Serienelemente
Zweite Führungsebene an die Macht? (Fallstrick Nr. 2)

Wird die zweite Führungsebene bei Transformationsvorhaben unterschätzt? Welche entscheidenden Aufgaben übernimmt sie im Transformationsprozess? Die Studie beleuchtet, welche Personengruppen maßgeblich an der Definition dieser Ziele beteiligt sind. Warum die zweite Führungsebene eine Schlüsselrolle spielt und welche Herausforderungen sie meistern muss, um den Transformationsprozess voranzutreiben, wird in diesem Beitrag beleuchtet.

Es ist allgemein bekannt, wie entscheidend das Engagement der obersten Führungsebene bei Transformationsvorhaben ist. Umso überraschender ist es jedoch, dass die empirischen Erkenntnisse der Studie des Centre for Performance Management & Controlling (CPMC) der Frankfurt School of Finance & Management und der Struktur Management Partner GmbH (SMP)  darauf hinweisen, dass die Bedeutung der zweiten Führungsebene bei Transformationen sogar noch höher eingeschätzt wird als die der ersten Führungsebene. Die vorliegenden Studienergebnisse zeigen, dass 90,0 % der Befragten die zweite Führungsebene als die wichtigste Gruppe bei der Festlegung von Transformationszielen betrachten (s. Abb. 1).

Abb 1 Kowalski

Herausforderungen für das Erreichen von Transformationszielen


Ein Blick auf die größten Herausforderungen bei der Umsetzung von Transformationszielen zeigt, dass die "Akzeptanz der zweiten Führungsebene" mit 64,9 % Zustimmung der Studienteilnehmenden an erster Stelle steht, während die "Akzeptanz der ersten Führungsebene" mit 56,6 % nur den vierten Platz einnimmt (s. Abb. 2). Es steht außer Frage, dass das Top-Management die Transformationsziele unterstützen und diese auch offen und klar kommunizieren muss. Dies wird durch die Ergebnisse und Interviews dieser Studie bestätigt. Jedoch rückt in der Praxis der Transformation die zweite Führungsebene stärker in den Vordergrund. Ein Interviewpartner erklärt: „Bezüglich der Kommunikation von Transformation muss es schon von ganz oben kommen. Aber trotzdem muss es eine vernünftige Kommunikationskaskade geben.“ Diese Kaskade wird schnell gestört, wenn die zweite Führungsebene nicht genügend Beachtung findet. Es reicht nicht aus, nur das Commitment der obersten Führungsebene einzuholen. Als operativer Treiber besitzt die zweite Führungsebene eine oft unterschätzte Machtposition, obwohl ihre hohe Relevanz offensichtlich scheint: „Es überrascht mich überhaupt nicht, dass die zweite Führungsebene so eine bedeutende Rolle hat. Sie ist in der Regel ja die, die dafür sorgen muss, dass die Zielvorgaben der Geschäftsführung in irgendeiner Art und Weise operationalisierten Eingang in eine Umsetzung finden.“, so der Teilnehmer weiter.

Kowalski Abb 2

Lösungsansatz anhand eines Praxisbeispiels

Für den Erfolg der Transformation ist es entscheidend, der zweiten Führungsebene ausreichend Spielraum zu gewähren, um die Umsetzung der Transformationsvorhaben sicherzustellen. Ein Übersehen dieser Ebene wäre ein gravierender Fehler. Dieser Fehler geschieht leicht, wenn angesichts der Komplexität der Transformation die notwendige Kaskadierung der Ziele übersehen wird und stattdessen nur die „Spitze des Eisbergs“ betrachtet wird. Dies führt zum Fallstrick: „Hauptsache, die erste Führungsebene ist an Bord.“ Der Kooperationspartner bei dieser Studie, Restrukturierungsberatung Struktur Management Partner GmbH, belegt diesen Fallstrick und zeigt einen Lösungsansatz auf. Wie sich mit dem Fallstrick umgehen lässt, zeigt das folgende Praxisbeispiel.

Praxisfall: 2. Führungsebene zu Treibern der Transformation machen

Während der Begleitung eines großen mittelständischen Unternehmens in der Nutzfahrzeug- und Automobilindustrie (> 500 Mio. EUR Umsatz, ca. 1.400 Mitarbeiter, 7 Produktionsstandorte in Europa, 4 Unternehmenssparten) wurde eine Herausforderung deutlich: Die über Jahrzehnte gewachsene Struktur war von starken Führungspersönlichkeiten geprägt, wodurch die zweite Führungsebene keine eigenständigen Entscheidungen traf. Nach dem Austritt dieser Führungspersonen war das Unternehmen aufgrund der angelernten Passivität der zweiten Führungsebene handlungsunfähig und hatte strategisches Denken verlernt. In einer geschäftsmodellgefährdenden Krise wurde diese Handlungsunfähigkeit offensichtlich. Um dies zu bewältigen, wurde die zweite Führungsebene als Treiber der Transformation etabliert. Durch die Verteilung von Verantwortlichkeiten und das wiederholte Kommunizieren der Transformationsziele gewann das Unternehmen, angetrieben durch die zweite Führungsebene, wieder an Leistungsfähigkeit.

Es lässt sich festhalten, dass entgegen der verbreiteten Annahme die Forschung zeigt, dass die zweite Führungsebene sogar noch wichtiger sein könnte als die oberste Ebene. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass die zweite Führungsebene maßgeblich an der Festlegung von Transformationszielen beteiligt ist und eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung spielt. Die größten Herausforderungen bei der Transformation liegen oft in der Akzeptanz dieser Ebene, wobei eine angemessene Kommunikation und Unterstützung seitens des Top-Managements unerlässlich sind.

Hintergrund

Eine im Jahr 2023 durchgeführte Studie des Centre for Performance Management & Controlling (CPMC) der Frankfurt School of Finance & Management und der Struktur Management Partner GmbH (SMP) untersucht das Transformationsmanagement von Unternehmen, mit einem Fokus auf die Steuerung und Umsetzung von Transformationsprozessen. Die Analyse der Studienergebnisse weist drei Fallstricke auf, die in dieser Serie erläutert werden und von Unternehmen in Transformationsprozessen berücksichtigt werden sollten.

Die Autorinnen und Autoren

Anne Kowalski, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre for Performance Management & Controlling an der Frankfurt School of Finance & Management
Dr. Kim L. Dillenberger, Vice Academic Director Centre for Performance Management & Controlling, Frankfurt School of Finance & Management
Dr. Uwe Kowatz, Research Assistant Centre for Performance Management & Controlling, Frankfurt School of Finance & Management