Prof. Dr. Werner Gleißner
Die Qualität unternehmerischer Entscheidungen ist abhängig von der Qualität der zugrundeliegenden Informationen. Zur Vermeidung von Sorgfaltspflichtverletzungen ist gesetzlich geboten, bei der Vorbereitung "unternehmerischer Entscheidungen" sich auf angemessene Informationen zu stützen, das schließt insbesondere Aussagen über die mit der Entscheidung verbundenen Chancen und Gefahren (Risiken) ein. Entsprechend ist es empfehlenswert, ein "entscheidungsorientiertes Risikomanagement" aufzubauen, das bei der Vorbereitung von Entscheidungen durch Risikoanalysen mitwirkt. Um die Managementsysteme effizient und unbürokratisch im Hinblick auf die Fähigkeit der Vorbereitung von Entscheidungen durch Vorstände und Geschäftsführer zu verbessern – und dabei auch das Risikomanagement entscheidungsorientiert auszurichten – sind folgende Ansatzpunkte hilfreich:
- Ein bereits vorhandenes Risikomanagementsystem sollte im Hinblick auf die Anforderungen auch aus der Business Judgement Rule geprüft werden, wofür die Prüfkriterien nach dem neuen deutschen Risikomanagement-Standard "DIIR Revisionsstandard Nr. 2" hilfreich sein können.
- Unternehmen sollten klar definieren, welche "unternehmerischen Entscheidungen" in Vorstand und Geschäftsführung getroffen werden, um mindestens bei diesen jeweils eine angemessene Entscheidungsgrundlage (mit angemessenen Informationen) sicherzustellen.
- Es sollte klar geregelt sein, welche Informationen grundsätzlich (und belegbar) bei unternehmerischen Entscheidungen in den Entscheidungsvorlagen enthalten sein müssen, wobei insbesondere die zentrale Bedeutung von Informationen über die mit der Entscheidung verbundenen Chancen und Gefahren (Risiken) zu beachten ist.
- Die internen Prozesse sollten so ausgerichtet werden, dass möglichst effizient adäquate Entscheidungsvorlagen erstellt werden, was insbesondere eine "entscheidungsorientierte Ausrichtung" von Controlling und Risikomanagements erfordert.
Es ist wichtig noch einmal zu betonen, dass alleine das Eintreten eines Risikos, das zu negativen Planabweichungen geführt hat, nicht als Sorgfaltspflichtverletzung bei einer Entscheidung aufgefasst werden kann. Risiken, die mit unternehmerischen Entscheidungen unvermeidlich verbunden sind, können sich auch realisieren. Ein Indiz für eine Sorgfaltspflichtverletzung infolge einer unzureichenden Entscheidungsvorlage (speziell unzureichenden entscheidungsvorbereitenden Risikoanalysen) ist gegeben, wenn
- ein in der Entscheidungsvorlage nicht genanntes Risiko zu negativen Planabweichungen und Verlusten führt (in Folge einer fehlenden systematischen Risikoidentifikation) und/oder
- negative Planabweichungen durch Risiken in einem so hohen Umfang eingetreten sind, der durch die Risikoanalyse bei der Entscheidungsvorbereitung nicht zu erklären ist (der Umfang der Verluste also größer ist als der Risikoumfang).
Diese zu prüfen ist Aufgabe einer Planabweichungsanalyse: keine Planabweichung ohne zugrunde liegendes Risiko.
Im Ergebnis wird aus der Business Judgement Rule ein Sachverhalt klar: Unternehmerische Entscheidungen sind mit Risiko verbunden. Kein Geschäftsführer oder Vorstand haftet für das Pech, das die mit seinen Entscheidungen – z. B. bezüglich Investitionen oder Produktneuentwicklungen – verbundenen Risiken sich auch einmal realisieren können (und Verluste zur Konsequenz haben können). Sorgfaltspflichtverletzungen liegen aber dann vor, wenn "unternehmerische Entscheidungen" nicht auf angemessenen Informationen basieren, also insbesondere in den Entscheidungsvorlagen nicht klargestellt wird, welche Chancen und Gefahren mit der Entscheidung verbunden sind.
Implikationen ergeben sich für das Risikomanagement und auch für das Controlling. Meist ist nämlich das Controlling die Instanz für die Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen und damit verantwortlich für die Erstellung von Entscheidungsvorlagen, die für solche Managemententscheidungen unter Unsicherheit erforderliche "angemessene Informationen" enthalten. Da zu diesen Informationen insbesondere Informationen über die mit der Entscheidung verbundenen Risiken gehören, ist es notwendig, dass das Controlling entweder Risikoanalysen des Risikomanagements einbezieht oder selbst durch eigene Risikoanalysen zeigt, wie sich der Risikoumfang des Unternehmens infolge einer Entscheidung verändern würde.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass insbesondere die für den Erfolg des Unternehmens besonders wesentlichen "unternehmerischen Entscheidungen" von Geschäftsführern und Vorständen adäquat vorbereitet und die Ergebnisse der Entscheidungsvorbereitung in Entscheidungsvorlagen dokumentiert werden sollten. Die gesetzlichen Anforderungen aus der Business Judgement Rule (§ 93 AktG) sind als Mindestanforderungen für die Entscheidungsvorbereitung zu interpretieren und sind entsprechend insbesondere für das Controlling von Bedeutung. Ökonomisch und juristische Anforderungen an die Entscheidungsvorbereitung sind weitgehend deckungsgleich.