Statistische Daten oder Schätzungen verwenden
Die erste Frage "Wie groß ist die Kundengruppe und wie groß ist ihr Bedarf?" wird am leichtesten mit Daten aus statistischen Erhebungen beantwortet. Sind solche Informationen zu teuer oder nicht verfügbar, so muss geschätzt werden. Ziel ist nicht eine vermeintlich exakte Zahl, sondern die richtige Größenordnung.
Eine einfache und bewährte Methode ist, die unbekannte Gesamtgröße in Teilgrößen zu zerlegen, die sich einzeln leichter schätzen lassen als die Gesamtgröße. Im Idealfall lässt sich von einer bekannten Basis starten. Die Qualität der Schätzung wird wesentlich durch drei Dinge bestimmt: das Vorgehen in kleinen Schritten, die Absicherung wichtiger Teilgrößen und die Offenlegung der Annahmen. So entsteht ein Gefühl für das der Schätzung innewohnende Risiko.
Marktgröße für Babywindeln
Procter & Gamble, Hersteller von Pampers, hat auf folgende Art und Weise den Verbrauch von Papierwindeln in der Schweiz geschätzt:
Basis: Bevölkerung der Schweiz: 7,3 Mio. (Bundesamt für Statistik)
- Annahme: Das Durchschnittskind trägt 2 Jahre lang Windeln (Eltern fragen).
Basis: Die durchschnittliche Lebenserwartung in der Schweiz beträgt 80 Jahre (Geografie-Lehrbuch).
- Berechnung: Die Zahl der Windeln tragenden Kinder in erster Annäherung beträgt 2/80 = 2,5 % der Bevölkerung oder rund 180.000.
Verfeinern der Annahme: Die Bevölkerung ist altersmäßig nicht gleich verteilt (Zwiebelfunktion), d. h., einerseits nimmt die Zahl der Menschen pro Jahrgang mit zunehmendem Alter ab, andererseits ist die Geburtenrate zurzeit sehr niedrig. Nehmen wir an, die beiden Effekte gleichen sich in etwa aus; die Unsicherheit dokumentieren wir mit der Bandbreite von 160.000 – 200.000 Windelträgern.
- Annahme: Windelverbrauch je Tag (wieder Eltern fragen): 5 – 7 Windeln
Resultat: Der geschätzte tägliche Windelverbrauch in der Schweiz beträgt 0,8 – 1,4 Mio.
Tatsächlicher Wert: 1,15 – 1,25 Mio.
Bedarfe definieren und planen
Schwieriger ist die zweite Frage nach der Entwicklung im Zeitablauf, zu beantworten. Unterschiedliche Arten von Bedarf (z. B. Bedarf des Kunden nach Mobilität, Unterhaltung, Befriedigung von Sammelleidenschaft etc.) sind im Zeitablauf unterschiedlich stabil. Können wir die Art des Bedarfs benennen und dessen Nachhaltigkeit abschätzen? Das Geschäftsmodell sollte idealerweise für eine Reihe von Jahren tragfähig sein. Abhängig vom Investitionsbedarf und den Mittelrückflüssen sollten fünf Jahre nicht unterschritten werden.
Forschungsintensive Branchen wie z. B. Pharma oder Biotechnologie können in diesem kurzen Zeitraum ihr Geld nicht zurückverdienen. Das gilt entsprechend auch für Branchen mit hoher Kapitalbindung, z. B. die Energiebranche. Man denke nur an die Diskussion über die Restnutzungsdauer von Atomkraftwerken.
Abb. 5: Der Lebenszyklus unterstützt die Planung
Bedarf und Produktlebenszyklus abstimmen
Ob der Bedarf längerfristig existiert, hängt auch von möglichen Alternativen ab, die dem Kunden zur Verfügung stehen (vgl. Abb. 8). Um die Absatzentwicklung abzuschätzen, muss weiterhin geklärt werden, wie sich der Lebenszyklus aktueller Produkte verhält. Bei einer Produktinnovation muss dann überlegt werden, welche Änderungen sich aufgrund der Neuartigkeit der Leistung gegenüber dem bisherigen, typischen Branchenverlauf ergeben. Insbesondere auf das Angebot ergänzender Leistungen ist zu achten.
So war die Nachfrage nach Personalcomputern in der Anfangszeit stark vom Angebot an Programmierleistung abhängig. Die Hardware benötigt die komplementäre Leistung Software.
Daneben gibt es die gleichen Fragen, die auch im Rahmen der Planung gestellt werden:
- Gibt es langfristige Trends wie z. B. das Wirtschaftswachstum?
- Sind daneben mittelfristige Trends bekannt, die um den langfristigen Trend schwanken, wie z. B. der Konjunkturzyklus?
So kann der Bedarf an einem hochwertigen Produkt mit steigendem Einkommen langfristig wachsen, aber eine Konjunkturschwäche könnte für eine Übergangszeit dazu führen, dass die Kunden in der nächsten Zeit preiswertere Angebote bevorzugen.