Alexander Schlüter, Deborah Nasca
Die zuvor beschriebenen Aktivitäten bilden die traditionell dem Controlling zugeordneten Tätigkeiten ab. Das Aktivitätenfeld des Controllers innerhalb der grow platform geht allerdings über dieses Rollenverständnis hinaus. Der Controller nimmt die Rolle des kaufmännischen Business Partners ein, der gemeinsam mit den grow Start-Ups Lösungen auf der explorativen Suche nach dem richtigen Geschäftsmodell findet und umsetzt.
Durch die Integration der Controllingfunktion in die cross-funktionale Shared-Service-Organisation, dargestellt in Abb. 20, in der außerdem Personal, Kommunikation, CoWorking und das Portfolio-Management verankert sind, entstehen kurze Wege und eine einfache Zusammenarbeit über Funktionsgrenzen hinweg. Das Ziel, den zu unterstützenden grow Start-Ups ganzheitliche Lösungen zur Verfügung zu stellen, steht im Vordergrund und kann mit dieser Organisationsstruktur erreicht werden. Vor dem Hintergrund, dass grow Start-Ups für den Bosch-Konzern neue Wege gehen sollen, stellen sich nicht nur für die grow Start-Ups selbst, sondern auch für die Shared Service-Funktionen neue Herausforderungen. Diese sind oftmals nicht ausschließlich einer Funktion zuzuordnen sondern erfordern Zusammenarbeit und die Bereitschaft, den eigenen Funktionsbereich zu erweitern. Abb. 21 zeigt, dargestellt in Form eines Business Model Canvas, ausgehend vom Wertversprechen, welche Facetten die Controllingfunktion bei der grow platform beinhaltet.
Abb. 21: Business Model Canvas für Controlling bei grow
Ohne auf alle Details einzugehen wird deutlich, dass das Aufgabenfeld sehr breit gefächert ist. Um die Rolle ausfüllen zu können, wird daher weniger Spezialwissen verlangt. Vielmehr braucht es Allrounder, die über ein ausreichend großes Netzwerk verfügen und sich als Schnittstelle zu Experten sehen. Ein Vorteil, den die grow platform in diesem Zusammenhang nutzen kann, ist der Zugriff auf das gesamte Expertennetzwerk der Bosch-Gruppe.
Differenziert betrachtet lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Wertversprechen gegenüber den beiden internen Kunden grow Start-Ups und der Bosch-Gruppe als Budgetgeber, die wiederum die Rolle des Controllers prägen, ausmachen. Um Business Partner Controlling für grow Start-Ups sein zu können, muss der Controller möglichst eng mit den Start-Ups zusammenarbeiten. Es ist notwendig, dass das Geschäftsmodell verstanden wird, sodass mögliche kaufmännische Risiken frühzeitig erkannt werden können. Diese Beratung geht weit über die reine Controllingberatung hinaus. Auch muss davon ausgegangen werden, dass sich Geschäftsmodelle im Laufe der Zeit verändern können. Die Herangehensweise der grow Start-Ups provoziert diese Richtungsänderungen möglichst frühzeitig. Dies muss durch geeignete Controllinginstrumente, bspw. durch Planungsinstrumente, die sich ändernde Prämissen zulassen, begleitet werden. Andere Instrumente, die bspw. die Planungsqualität messen, müssen sehr bedacht eingesetzt werden. Auch muss Offenheit bezüglich der Suche, Umsetzung und Implementierung neuer Prozesse bspw. im Bereich Bezahlung und Rechnungsstellung bestehen. Somit werden Schnittstellenaufgaben zwischen Start-Up und IT-Abteilung sowie Prozess-Governance-Abteilungen übernommen. Voraussetzung für diese Art von Zusammenarbeit ist gegenseitiges Vertrauen. Daneben gehört auch die Bewertung der Geschäftsmodelle zur Aufgabe des Controllers. Durch die enge Zusammenarbeit mit den grow Start-Ups ist jedoch fraglich, inwiefern eine ausreichende Objektivität sichergestellt werden kann. Diese "Kill your own darling"-Problematik wird durch die implementierte Governance-Struktur aufgelöst.
Die Bosch-Gruppe, die gleichzeitig Budgetgeber und damit auch Leistungsempfänger ist, ist einer der wichtigsten Stakeholder der Gesellschaft. Die grow platform gewährleistet, wie im vorherigen Teil beschrieben, vor allem durch Reporting-Aktivitäten eine Planbarkeit des Gesamtportfolios. Dies wird zentral aus der Shared-Service-Organisation der grow platform, maßgeblich durch das Controlling, geleistet. Damit nimmt der Controller die Rolle eines verlässlichen Ansprechpartners ein, der sowohl Anforderungen der Bosch-Gruppe für grow Start-Ups übersetzt als auch vice versa. Daneben versteht sich die Shared Service Organisation, insbesondere das Controlling, als Schutzfunktion oder Filter für die grow Start-Ups, um nicht durch Anforderungen aus der Bosch-Organisation überrannt zu werden. Denn nur wenn sich die grow Start-Ups auf ihren eigentlichen Auftrag, Neugeschäft für Bosch zu entwickeln, konzentrieren können, können gute Ergebnisse erzielt werden.