Karl-Heinz Steinke, Dr. Walter Schmidt
Das Controlling hat in seiner mehr als 100-jährigen Geschichte schon mehrere Metamorphosen erlebt. Derzeit befinden wir uns auf dem Weg zum "Controlling 4.0". Die Führungsaufgabe der Zielsetzung, Planung und Steuerung verbindet sich mit der digitalen Transformation und Vernetzung aller Lebens- und Arbeitsbereiche. Die rasante Zunahme der Datenvielfalt sowohl bezüglich ihrer Quantität als auch ihrer Qualität führt dabei nicht zwangsläufig zu einem Mehr an entscheidungsrelevanten Informationen. Im Gegenteil, es wird wichtiger, strategische Orientierungen für jedes Unternehmen zu erarbeiten, die dann auch als Leitlinien für die Strukturierung und Bereitstellung von Informationen dienen.
Diese Veränderung wird noch verstärkt durch den Trend zur Auflösung der historisch gewachsenen Hierarchien und Führungskulturen. Die Nähe zum Kunden und seine individuelle Betreuung erlangen durch die Digitalisierung und Vernetzung ein höheres Gewicht sowohl im nationalen als auch im internationalen Wettbewerb. Der Slogan "Think global – act local" gewinnt wachsende praktische Relevanz. Diese Veränderung der Wettbewerbsbedingungen verlagert die wesentlichen Entscheidungen und Maßnahmen sowohl im strategischen als auch im operativen Geschäft zu den Akteuren vor Ort. Das erfordert deren stärkere Teilhabe an allen Entscheidungsprozessen der Unternehmen. Gleichzeitig verändert sich die zentrale Führungsverantwortung stärker in Richtung Erarbeitung, Bewahrung, Weiterentwicklung und Durchsetzung gemeinsamer Orientierungen, Prinzipien und Regeln (corporate rules).
Das Controlling reagiert darauf zum einen durch eine stärkere Differenzierung in der Verarbeitung von Daten zu Informationen entsprechend der unterschiedlichen Anforderungen der Entscheidungsträger vor Ort. Das führt zur Herausbildung von "Informationsfabriken", in denen die Vielzahl der hereinströmenden Daten strukturiert, analysiert, zusammengefasst und schließlich in individuellen Zwecken angepasste Informationen überführt wird. Dabei werden diese Informationen zunehmend in standardisierter Form und durch automatisierte Prozesse bereitgestellt und den Nutzern in Echtzeit zur Verfügung stehen. Den Controllern obliegen in diesem Zusammenhang vor allem die Gewährleistung der Datenqualität und die empfängerorientierte Aufbereitung entscheidungsrelevanter Informationen über die jeweils erfolgskritischen Einflussfaktoren vor Ort. Das können sowohl finanzielle als auch nichtfinanzielle Faktoren sein.
Zum anderen verstärkt sich im Controlling der Trend zum Moderieren und Coachen von Veränderungsprozessen auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Unternehmen unter Nutzung der aus den Informationsfabriken verfügbaren Analysen und Berichte zu den erfolgskritischen Faktoren. Den Controllern obliegt in diesem Zusammenhang zunächst die Identifikation der jeweiligen erfolgskritischen Faktoren und deren Beobachtung, um ggf. Veränderungen und daraus resultierende Auswirkungen auf die Arbeit der Informationsfabrik mit den Verantwortlichen abstimmen zu können. Darüber hinaus obliegt es ihnen, proaktiv Handlungsbedarfe zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bezüglich der erfolgskritischen Faktoren aufzuzeigen und die sich daraus ergebenden Veränderungsprozesse in enger Kooperation mit allen Beteiligten zu begleiten und voranzutreiben.
Schließlich sieht sich das Controlling in wachsendem Maße mit der Herausforderung konfrontiert, die Agilität der Unternehmen zu entwickeln, um besser als die Wettbewerber auf die Volatilität und Ungewissheit des Umfelds reagieren zu können. Auch das ist eine Folge der Digitalisierung und Vernetzung aller Lebens- und Arbeitsbereiche, weil sich dadurch das Feld und die Komplexität der zu gestaltenden wirtschaftlichen Beziehungen enorm erweitert. Den Controllern obliegt in diesem Zusammenhang die Erarbeitung, Pflege und Weiterentwicklung der entsprechenden Orientierungen, Prinzipien und Richtlinien (corporate rules), um auf der einen Seite ein möglichst schnelles und eigenständiges Handeln der Teams vor Ort zu gewährleisten und gleichzeitig den Zusammenhalt und die gemeinsame Ausrichtung der Unternehmen sicherzustellen. Das erfordert integratives Herangehen zur Erleichterung der Kooperation vielfältiger Akteure ebenso wie den Mut, zu den Werten des Unternehmens zu stehen und partiellen Interessen entgegenzutreten. Und es erfordert den Mut, auf allen Ebenen und in allen Bereichen ein konkret auf die jeweiligen erfolgskritischen Faktoren ausgerichtetes Zusammenspiel von Effektivität ("die richtigen Dinge tun") und Effizienz ("die Dinge richtig tun") einzufordern.
Die Entwicklung der Agilität von Unternehmen wird das Controlling revolutionieren. Die bisherige lineare und punktgenaue Denkweise wird durch das Arbeiten mit Korridoren bzw. Bandbreiten und Wahrscheinlichkeiten abgelöst. Deren Ausprägung wird von den sich entwickelnden Fähigkeiten der Unternehmen abhängen, auf Veränderungen des Umfelds so reagieren zu können, dass die Finanzierung einer sich dynamisch verä...