht die Erstellung von Geschäftsplänen, die die Grundlage initialer Investitionsentscheidungen in der I4.0-Querschnittsfunktion sind, im Fokus. Das operative Controlling beschäftigt sich mit der Erstellung von fortlaufenden Umsatzberichten für alle I4.0 Kundenprojektumsätze und erstellt Budgets, Forecasts und Plan-/Ist-Vergleiche für die KUKA Shared Services Funktion. Weitere Aufgaben des Controllings sind
- die Absprache der Transferpreise mit den Controlling Counter Partnern,
- die Festlegung aller Finanz- und Kundenprozesse für die Device Insight GmbH,
- schnelle unbürokratische Unterstützung von betreuten Fachabteilungen und Unternehmensbereichen,
- Erinnerung der Fachabteilungen und Unternehmensbereiche an die gesteckten Ziele und erarbeiteten Maßnahmen.
Erfolgsfaktoren für Industrie 4.0
Abschließend zog Dr. Zorzi ein Fazit mit den wichtigsten Erfolgsfaktoren von I4.0 in einem Industriekonzern wie KUKA. Diese sind:
- die strategische und organisatorische Verankerung von I4.0 im Unternehmen,
- ein technologisches Verständnis, um zu erkennen, was die eigenen Kompetenzen sein müssen,
- Geschäftsmodelle aus Kundensicht denken und den Kundenmehrwert identifizieren,
- die Vernetzung unterschiedlicher Funktionsbereiche im Unternehmen und
- die kaufmännische Steuerung der digitalen Geschäftstransformation.
Als letzten Aspekt gab der Redner dem Auditorium mit auf den Weg, dass I4.0 vor allem eine kaufmännische Frage und nicht nur eine rein technologische Frage sei.