Dr. Philipp Thiele, Dr. Jan Christoph Munck
Industrie 4.0 (nachfolgend I4.0) stellt für die Produktion einen sukzessiven Paradigmenwechsel dar, der im Besonderen für das Controlling sowohl neue Chancen und somit auch Handlungsfelder nach sich zieht. So bieten beispielsweise neue Manufacturing Execution Systems (MES) und Predictive Analytics dem Controller in der I4.0 die Chance zur Bestimmung und Evaluation von wichtigen Kennzahlen in Echtzeit. Auch eröffnet Big Data die Möglichkeit zur Generierung differenzierterer Voraussagen über zukünftige Entwicklungen und Sachverhalte. In einer aktuellen Studie des Internationalen Controller Vereins (ICV) sagen die befragten Controller vor allen Dingen in den Prozessbereichen Forecast, Management Reporting, Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung, Betriebswirtschaftliche Beratung und Führung sowie Weiterentwicklung der Organisation, Prozesse, Instrumente und Systeme mehrheitlich einen sehr großen Einfluss von I4.0 auf das Controlling der Zukunft voraus.
Rollenwandel als Ausgangspunkt für Weiterentwicklung von Controller-Kompetenzen
Bisherige Forschungsergebnisse legen nahe, dass sich im Zuge der genannten Veränderungen in den Controllingprozessen durch I4.0 auch die Rollenprofile und Kompetenzfelder von Controllern wandeln werden. So prognostizieren erste Untersuchungen für den Controller in der I4.0 allgemein steigende Kompetenzanforderungen hinsichtlich der fachlichen Kompetenzen Instrumentenkenntnis und Analysefähigkeit (s. Abb. 1). Ebenfalls werden steigende Anforderungen für soziale Kompetenzen, wie die Kommunikationsfähigkeit, vorausgesagt. Auch den heutigen Schlüsselkompetenzen Standfestigkeit und Verhaltenskenntnis wird in der I4.0 eine hohe Bedeutung zugesprochen.
Abb. 1: Mehrheitsprognosen über Veränderungen der Kompetenzanforderungen an den Controller in der I4.0
Kein systematischer Umgang mit Controller-Kompetenzen
In der Controlling-Forschung liegt mit dem Controller-Kompetenzmodell der International Group of Controlling (IGC) ein praxisnahes Instrumentarium vor, um die erforderlichen und vorhandenen Kompetenzen der heutigen Controller differenziert nach unterschiedlichen Funktionsbereichen im Unternehmen zu untersuchen und zu evaluieren. Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass in vielen Unternehmen und Organisationen noch immer kein systematischer Umgang mit Controller-Kompetenzen stattfindet.
Digitalisierung und I4.0 verschärfen den Weiterentwicklungsbedarf
Ein systematischer Umgang mit Controller-Kompetenzen ist jedoch dringend erforderlich, um im Controlling-Bereich gut für die Veränderungsprozesse im Zuge von I4.0 gerüstet zu sein. Unter Berücksichtigung der oben genannten Entwicklungen ist es notwendig, Kompetenzmodelle weiterzuentwickeln, um den Unternehmen wirksame Tools für die bessere Planung des Übergangs zur I4.0 zu liefern und eine funktionsspezifischere Personalrekrutierung, Aus- und Fortbildung sowie Leistungsmessung von Controllern in der I4.0 zu ermöglichen.
Gezielte Weiterentwicklung durch funktionsspezifisches Kompetenzmodell
Hieran anknüpfend liefert der vorliegende Artikel einen Beitrag zur funktionsspezifischen Weiterentwicklung des IGC-Kompetenzmodells im Bereich Werkscontrolling. Ziel des Beitrages ist es, basierend auf dem bisherigen IGC-Kompetenzmodell des Werkscontrollers Veränderungen in Bezug auf seine zukünftig benötigten Kompetenzen in der I4.0 vor dem Hintergrund bisheriger Praxisstudien aufzuzeigen. Hierdurch soll das IGC-Kompetenzmodell des Werkscontrollers an das zukünftige Produktionsumfeld der I4.0 angepasst werden. Dazu wird in Kapitel 2 zunächst die Konzeption des Controller-Kompetenzmodells der IGC vorgestellt und das bisherige IGC-Kompetenzmodell des heutigen Werkscontrollers dargelegt. In Kapitel 3 werden anschließend ausgehend von prognostizierten Entwicklungen im Funktionsbereich des Werkscontrollers in der I4.0 zukünftige Veränderungen in Bezug auf die Aufgabenfelder, Rollenbilder und Kompetenzen aufgezeigt und das IGC-Kompetenzmodell angepasst.