Prof. Dr. rer. pol. Hanno Kirsch
Rz. 46
Für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte (z. B. Software, Entwicklungskosten, Mastertonträger oder Masterfilme) besteht nach IFRS grundsätzlich eine Aktivierungspflicht, sofern die nachstehenden Bedingungen erfüllt sind:
- technische Realisierbarkeit der Fertigstellung des immateriellen Vermögenswertes, damit er genutzt oder verkauft werden kann,
- Absicht des Unternehmens, den immateriellen Vermögenswert fertigzustellen und ihn zu nutzen oder zu verkaufen,
- Fähigkeit des Unternehmens den immateriellen Vermögenswert zu nutzen oder zu verkaufen,
- voraussichtlich künftiger ökonomischer Nutzen des immateriellen Vermögenswertes (z. B. Vorhandensein eines Marktes für den immateriellen Vermögenswert oder Nachweis des Nutzens des immateriellen Vermögenswerts bei beabsichtigter interner Nutzung),
- Vorhandensein technischer, finanzieller und sonstiger Ressourcen, sodass die Entwicklung abgeschlossen werden kann und der immaterielle Vermögenswert genutzt oder verkauft werden kann und
- zuverlässige Bestimmung der während der Entwicklung anfallenden Herstellungskosten des immateriellen Vermögenswertes.
Darüber hinaus ist gemäß IAS 38.118 für jede Gruppe immaterieller Vermögenswerte nochmals zu unterscheiden, ob die in dieser Gruppe zusammengefassten immateriellen Vermögenswerte eine begrenzte oder eine zeitlich unbestimmte Nutzungsdauer haben. Unter Berücksichtigung der Aktivierungsverbote von IAS 38.48, IAS 38.63 und IAS 38.69 ergibt sich folgende Grundstruktur für die möglicherweise aufzubauenden Entwicklungsrechnungen:
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Selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte |
Angeschaffte immaterielle Vermögenswerte |
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Begrenzte Nutzungsdauer |
Unbestimmte Nutzungsdauer |
Begrenzte Nutzungsdauer |
Unbestimmte Nutzungsdauer |
Geschäfts- oder Firmenwert |
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× |
Markennamen |
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× |
× |
Drucktitel, Verlagsrechte |
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× |
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Kundenlisten |
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× |
× |
Computersoftware |
× |
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× |
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Lizenzen und Franchiseverträge |
× |
(×) |
× |
(×) |
Urheberrechte |
× |
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× |
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Rezepte, Geheimverfahren |
× |
× |
× |
× |
Immaterielle Vermögenswerte in Entwicklung |
× |
× |
× |
× |
Tab. 6: Immaterielle Vermögenswerte, Grundstruktur der Entwicklungsrechnung
Für jede bedeutende Kategorie selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens ist eine Entwicklungsrechnung der Brutto-Herstellungskosten sowie der korrespondierenden Wertberichtigungen aufzustellen.
Rz. 47
Falls der nach HGB-Bilanzierende sich für die Ausübung des Aktivierungswahlrechts in § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB entscheidet, so hat er für diese immateriellen Vermögensgegenstände zwar ebenfalls Anlagenentwicklungsrechnungen gem. § 284 Abs. 3 HGB aufzustellen; allerdings geht der Differenzierungsgrad der Anlagenentwicklungsrechnungen bei IFRS über das Handelsrecht hinaus, da die Anlagenentwicklungsrechnungen nach einzelnen Gruppen immaterieller Vermögenswerte anzulegen sind.
Sofern der HGB-Bilanzierende sich nicht für die Aktivierung von Aufwendungen für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände entscheidet (insbesondere zwecks Vermeidung einer Differenz zur Steuerbilanz; vgl. § 5 Abs. 2 EStG), ist hingegen dauerhaft die zusätzliche Einrichtung entsprechender Anlageentwicklungsrechnungen unerlässlich.
Rz. 47a
Darüber hinaus müssen im Zusammenhang mit der Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände und zur Erfüllung der Angabepflicht des IAS 38.126, nach der die im Abschluss als Aufwand erfassten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen offenzulegen sind, folgende Aufwands- und Ertragskonten eingerichtet werden:
- Erträge aus der Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte;
- sonstige betriebliche Erträge, Gewinne aus dem Abgang selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte;
- Wertaufholungen auf selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte;
- sonstige betriebliche Aufwendungen, Verluste aus dem Abgang selbst geschaffener immaterieller Vermögenswerte;
- planmäßige Abschreibungen auf selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte;
- Wertminderungsaufwand auf selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte;
- Forschungs- und Entwicklungsaufwand.
Demgegenüber muss für HGB-Rechnungslegungszwecke allein im Falle der Nutzung des Aktivierungswahlrechts für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände im Anhang der Gesamtbetrag der Forschungs- und Entwicklungskosten des Geschäftsjahrs und der davon auf die selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens entfallende Betrag angegeben werden. Allerdings gehen DRS 20.50 und der weit überwiegende Teil der Kommentierung davon aus, dass auch bei Verzicht auf die Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens die Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung – zumindest der Größenordnung nach – im Lagebericht anzugeben sind.