Prof. Dr. Sebastian Becker, Kerim Teker
Der neue Planungsprozess
Der Betrachtungszeitraum untergliedert sich in drei Fragmente: IST2 (hell), IST1 (dunkel) und Forecast (schraffiert). Grundsätzlich werden 36 Monate betrachtet. Dieser Rahmen bewegt sich quartalsweise fort. In Abb. 2 ist beispielhaft der Zeitpunkt Q4 2020 rot umrahmt. Zu diesem Zeitpunkt wurden die IST Werte aus 2019 und 2020 betrachtet: Quartal zu Quartal bzw. in einer MAT-Sicht (Moving Annual Total, also 12 Monate rollierend, was zu diesem Zeitpunkt dem Kalenderjahr 2020 entspricht). Die zukünftigen 5 Quartale, somit 15 Monate, werden geforecastet.
Abb. 2: Rollierendes Reporting und rollierende Planung bei der Flughafen Zürich AG
Abbildung 2: Rollierendes Reporting und rollierende Planung bei der Flughafen Zürich AG
Hat die Corona Situation den Ausschlag dafür gegeben, dass Ihr den Planungsprozess neu ausrichten wolltet? Warum wurde der Ansatz des Beyond Budgeting ausgewählt?
Ja und Nein. Wir hatten uns auch schon vor der Corona-Krise mit dem Beyond Budgeting auseinandergesetzt. Es hatte jedoch mehr einen akademischen Charakter, denn die Notwendigkeit, etwas zu ändern, war weder im Controlling noch im Management groß.
Corona hat dies auf einen Schlag geändert. Auch ein Infrastrukturanbieter wie der Flughafen, welcher gewohnt ist, langfristig zu denken und zu planen, ist der VUCA-Welt ausgesetzt. Wir benötigten in erster Linie ein Planungsinstrument, welches agiler auf die volatilen Rahmenbedingungen einsetzbar ist. Also setzten wir wo immer möglich auf eine treiberbasierte Planung. Des Weiteren war die starre Sicht auf Ende des Kalenderjahres bzw. Geschäftsjahres für die Planung fast schon willkürlich gewählt. Warum sollten wir unseren "Blick" nur bis zu diesem Datum wählen? Eine rollierende Sicht, mindestens 12 Monate in die Zukunft erschien uns logischer.
Welche Vision verfolgt das Management und gesamte Unternehmen mit dem neuen Planungsansatz und wie wird der Wandel gelebt?
Dies gleich eine Vision zu nennen, ist vielleicht hoch gegriffen. Fakt ist: Während Corona hat die Unternehmung bewiesen, dass es nicht notwendig ist, ein Budget vorzugeben, damit das Management wirtschaftlich handelt. Dieses Mindset möchten wir beibehalten: Die Frage soll nicht sein "Habe ich noch Budget?", sondern "Macht die Ausgabe Sinn für die Unternehmung?" Es soll jeder so handeln, als wäre es sein eigenes Geld.
Gleichzeitig spüren wir aber, dass sich Führungskräfte schwertun mit der neu gewonnenen Freiheit: an Stelle des starren Rahmens, welcher durch das Budget definiert wurde, bedarf es zumindest in einer Übergangsphase neuer Orientierungshilfen. Zudem müssen auch andere Instrumente zur Kostendisziplin implementiert werden.
Würdest Du, Stand heute, sagen, dass ein neues Mindset im Unternehmen sowie im Controlling gelebt wird?
Wir sind definitiv auf einem guten Weg. Es war uns von Anfang an klar, dass jahrelange Automatismen und Mechanismen nicht innerhalb von Wochen geändert werden können. Den Change-Prozess sind wir dreistufig angegangen.
- Zuerst im Controlling selbst, denn wenn wir selbst nicht dahinterstehen, wieso sollte es das Management?
- Gleichzeitig haben wir das Thema der finanziellen Führung auf Stufe Aufsichtsrat und Geschäftsleitung abgeholt. Es war uns wichtig, das Vorhaben von Anfang auf oberster Ebene zu verankern.
- Zu guter Letzt haben wir das gesamte Management eingebunden.
Im Großen und Ganzen sind wir schon der Meinung, dass der agile Planungsansatz gut aufgenommen wurde, auch wenn noch nicht jede Fragestellung geklärt ist. Damit das gelingt, ist es essenziell, dass der Sinn dahinter verstanden wird. Ansonsten verkommt es zu einer akademischen Übung, ohne Verankerung in der Unternehmung.
Gleichzeitig müssen wir auch feststellen, dass wir auf den drei Ebenen erst wenige Schritte auf einem längeren Weg gegangen sind: Aus dem Controlling sind Instrumente zum Monitoring der Kostenentwicklung weiter zu entwickeln und zu etablieren, im Management sind diese zu verankern und auf der Ebene der Geschäftsführung ist das Credo "Einhaltung der Budgetvorgaben" ebenfalls noch nicht ganz überwunden.
Auf einer Skala von 1 (command-and-control) bis 10 (empowerment), wo würdest Du Dein Unternehmen in einem Management-Modell verorten?
Eine Einstufung auf einer Skala finde ich immer etwas schwierig. Wir wollen uns aber klar Richtung Empowerment weiterentwickeln. Im Jahr 2022 wurden auch die Unternehmenswerte überabeitet. Diese lassen sich kurz mit COACH (Collaborative, Open, Agile, Committed, Human) zusammenfassen. Das passt auch wunderbar mit unserem Ansatz in der finanziellen Führung zusammen, welcher mehr auf Selbstverantwortung setzt anstatt "Command-and-Control".