3.1 Grundlegende methodische Aspekte
Grundformen der Auftragskalkulation
Die Methodik der Auftragskalkulation hat sich mit der klassischen Betriebswirtschaftslehre Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt. Dies trifft für die in Deutschland angewendeten Kalkulationsverfahren ebenso zu, wie für die ähnlichen US-amerikanischen Methoden des "Job Order Costing". Mitte der achtziger Jahre kam es durch die Entwicklung der Prozesskostenrechnung zu einer kleinen "Revolution", die wir unten darstellen werden. Beim kundenindividuellen Auftragsgeschäft handelt es sich um eine Einzelfertigung. Hier ist die differenzierte Zuschlagskalkulation das gängige Kalkulationsverfahren.
Mehrstufige Lohnzuschlagskalkulation
Die Grundform der differenzierten Zuschlagskalkulation ist die differenzierte bzw. mehrstufige "Lohnzuschlagskalkulation". Auf Basis von Periodenplandaten werden Zuschlagssätze berechnet, die für die wesentlichen Kostenstellen die Gemeinkosten in Prozent der Einzelkosten bzw. der Herstellkosten angeben. Auf Basis dieser allgemeinen betriebs- oder unternehmenstypischen Zuschlagssätze wird dann der einzelne Auftrag kalkuliert (s. Abb. 3).
Maschinenstundensatzkalkulation
Die Maschinenstundensatzkalkulation verrechnet die Fertigungsgemeinkosten nicht als prozentualen Zuschlagsatz auf die Fertigungseinzelkosten, sondern nach der konkreten zeitlichen Inanspruchnahme einer Anlage bei der Produktion.
Abb. 3: Allgemeines Schema der Zuschlagskalkulation
Letztlich geht die prozesskostenbasierte Zuschlagskalkulation nur noch einen Schritt weiter und verallgemeinert die Idee der Maschinenstundensatzkalkulation.
Die Prozesskostenrechnung sucht für Kostenstellen mit erheblichem Gemeinkostenanteil einen Kostentreiber ("Cost Driver"), auf dessen Basis die Gemeinkosten am verursachungsgerechtesten einzelnen Aufträgen zugerechnet werden können. Je nach Gemeinkostenbereich sind unterschiedliche Cost Drivers (s. Abb. 4) denkbar.
Abb. 4: Cost Driver in der Prozesskostenrechnung
3.2 Auswahl des geeigneten Kalkulationsverfahrens
Kostenstruktur ist entscheidend
Welche Form der Zuschlagskalkulation soll nun in einem Unternehmen der kundenindividuellen Auftragsfertigung angewendet werden? Die Antwort hierauf kann nicht allgemein gegeben werden. Vielmehr ist dies für jede einzelne Kostenstelle auf Basis der Kostenstruktur zu entscheiden.
Verwendung der Kalkulationsverfahren in der Praxis
Aus unserer Erfahrung dominiert in der Praxis des kundenindividuellen Auftragsgeschäfts die Kalkulation mit der differenzierten Lohnzuschlagskalkulation. Dies ist angesichts des steigenden Gemeinkostenanteils in den meisten Fertigungsbetrieben nicht mehr gerechtfertigt.
3.3 Problemfelder der Plankalkulation
Obwohl die grundlegende Methodik der Auftragskalkulation an sich nicht kompliziert ist, birgt sie doch erhebliches Problempotenzial in der Praxis. Aufgrund eigener Erfahrung soll insbesondere auf zwei Problemfelder hingewiesen werden:
- die Schwierigkeit, in einem schwankenden auftragsgetriebenen Geschäft "richtige" Gemeinkostenzuschlagssätze zu bestimmen, sowie
- der hohe organisatorische Aufwand der Prognose der Einzelkosten bzw. der Kostentreiber.
Beide Probleme treten so nur bei der Kalkulation auf Plandaten auf, d. h., wenn z. B.
- im Verlauf der Vorkalkulation der technische und wirtschaftliche Aufwand eines Auftrags insgesamt bzw.
- im Rahmen der mitlaufenden Kalkulation der technische und wirtschaftliche Aufwand des noch nicht fertiggestellten Teils eines Auftrags
bestimmt werden müssen.
3.3.1 Gemeinkostenzuschläge bei stark schwankender Auslastung
Auslastungsschwankungen im Anlagenbau …
Gerade im Anlagengeschäft haben die Unternehmen sehr häufig mit einer stark schwankenden Auslastung zu tun. Beispielsweise schwankte der Auftragseingang der oben erwähnten SMS Group von 2009 bis 2015 zwischen 2,3 und 3,4 Mrd. Euro.
… sorgen für schwankende Zuschlagssätze
Schwankungen im Auftragseingang treten im Umsatz des Unternehmens deutlich gemildert auf, führen aber in Bezug auf die nachlaufenden Mitarbeiterzahlen zu deutlichen Auslastungsschwankungen. In der Kalkulation bedeutet dies, dass in guten Jahren der Anteil der Gemeinkosten an den gesamten Kosten des Unternehmens wesentlich geringer ist als in schlechten Jahren und ...