Abb. 1 gibt einen generischen Überblick über die Schritte eines guten Entscheidungsprozesses.
Abb. 1: 9 Schritte eines guten Entscheidungsprozesses
3.1 Schritt 1: Entscheidungsbedarfe erkennen
Entscheidungsbedarfe entstehen aus Engpässen (wie bspw. Kosten zu hoch, Qualität nicht gut genug, Durchlaufzeit zu lang oder Kapazität zu niedrig), aus Strategien oder – und diesem Thema sollte man im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie in Zukunft mehr Beachtung schenken – aus der Prävention, d. h. der Vermeidung zukünftiger Probleme. Diese Entscheidungsbedarfe können top-down oder bottom-up festgestellt werden. Für Controller sind hier 3 Beiträge denkbar und wünschenswert.
- Sie können und sollten sich, wie alle Mitarbeiter eines Unternehmens, einbringen, wenn es darum geht, Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dabei sollte die Messlatte für Controller hier etwas höher liegen, da Controller bezüglich der verfügbaren Daten ja sozusagen an der Quelle sitzen. Von daher sollten ihnen durch ihre Analysen und kritischen Fragen grundsätzlich mehr Verbesserungsansätze auffallen.
- In großen Organisationen besteht bei Mitarbeitern mitunter Unkenntnis darüber, wie man einer Idee oder einem Thema in der Organisation Gehör verschaffen und es anschließend voranbringen kann, d. h. zunächst einmal entscheidungsfähig aufbereiten kann. Bei dieser Aufgabe, die auch als "Issue Selling" bezeichnet wird, können und sollten Controller aktiv unterstützen.
- Der dritte Beitrag besteht in der oben erwähnten Prävention, für die Dan Heath den Begriff "Upstream" geprägt hat. Beim Upstream-Denken und -Handeln geht es um Maßnahmen, die entweder verhindern sollen, dass Probleme entstehen oder die das Schadensausmaß bei deren Eintreten reduzieren sollen. Es ist eine Richtung, kein Ziel. Das Gegenteil hiervon sind Downstream-Maßnahmen. Diese werden ergriffen, um bereits bestehende Probleme zu lösen. Upstream bezeichnet also ein Denken und Handeln, das grundsätzlich aus dem Risikomanagement bekannt ist: Upstream Maßnahmen werden dort als "Mitigation Actions" bezeichnet. Dieser Denkansatz aus dem Risikomanagement muss zukünftig viel stärker in den Vordergrund rücken. Dies wird vermutlich auch eine der wichtigen Lehren aus der COVID-19-Pandemie sein. Es gab im Jahr 2013 einen Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz, der u. a. ein Kapitel zur Risikoanalyse "Pandemie durch Virus Modi-SARS" enthielt. Das Kapitel liest sich wie ein Blueprint der aktuellen Pandemie, sodass sich die Frage aufdrängt, weshalb auf Basis dieser Analyse nicht einmal so elementare Präventionsmaßnahmen wie die Bevorratung mit Schutzkleidung ergriffen wurden.
Was können Controller zum Upstream-Denken und -Handeln beitragen?
- Das o. a. Beispiel zeigt ein grundlegendes Problem von Upstream Maßnahmen: Wie misst man Erfolg, wenn etwas nicht passiert? Die Kosten für die Beschaffung von Schutzkleidung kann man leicht ermitteln. Wie aber bewertet man den Nutzen, der sich aus der Tatsache ergibt, dass ausreichend Schutzkleidung vorhanden ist? Aufgrund ihrer Kompetenz zum Thema Erfolgsmessung sind hier die Controller gefragt, sich mit dem Thema intensiver auseinanderzusetzen und Lösungsansätze zu entwickeln.
- Ein weiterer direkter Beitrag, insbesondere in Zeiten von Big Data, ist die Auseinandersetzung mit der Frage, für welche Zwecke Daten erhoben und verwendet werden. Für Zwecke der Kontrolle oder für Zwecke des Lernens?
- Upstream-Themen müssen überhaupt ihren Platz auf der Agenda der zu treffenden Entscheidungen finden. Uns Menschen fehlt die mentale Bandbreite, uns um alle Themen zu kümmern. Wenn die Anzahl der Probleme, die wir gleichzeitig bewältigen müssen unsere Kapazität übersteigt, neigen wir zu kurzfristigem, reaktiven Denken und Handeln, zur sog. "Tunnelvision". Upstream-Denken und -Handeln aber ist das Gegenteil. Es ist präventiv und proaktiv. Und es ist in der Regel nicht dringend. Controller sollten dazu beizutragen, dass Organisationen ihren Mindset in Richtung Upstream-Denken erweitern und sich dafür einsetzen, dass Entscheider auf ihrer Agenda Zeit für Upstream-Arbeit reservieren.
3.2 Schritt 2: Situation analysieren und Problem formulieren
Dieser Schritt stellt häufig eine Schwachstelle in Entscheidungsprozessen dar: Entscheider möchten ihre Tatkraft und Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen, sodass man mitunter zur Lösung eilt, bevor man das Problem richtig verstanden hat – was dann wiederum das hinlänglich bekannte Risiko birgt, die falschen Probleme zu lösen.
Bei diesem Schritt sind 5 Dinge zu tun.
- Verstehen, was genau das Problem ist. Dazu gehört auch, wie man es auch vom Projektmanagement her kennt, den Umfang (Scope) zu definieren, d. h. ihn zu begrenzen.
- Klärung der Frage "Warum ist das Problem ein Problem?" Also die Frage worum es bei der Entscheidung überhaupt geht.
- Die Perspektive auf das Problem zu ermöglichen, da es für eine gute Problemlösung unabdingbar ist, das Problem aus möglichst vielen Perspektiven zu betrachten. Dazu gehören nicht nur verschiedene fachliche Perspektiven (d. h. die der unterschied...