Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Péter Horváth
Jeder der dargestellten Meilensteine liefert einen Anstoß zur agilen Gestaltung für Controllerinnen und Controller (s. Abb. 8). Jeder einzelne Mosaikstein ist notwendig, stellt allein allerdings nur Stückwerk bzw. eine Insellösung dar und ist letztlich nicht hinreichend. Als Rahmen sind 3 wichtige konzeptionelle Aktivitäten erforderlich, um das Controlling in einer agilen Organisation selbst agil zu gestalten:
- Neukonzeption der Koordinationsaufgaben.
- Ausbau des Selbstcontrollings.
- Konsequente Nutzung der Potenziale der Digitalisierung.
Abb. 8: 7 Agilitätsanstöße an Controllerinnen und Controller
Angesichts der Vielfalt organisatorischer Gestaltungsoptionen ist die Beurteilung der Effizienz bzw. der Effektivität der gewählten Organisationsstruktur von großer Bedeutung, weshalb hierin die Hauptaufgabe des Organisationscontrollings besteht. Es ist hervorzuheben, dass die Organisation, in der der Controller agiert, Rahmen und vielfach aber auch Begrenzung für sein Wirken darstellt. Deshalb ist wichtig, dass das Controlling bei der Gestaltung dieses Rahmens mitwirkt, weil er Voraussetzung für die Wirksamkeit aller Aktivitäten schafft.
Neukonzeption der Koordinationsaufgaben
Im Mittelpunkt der klassischen Koordinationsgestaltung durch den Controller steht die systembildende Koordination, d. h. "die Schaffung einer Gebilde- und Prozessstruktur, die zur Abstimmung von Aufgaben beiträgt". Durch systembildende Koordination soll die Ausrichtung ("alignment") der Gesamtorganisation auf das gemeinsame Unternehmensziel erfolgen. Dies ist eine "Fremdkoordination" durch Pläne und Programme, verbunden mit konkreten Soll-Ist-Vergleichen. In den vergangenen Jahren gehen die Bemühungen dahin, die schwerfälligen und unflexiblen Planungs- und Kontrollsysteme zu flexibilisieren, zu beschleunigen und zu vereinfachen. Für die Agilität der Organisation reicht das in der Regel nicht aus, da die hierarchischen Strukturen bestehen bleiben.
Die systemkoppelnde Koordination – die zweite, früher eher nachrangige Form der Koordination durch den Controller – "stellt Anpassungsvorgänge innerhalb einer bestehenden Systemstruktur dar." In der klassischen Controlling-Konzeption ist dies hauptsächlich eine "Störungsbeseitigungsfunktion" sowie eine "Fremdkoordination" in einem vordefinierten Systemgefüge.
Die agile Organisation erfordert dagegen den Vorrang der Selbstkoordination. Pläne und Programme haben eine Rahmen- und Ausrichtungsfunktion. Voraussetzung für diese grundsätzliche Gewichtungsverlagerung ist ein Lernprozess sowohl beim Management als auch beim Controlling: Beide Seiten der "Controlling-Medaille" müssen an einer gemeinsamen Unternehmenskultur ausgerichtet lernen, dezentral und flexibel zu agieren. Die "Soft-Skills" müssen beiderseitig weiterentwickelt werden. Das Controller-Kompetenzmodell der International Group of Controlling zeigt die ersten Schritte in diese Richtung.
Mit der Neukonzeption der Koordinationsaufgaben ist unmittelbar das Selbstcontrolling verbunden. Die bisherige Praxis ist durch "Fremdcontrolling" gekennzeichnet. Fremdcontrolling ist stark auf die Idee der konsequenten Arbeitsteilung im Management zurückzuführen. Agilität macht erforderlich die Controlling-Aufgaben wieder in das Management zu integrieren. Dazu ist die Fremdkoordination auf die Rahmengestaltung zu konzentrieren. Der Controller muss als Lernhelfer, Informationsaufbereiter und Methodenspezialist fungieren. Das "richtige" Verhältnis zwischen Fremd- und Selbstcontrolling ist je nach Kontext und "Reifegrad" der Manager zu justieren.
Zu allen Aspekten der Agilität liefert die Digitalisierung wesentliche "Agilitäts-Enabler". Für das Controlling hat dies zwei Ausprägungen:
- Erweiterung der Informationsaufbereitung z. B. durch Workflowmanagement und Robotic Process Automation.
- Beschleunigung der Prozesse und Nutzung der Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz z. B. durch In-Memory-Technologien und Cloud Computing.