"Wir dürfen nicht mehr über planetare Grenzen leben"


"Wir dürfen nicht mehr über planetare Grenzen leben"

Die Auswirkungen des Klimawandels sind immer deutlicher spürbar. Warum wir aufhören müssen, über unseren planetaren Grenzen zu leben, verdeutlichte Prof. Dr. Florian Kapmeier in seinem Vortrag.

Wir stehen an einem Wendepunkt in der Geschichte unseres Planeten. Die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels werden immer deutlicher und drängender. Es ist an der Zeit, dass wir aufhören, über unsere planetaren Grenzen zu leben und endlich Maßnahmen ergreifen, um eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen."

Dies war die klare Botschaft des Vortrags von Prof. Dr. Florian Kapmeier, den er auf der Jahreskonferenz Strategie & Transformation von Horváth hielt. Prof. Dr. Kapmeier ist Professor für allgemeine BWL, insbesondere Strategie, an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen, Forschungspartner des MIT Climate Pathways Project und Partner von Climate Interactive, einem Think-Tank, der aus dem MIT Sloan in Cambridge, Massachusetts, USA, hervorgegangen ist und der interaktive Klimasimulationsmodelle für Entscheidungsträger entwickelt.

"Die Uhr tickt"

Prof. Dr. Kapmeier begann interaktiv mit seinem Vortrag, in dem er die Teilnehmer dazu anregte, ihre Einschätzungen zu den wirksamsten Maßnahmen für die Erreichung der Pariser Klimaziele abzugeben und die globale Temperaturerhöhung bis zum Jahr 2100 auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen. Diese Antworten griff er später wieder auf, als er live mit dem Klimasimulationsmodell En-ROADS simulierte, welche Auswirkungen verschiedene Maßnahmen auf das Klima und andere Bereiche wie

  • der Versauerung der Ozeane,
  • den Meeresspiegelanstieg,
  • der Luftverschmutzung,
  • der Biodiversität,
  • der Ernteerträge und
  • der Wirtschaft haben.

Besonders betroffen vom Nicht-Handeln wären vor allem die Benachteiligten unserer Gesellschaft, wie beispielsweise diejenigen, die ohnehin schon unter Nahrungsmittelknappheit leiden. Anhand der Simulation wurde schnell deutlich, dass die Menschheit die vereinbarten Klimaziele erreichen und damit eine lebenswertere Zukunft schaffen kann, wenn mehrere Klimalösungen gleichzeitig und sofort angepackt werden.

Herausforderungen der Menschheit

Weiterhin betonte er, vor welch großen Herausforderungen die Menschheit steht: das Wachstum der Weltbevölkerung und der Wirtschaft führt zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch, zu sozialen Ungleichheiten und zur Verschmutzung der Umwelt. Dies beeinflusst das menschliche Wohlergehen. Das soziale Fundament wird unterschritten und die planetaren Grenzen der ökologischen Nachhaltigkeit werden überschritten.

Verschiedenste Konzepte und Berechnungen führen zu der gleichen Erkenntnis: Wir leben weit über unseren Verhältnissen. Die aktuellen Ereignisse wie Starkregen in Italien und Hitzewellen in Spanien und Portugal verdeutlichen die Risiken, mit denen wir konfrontiert sind, erklärt Kapmeier. Diese Risiken haben auch Auswirkungen auf die Wirtschaft, wie Verzögerungen in der Lieferkette, Einnahmeverluste oder unvorhergesehene Investitionsnotwendigkeiten.

Gleichzeitig nimmt Kapmeier die Unternehmen in die Pflicht. Er bezieht sich auf eine Studie der Universität Marburg, die zeigte, dass im Jahr 2022 nur 6 % der erzielten Umsätze der Industrie- und Dienstleistungsunternehmen des EURO STOXX 50 als nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie eingestuft wurden. Es besteht also klarer Aufholbedarf, die Lücke in der Nachhaltigkeitsperformance der Unternehmen zu schließen.

Nachhaltigkeit im Unternehmen als Booster für Arbeitgeberattraktivität und Innovationsfähigkeit

Um diese Lücke zu schließen, müssen Unternehmen nachhaltigkeitsorientierte Fähigkeiten und die entsprechende Marktinfrastruktur aufbauen. Es reiche nicht aus, so Kapmeier, sich auf bekannte und etablierte Prozesse und Netzwerke zu verlassen. Stattdessen müssen Unternehmen sich auf "Worse-before-better"-Verhalten von Nachhaltigkeitsinitiativen einlassen und langfristige Veränderungen anstreben, aus welchen sich wiederum strategische Vorteile ergeben können. Hier hebt er hervor, dass zum einen die Innovationsfähigkeit gestärkt wird, gleichzeitig aber auch, dass nachhaltiges Handeln für Unternehmen positive Effekte bei der Gewinnung von Mitarbeitern spielt. Durch seinen Beruf als Professor weiß er, dass viele Studenten bei der Wahl ihres künftigen Arbeitgebers immer größer werdenden Wert auf das Nachhaltigkeitsverhalten des potenziellen Arbeitgebers legen.

Kapmeier appelliert, dass das Top-Management die Entwicklung von Nachhaltigkeit in allen Bereichen des Unternehmens unterstützen und Lieferanten sowie Kunden auf diesem Weg mitnehmen muss. Es sei wichtig, auch nicht-marktwirtschaftliche Akteure, wie Politiker, in den Wandel einzubeziehen und das Ellbogendenken hinter sich zu lassen. Denn, um eine nachhaltige Welt zu schaffen, müssen alle Akteure schnell, umfassend, ambitioniert und gemeinsam handeln.

Schlagworte zum Thema:  Nachhaltigkeit, Strategie