Alexander Schlüter, Deborah Nasca
Bis zum Einstieg der Investoren ist die Etablierung der Produkte und der Marke das oberste strategische Ziel. Bereits in der Gründungsphase besitzt die Firma ein Minimum Viable Product (MVP), wodurch eine erfolgreiche Platzierung des Produktes am Markt möglich gewesen ist. Daher fokussierte man sich bereits frühzeitig auf eine Marktdurchdringung. Das Engagement in den ausländischen Märkten ist weniger ausgeprägt. Zwar befinden sich zwei weitere Vertriebsstandorte in den USA und Singapur, diese tragen jedoch einen sehr geringen Teil zum Gesamtumsatz bei.
Als Software-as-a-Service-(SaaS)-Anbieter setzt sich der Umsatz der Signavio GmbH zu mehr als 90 % aus jährlich wiederkehrenden Umsätzen oder Abonnements zusammen. Die Eigenschaft des Geschäftsmodells sowie die frühzeitige Gewinnung von Großkunden bringt die Firma in eine gesicherte Liquiditätsposition. Dennoch ist die Liquiditätssicherung das wichtigste finanzielle Ziel in der Seed-Phase, um auch die beiden Auslandsstandorte finanzieren zu können.
Signavio verfügt in dieser Phase über vier gleichrangige Abteilungen: Engineering, Sales, Marketing, Customer Service. Der Grad der Formalisierung ist gering. So versendet der Vertrieb bspw. Angebote, ohne formale Freigaben für Rabatte oder Produktkombinationen vorab einzuholen.
Die flache Hierarchie ist aufgrund der maximalen Anzahl von 100 Mitarbeitern sehr zweckdienlich und ermöglicht schnelle Entscheidungen. Kommunikationen zwischen den Beteiligten finden interdisziplinär statt (s. auch Abb. 11). So stimmt die Geschäftsführung mit den Engineering-Teams die Entwicklung neuer Produktkomponenten ab. Die direkte Kommunikation über alle Ebenen schafft einen erheblichen Freiheitsgrad in der Durchführung von operativen Maßnahmen. Eine Gremienstruktur ist in dieser Phase nicht vorhanden und auch nicht erforderlich.
Abb. 11: Entscheidungsstruktur Seed-Phase
Das Reporting spielt in dieser Phase eine untergeordnete Rolle. Weder aus Unternehmenssicht noch aus Sicht externer Stakeholder gibt es Bedarf an einem umfangreichen Berichtswesen. Die externen Auswertungen beschränken sich auf die gesetzlich erforderlichen Jahresabschlüsse der Einzelgesellschaften sowie einige Wachstumskennzahlen für Marketingzwecke. Hauptmessgröße ist in dieser Phase die Liquidität. Die Zielgruppe für die erstellten Berichte ist klein und homogen. So werden die auf den Buchhaltungsdaten der Steuerberater erstellten Monatsberichte nur von den Gesellschaftern, welche auch gleichzeitig Geschäftsführer sind, verwendet, um einen Überblick über die Geschäftstätigkeit zu erhalten. Im Fokus der Betrachtung liegt dabei stets die Profitabilität und Liquidität, womit der Fortbestand der Firma sichergestellt wird.
Die Finanzfunktion beschränkt sich auf den organisatorischen Teil des Rechnungseingangs und -ausgangs. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigt Signavio keine gelernte Finanzfachkraft. Im Rahmen des Monatsabschlusses werden alle Belege für die jeweiligen Steuerberater in den Landesgesellschaften gesammelt und übermittelt. Der Steuerberater bucht diese dann in das jeweilige Buchhaltungssystem ein. Auch wenn technisch die Verteilung auf Bereiche oder entsprechende Kostenstellen möglich wäre, ist es zu diesem Zeitpunkt weder erforderlich noch erwünscht, da auch das notwendige Anwenderwissen in den Fachbereichen fehlt. Die Verteilung nicht direkt zuordenbarer Kosten wird, basierend auf den Sachkontenbuchungen, in einer separaten Excel-Tabelle für Auswertungszwecke vorgenommen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Abläufe in der Seed-Phase innerhalb der Signavio GmbH auf die operative Durchführung der Geschäftstätigkeit beschränkt haben. Eine nähere Analyse anfallender Kosten oder die Erstellung weiterer Berichte wurde nicht als notwendig betrachtet, da das interne Fachwissen fehlte und es zum anderen strategisch nicht erforderlich war.