4.1 Klarstellendes BMF-Schreiben
Im Bund/Länderbeschluss v. 19.1.2021 wurde unter Tz. 8 angekündigt, dass bestimmte digitale Wirtschaftsgüter rückwirkend zum 1.1.2021 sofort abgeschrieben werden können. Die Umsetzung sollte "untergesetzlich"geregelt.
Die "untergesetzliche Regelung" wurden in Gestalt eines BMF-Schreibens umgesetzt. Die Ausführungen des BMF-Schreibens wurden in der Literatur zum Teil unterschiedlich interpretiert. Die Finanzverwaltung hat in einem klarstellenden Schreiben- wohl zur Beseitigung von Missverständnissen – ihre Sichtweise präzisiert.
In dem genannten aktualisierten BMF-Schreiben befasst sich die Finanzverwaltung mit der
- Nutzungsdauer von Computerhardware und Software (Rn. 1 – 1.4),
- dem Umfang und der Bestimmung des Begriffs "Computerhardware", die folgende Wirtschaftsgüter umfasst: Computer, Desktop-Computer, Notebook-Computer, Desktop-Thin-Clients, Workstations, Dockingstations, externe Speicher- und Datenverarbeitungsgeräte (Small-Scale-Server), externe Netzteile sowie Peripheriegeräte (Rn. 2 – 3),
- erforderlichen EU-rechtlichen Herstellerkennbezeichnung der Computerhardware (Rn. 4),
- Definition des Begriffs "Software" (Rn. 5).
4.2 Betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr
Für die nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG anzusetzende Nutzungsdauer "kann" für die in Rn. 2 ff. des BMF-Schreibens aufgeführten materiellen Wirtschaftsgüter "Computerhardware" sowie die in Rn. 5 näher bezeichneten immateriellen Wirtschaftsgüter "Betriebs- und Anwendersoftware" eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden.
Das BMF stellt klar, dass die betroffenen Wirtschaftsgüter weiterhin § 7 Abs. 1 EStG (also der AfA) unterliegen. Die "Möglichkeit", eine kürzere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zugrunde zu legen, stellt keine besondere Form der Abschreibung, keine neue Abschreibungsmethode und keine Sofortabschreibung dar; bei der Anwendung der kürzeren Nutzungsdauer handelt sich zudem nicht um ein Wahlrecht i. S. d. § 5 Abs. 1 EStG.
Auch bei angenommener Nutzungsdauer von einem Jahr beginnt die Abschreibung im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung. Die Wirtschaftsgüter müssen in das nach R 5.4 EStR 2012 zu führende Bestandsverzeichnis aufgenommen werden. Der Steuerpflichtige kann von der "Annahme" der einjährigen Nutzungsdauer abweichen und andere steuerlich zulässige Abschreibungsmethoden anwenden.
Es wird nicht beanstandet, wenn abweichend von § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG die Abschreibung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe vorgenommen wird.
Unterjährig angeschaffter PC
Gewerbetreibender A erwarb Anfang April 2022 einen PC für 1.500 EUR. Die Anschaffungskosten müssen nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG in Höhe von 9/12 (1.125 EUR) auf 2022 und 3/12 (375 EUR) auf das Jahr 2023 verteilt werden. Verwaltungsseitig wird nicht beanstandet, wenn die Anschaffungskosten in voller Höhe im Jahr der Anschaffung (2022) im Wege der AfA abgesetzt werden.
Vornahme von AfA auf Wirtschaftsgüter mit einer Nutzungsdauer von nicht mehr als einem Jahr
Die Auffassung der Finanzverwaltung, dass bei einer anzunehmenden Nutzungsdauer von einem Jahr die AfA-Vorschriften anwendbar sind, erstaunt. Denn nach der Rechtsprechung des BFH sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts nur dann nach § 7 EStG zu verteilen, wenn die gesamte Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts einen Jahreszeitraum i. S. eines Zeitraums von mehr als 365 Tagen überschreitet. Derartige kurzlebige Wirtschaftsgüter unterliegen nicht der AfA, sondern stellen in voller Höhe sofort abziehbare Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) dar. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von kurzlebigen Wirtschaftsgütern sind auch dann in voller Höhe im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung abzuziehen, wenn sie in der 2. Hälfte des Wirtschaftsjahrs angeschafft oder hergestellt werden und ihre Nutzungsdauer über den Bilanzstichtag hinausreicht. Die Ansicht der Finanzverwaltung kann daher nur als Billigkeitsregelung angesehen werden, die einen sofortigen Abzug von Aufwendungen für die in Rede stehenden sog. digitalen Wirtschaftsgüter ermöglichen soll.
4.3 Anwendungsregelung
Die Grundsätze des neuen BMF-Schreibens finden erstmals Anwendung in Gewinnermittlungen für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 enden. In Gewinnermittlungen nach dem 31.12.2020 können die Grundsätze dieses Schreibens auch auf entsprechende Wirtschaftsgüter ange...