Dr. Matthias Emler, Johannes Nawrath
Der Einsatz von prädiktiven Analytics allein bewirkt jedoch noch nicht, dass der Forecast eine höhere Prognosegüte erhält und mit geringerem Aufwand realisierbar ist. In dieser Sektion wollen wir die Erfolgsfaktoren für den Einsatz von prädiktiven Analytics näher beleuchten. Im Wesentlichen lassen sich die Faktoren, von denen ein erfolgreicher Einsatz prädiktiver Analytics abhängt, in 2 Kategorien einteilen:
- Stochastische Anforderungen: Statistische Anforderungen, die entscheiden, wie gut sich die Zielvariable mit "den richtigen" Daten vorhersagen lässt.
- Praktische Anforderungen: Praxisorientierte Anforderungen, die die "Machbarkeit" unter den gegebenen Rahmenbedingungen regeln.
3.1 Stochastische Anforderungen an den Erfolg prädiktiver Analytics
Stochastische Anforderungen liegen i. d. R. in der Natur der vorherzusagenden Daten und können vom Unternehmen nicht beeinflusst werden; praktische Anforderungen können hingegen vom Unternehmen (z. B. durch Ausbau der IT-Infrastruktur) direkt beeinflusst werden.
Mathematisch formuliert, stellen stochastische Anforderungen sicher, dass die Zufallsvariablen, welche einem Sample (d. h. einer konkreten Datenstichprobe) zugrunde liegen, gewisse Verteilungseigenschaften erfüllen, wie im Folgenden beschrieben.
Die Zielvariable hängt von vielen unabhängigen Ereignissen ab: z. B. hängt die Anzahl der Cheeseburger, die McDonald’s pro Tag verkauft, von der unabhängigen Entscheidung von Mio. Menschen ab, ob (oder auch ob nicht) sie an einem gegebenen Tag einen Cheeseburger kaufen. Folglich ist hier davon auszugehen, dass ein zugehöriger Forecast eine hohe Prognosegüte hat. Auf der anderen Seite hängen bei Unternehmen, welche nur sehr geringe Stückzahlen durch wenige Vertriebsmitarbeiter vertreiben, die Verkaufszahlen nicht von "vielen unabhängigen Ereignissen", sondern vom singulären Geschick der Sales-Mitarbeiter und dem individuellen Bedarf der wenigen Endkunden ab. Folglich wird ein Forecast mittels prädiktiver Analytics hier eher eine geringere Prognosegüte aufweisen.
Die Zielvariablen sind unterschiedliche Ausprägungen eines ähnlichen Sachverhalts: Dies ist z. B. der Fall, wenn alle McDonalds Filialen ein ähnliches Verteilungsmuster in ihrem täglichen Cheeseburger-Absatz besitzen und von ähnlichen Faktoren abhängen, wodurch sich der Absatz an Cheeseburgern je Filiale über ähnliche/den gleichen Algorithmus prognostizieren lässt.
Es ist bekannt, von welchen Einflussfaktoren die Zufallsvariable abhängt: Das wohl klassischste Negativ-Beispiel hierfür wäre die Vorhersage von Aktienkursen; z. B. hätte bis zu Elon Musk’s Ankündigung, Twitter zu kaufen, vermutlich niemand Musks Tweets in die Modellierung des Twitter-Kurses mit einbezogen.
Die Zielgrößen weisen keine unvorhersehbaren Sprünge auf: Z. B. ist davon auszugehen, dass eine Eisdiele an einem sehr touristischen, ganzjährig sonnigen Ort einen relativ konstanten Absatz an Eiskugeln hat. Eröffnet nun direkt neben der Eisdiele eine zweite ähnliche Eisdiele ist davon auszugehen, dass die Touristen sich eher zufällig zwischen den 2 Eisdielen entscheiden und sich der Absatz schlagartig in etwa halbiert. Diese Änderung innerhalb der Zeitreihe würde Anpassungen am Algorithmus nach sich ziehen. Für eine einzelne Eisdiele erscheint dies sicherlich trivial. Handelt es sich hierbei allerdings um einen Betreiber tausender Eisdielen, können zu viele Brüche durchaus zu einer erheblichen Erhöhung der Komplexität führen.
I. d. R. erfüllen B2C-Unternehmen aus marktstrukturellen Gründen eher die genannten stochastischen Anforderungen. Hierbei gibt es natürlich offensichtliche Ausnahmen: z. B. ist eine Brauerei, die keinen Direktvertrieb besitzt, sondern ihr Bier nur an Supermärkte und Restaurants/Bars verkauft, technisch gesehen ein B2B-Unternehmen. Die Marktstruktur eines solchen Unternehmens ist im Allgemeinen dennoch für einen Forecast mittels prädiktiver Analytics geeignet.
3.2 Praktische Anforderungen an den Erfolg prädiktiver Analytics
Werfen wir nun einen Blick auf die praktischen Anforderungen, die direkt vom Unternehmen beeinflusst werden können. Hierzu zählen vor allem folgende Bedingungen:
- Verfügbarkeit der Einflussfaktoren: Die benötigten Inputdaten zur Erstellung des algorithmischen Forecasts sollten mit geringem Aufwand verfügbar sein und automatisiert abgerufen werden können. Insbesondere kann ein zu hoher manueller Aufwand bei der Bereitstellung der Inputs oder zu hohe Kosten beim Einkauf von Daten die eigentlichen Effizienzvorteile des Algorithmus konterkarieren.
- Ausreichende Datenhistorie: Um den Algorithmus "zu trainieren" und die Parameter des Algorithmus auf den gegebenen Sachverhalt anzupassen, werden ausreichend historische Daten benötigt. Ausreichend Datenhistorie benötigt man außerdem zum Testen des Algorithmus – denn insbesondere durch ein plausibles, quantifizierbares Testen lässt sich innerhalb der Organisation leicht Vertrauen in den Algorithmus erzeugen, welches wichtig für die Akzeptanz des Algorithmus ist.
- Konzept zur Einbindung in den Unternehmenssteuerungsprozess: Ein Forecast mittels prädiktiver Analytics sollte als objektive Prognose der Zukunft be...