Mit unterschiedlichen Persönlichkeiten erfolgreich zusammenarbeiten
Warum sind Menschen unterschiedlich in ihrer Persönlichkeit?
Unsere Persönlichkeit ist genetisch bedingt. Die Eigenschaften können aber durch den Kontakt zu unserer Umwelt verstärkt werden. Wir werden beispielsweise durch die Erziehung geprägt. Hier werden wir mit Werten und Verhaltensweisen konfrontiert, die sich durch unser späteres Leben ziehen. Wer zum Beispiel in den Kinderjahren ständig zur Zurückhaltung aufgefordert wird und "gehorchen" soll, wird diese Prinzipien auch später leben. Für diese Personen wird es schwer, ihre Meinung frei heraus zu äußern und sich in den Vordergrund zu bringen. Daraus entsteht keine kritische oder schwierige Situation, solange diese Personen zufrieden sind und das Umfeld deren Verhaltensweisen akzeptiert. Spannungen ergeben sich, wenn von den Personen erwartet wird, in bestimmten Situationen die treibende Kraft zu sein. Vermutlich sind diese Menschen eher Mitläufer als Macher.
Wir sollten im Bezug auf unsere charakterlichen Unterschiede allerdings nicht versuchen, bestimmte Persönlichkeiten zu bewerten und zwischen gut und schlecht zu unterscheiden.
Die Vorteile und Nachteile der unterschiedlichen Persönlichkeiten
Selbstverständlich würden wir mit den Menschen, die uns in den Persönlichkeitszügen ähneln, sehr gut klarkommen. Reibungen wären auf ein Minimum reduziert. Allerdings wären die Ergebnisse der Arbeit auch sicherlich einseitig. Uns fehlt die Reibung um besser zu werden und es fehlt die Vielfalt der Lösungen.
Vorteile unterschiedlicher Persönlichkeiten
Wir Menschen denken und handeln unterschiedlich. Jeder von uns entwickelt andere Fähigkeiten. So werden einige Atomphysiker, andere Ärzte, Ingenieure oder Pädagogen oder eben Controller:innen. Die Gesellschaft profitiert von der Vielfalt der Menschen. Ebenso ist es in einem Unternehmen. Je unterschiedlicher Menschen denken und handeln, umso vielfältiger sind die Lösungsideen. Allerdings gibt es eine wesentliche Bedingung, um dies zum Vorteil zu nutzen: gegenseitige Toleranz und Akzeptanz.
Wenn wir an die Arbeit in Projekten denken, erlangen wir meist deutlich bessere Ergebnisse, je heterogener die Projektgruppe ist. "Am Widerspruch entzündet sich der Gedanke" heißt ein oft gehörter Spruch. Was wir jedoch gerne vermeiden wollen, sind jedoch extreme Positionen auf der einen oder der anderen Seite. Das erfordert von uns immer eine hohe Toleranz oder eine intensive Auseinandersetzung. Gelingt es uns, die Kommunikation in der heterogenen Mannschaft gezielt zu führen, werden wir in der thematischen Auseinandersetzung zwar mehr Zeit aufwenden müssen, aber auch mehr Ergebniserfolg haben.
Nachteile unterschiedlicher Persönlichkeiten
Sicherlich gibt es auch Nachteile. So wird der Kommunikationsprozess länger dauern und anspruchsvoller sein, wenn wir statt eines schlichten "Ja" ein "ich bin anderer Ansicht" erhalten. Jetzt sind wir aufgefordert uns mit der kontroversen Ansicht auseinanderzusetzen und zu argumentieren.
Kritisch werden diese Situationen dann, wenn sich die Kommunikation im Kreis dreht und Rechthaberei statt der kompromissbereiten gemeinsamen Suche nach der besten Lösung im Vordergrund steht. Dies führt zu Konflikten. Wenn wir die Unterschiedlichkeit im Sinne des gemeinsamen Ziels nicht auflösen können, ergeben sich Spannungen, die sich später in heftigen Sach- oder sogar Beziehungskonflikten entladen können. Dann werden gravierende Nachteile für alle Beteiligten spürbar.
Ja-Sager oder Querdenker
Ja-Sager oder Querdenker – wie würden Sie sich selbst bezeichnen? Als Controller:innen oder Finance-Expert:innen wünschen wir uns schon manchmal, dass man unserem Vorschlag zustimmt. Denn wir sind selbst überzeugt und würden beschleunigt vorankommen, wenn unsere Gesprächspartner unsere Ansicht teilen und einfach ja sagen. Allerdings würden wir so nach einiger Zeit standardisierte Lösungen ohne wichtige Impulse haben, denn wir müssen nicht mehr nachdenken. Unsere Bordmittel genügen zur Überzeugung.
In einer Arbeitswelt, die von zunehmender Komplexität und hoher Dynamik geprägt ist, müssen wir unsere Lösungen ständig überdenken und neu ausrichten. Querdenker sind dazu bereit und denken über den sprichwörtlichen Tellerrand hinaus. Um als Unternehmen bestehen zu können, brauchen wir zwingend Querdenker. Die Mehrzahl der Menschen sucht allerdings nach Routine und ist mit Standardlösungen zufrieden. Zwischen diesen Personen und den Querdenkern ergeben sich dementsprechend des Öfteren Spannungen. Lassen sich diese durch die Erläuterungen der Beweggründe beseitigen, so profitieren alle. Bleiben die Spannungen allerdings bestehen, werden Querdenker gerne als Querulanten bezeichnet. Die Person erscheint uns zum Teil als lästig. Wir hätten ein fixes Ergebnis und könnten zur nächsten Aufgabe übergehen, wenn der Querdenker es nicht in Frage stellen würde. Wenn diese Sichtweise vorhanden ist, wird das Miteinander massiv erschwert.
Das Fünf-Faktoren-Modell
Um menschliche Verhaltensweisen in sinnvolle Kategorien einzuteilen, hat man sich in der Persönlichkeitspsychologie mehrheitlich auf das sogenannte "Big Five" Modell geeinigt. Es geht auf Theorien von Hans-Jürgen Eysenck zurück.
Die fünf Faktoren sind:
- Offenheit
- Extraversion
- Verträglichkeit
- Gewissenhaftigkeit und
- Neurotizismus
Jeder von uns hat bei diesen Punkten eine bestimmte Ausprägung, die sich im Zeitablauf zwar durchaus ändern kann, allerdings nicht in Extremen. So wird beispielweise eine Person, die im Alter von 40 Jahren als schüchtern und zurückhaltend bezeichnet wird, durch Impulse und Lernschritte nicht zu einer im vollen Umfang extravertierten Person werden. Eine perfektionistische Person wird nicht damit anfangen, viele Dinge nur oberflächlich zu gestalten.
In den verschiedenen Berufsgruppen finden wir nun schwerpunktmäßig einen bestimmten Mix an Persönlichkeitsmustern, die oft sehr gut zu der ausgeübten Rolle passen. Wenn sich im Laufe der Zeit die Anforderungen ändern, ist das für die Personen keinesfalls trivial und funktioniert nicht immer einfach und reibungslos.
Ein Beispiel: Im Bereich Controlling und Finance arbeiteten bislang oft Personen, die sich gerne detailliert und gründlich mit Zahlen auseinandersetzen. Oft können diese Personen aber auch eher introvertiert sein. Direkte Gespräche mit Kommunikationspartnern versuchen sie ggf. zu vermeiden, weil sie sich in der Rolle nicht wohl fühlen. Erkennen Sie sich vielleicht in dieser Situation wieder? Seit einigen Jahren ändern sich die Anforderungen in der Tätigkeit. Wir werden Business Partner und man erwartet von uns die direkte Kommunikation. Jetzt steht uns die introvertiert geprägte Persönlichkeit im Weg und wir müssen uns anpassen – kein einfaches Unterfangen.
Offenheit und Extraversion
Offenheit äußert sich auf einer Skala zwischen den beiden Extrempunkten, erfahrungsoffen oder inflexibel zu sein. Erfahrungsoffene Menschen werden als fantasievoll und wissbegierig bezeichnet und sind auf der Suche nach geistigen Abenteuern. Inflexible Menschen suchen Routine, haben Angst vor Neuem, sind traditionsgebunden und eher oberflächlich. Positive oder negative Wirkungen aus den Grundzügen der Persönlichkeit ergeben sich erst durch die Anforderungen im Umfeld. Wenn ein Unternehmen auf sehr dynamischen Märkten aktiv ist und zahlreiche Veränderungen durchführt, wirken inflexible Menschen ggf. wie Bremsklötze, während erfahrungsoffene Menschen die Treiber sind. Befinden wir uns in einem sehr traditionellen Umfeld mit wenig Wettbewerb, kann der erfahrungsoffene Mensch hingegen schnell wie ein Unruhestifter wirken.
Wir differenzieren weiterhin in Extravertiert- (im Sprachgebrauch „extrovertiert“) und Introvertiertheit. Diese Kategorie begegnet uns sehr häufig auch im Alltag und wir ordnen bestimmte Berufsgruppen ganz klassisch den beiden Gruppierungen zu.
Während wir Menschen in Marketing und Vertrieb eher als extravertiert bezeichnen, finden sich bei den Introvertierten das Rechnungswesen, Controlling, Finance und die IT. Wir alle wissen jedoch, dass diese Aussage zu pauschal ist. Auch hier gilt: Rolle und Funktion ändern die Anforderungen deutlich.
Extravertierte Menschen sind kontaktfreudig, gesellig, gute Networker, selbstbewusst und kommunikativ. Zuweilen sind sie auch Querdenker. Introvertierte Menschen sind schüchtern, schweigsam und reserviert. Sie sprechen nur, wenn sie sich völlig sicher sind und zeichnen sich durch sehr präzises und durchdachtes Handeln aus.
Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit
Gerne umgeben wir uns mit Menschen, die sozial verträglich sind. Sie sind warmherzig, taktvoll, teamorientiert, kooperativ, haben eine positive Grundeinstellung und die Zusammenarbeit mit ihnen ist vertrauensvoll und wertschätzend. Sozial unverträgliche Menschen sind grob, kaltherzig, egoistisch, rücksichtslos, machtbesessen, misstrauisch, Einzelkämpfer, durchsetzungsstark – und häufig sehr erfolgreich.
Erfolgreich wollen wir alle gerne sein, allerdings nicht um jeden Preis. Als Finance-Expert:innen und Controller:innen sind wir bestimmt eher sozial verträglich geprägt. Unsere Arbeit bringt uns aber oft mit Personen in Kontakt, die aus dem anderen Lager kommen. Wir müssen uns arrangieren und dafür sorgen, dass wir unsere Interessen vertreten. Ein schneller Rückzug ist keine Option!
Wenn es uns bisher gelungen ist, bei den Persönlichkeitskriterien keine Bewertung vorzunehmen, fällt uns dies in unserer Rolle in Finance oder Controlling bei dem Kriterium Gewissenhaftigkeit wohl schwer. Wir sind zu 100% zuverlässig und verstehen oft nicht, dass andere Personen erst nach der dritten Erinnerung reagieren. Für uns undenkbar – dennoch für andere normal! Die Bandbreite der Gewissenhaftigkeit läuft von zuverlässig bis hin zu unzuverlässig.
Zuverlässige Menschen sind genau, sorgfältig, diszipliniert, zielstrebig, anpassungsfähig, strukturiert, termintreu und sehr leistungsbereit. Die Berufsgruppe in Finance und Controlling sollte sich zwingend auf dem zuverlässigen Spektrum befinden. Andernfalls ramponieren wir täglich unser Image und unsere Glaubwürdigkeit geht verloren. Unzuverlässige Menschen sind impulsiv, planlos, spontan, chaotisch, können sich schlecht steuern und haben keinen Überblick.
Neurotizismus
Dieser Punkt knüpft an den vorherigen Blog zum Thema Emotionale Intelligenz an. Haben wir unsere Emotionen unter Kontrolle? Wie zeigen wir unsere Gefühle?
Emotional stabile Personen sind stressresistent, wirken selbstsicher, sind leistungsfähig, stets kontrolliert und verlieren nie die Beherrschung. Die Zusammenarbeit mit ihnen ist zunächst angenehm, weil sie enorm belastbar sind. Allerdings weiß man oft nicht genau woran man ist, weil uns keinerlei (emotionale) Reaktion gezeigt wird. Dann fangen wir an zu interpretieren. Besser ist allerdings durch Fragen eine Reaktion zu erlangen.
Emotional instabile Personen wirken nervös, ängstlich, schwermütig und selbstzweiflerisch, schaffen die Distanz zum Fall nicht und sind sehr leicht verletzlich. Ein falsches Wort genügt und die Person rastet aus. Sie kommt also in einen emotionalen Ausnahmezustand, der entweder durch Schreien oder Weinen angezeigt wird. Oftmals sind sich die Gesprächspartner keiner Schuld bewusst und können die Reaktion auch nicht verhindern. Diese Personen werden oft wie rohe Eier behandelt, was die Zusammenarbeit schwierig macht.
Fazit: Unterschiedliche Persönlichkeiten fördern die Qualität der Arbeit. Allerdings darf es dabei nicht zu Dominanzen oder mangelnder Kompromissbereitschaft kommen. Je nach Tätigkeitsfeld im Unternehmen ist die eine oder andere Ausprägung die geeignetere. Richtig und falsch gilt generell nicht.
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