3.6.1 Fachliches und technisches Wissen integrieren
Mit Blick auf die im Kapitel vorher beschriebenen fachlichen Veränderungen, sollte schnell klarwerden, dass außer in wenigen Fällen, eine rein technische Migration kaum zielführend ist. Vielmehr empfiehlt sich ein fachlicher Projektansatz (technisch begleitet), der zunächst im Rahmen einer Machbarkeitsstudie den technischen und fachlichen Rahmen absteckt, die Ziele definiert und die Ausgangslage mit dem Zielbild abgleicht. Im Rahmen der Konzeptphase erfolgt dann die detaillierte Spezifikation aus technischer und fachlicher Perspektive, idealerweise integriert.
Für den CFO und seine Mitarbeiter bedeutet dies Anspruch und Chance zugleich. Der Anspruch besteht ganz klar darin, zum einen den Finanz-Wertefluss im eigenen Unternehmen vollständig zu verstehen. Vor dem Hintergrund der entstehenden Diversität verschiedener Geschäftsmodelle in einem Unternehmen, ggf. komplexer (mehrstufiger) Produktionsprozesse und teils komplexer Kooperationsmodelle ist das meist kein einfaches Unterfangen. Hinzu kommt ein gutes Verständnis des SAP-(System-)Werteflusses und der SAP-Funktionen. Ein gutes Konzept entsteht dann, wenn fachliche und technische Kompetenz gebündelt werden und es im Projekt wenigstens einige Schlüsselpersonen gibt, die beides sehr gut beherrschen.
Nur Fachkompetenz reicht nicht, da in einem solchen Fall Konzepte definiert werden, ohne Klarheit zu haben, wie diese umgesetzt werden können. Genauso wenig reicht rein technisches Wissen, da darüber zu wenig betriebswirtschaftlich optimierte Lösungsansätze entstehen.
Optimal ist ein fachliches Konzept, welches maximale Vorteile für Inhalte, Methoden, Prozesse und Organisation bietet und gleichzeitig nah am Systemstandard umgesetzt werden kann. Projektbeispiele aus der Praxis zeigen, dass das möglich ist. Leider gibt es aber auch viele Negativbeispiele (schon unter R/3), die dem Fachbereich viel Arbeit machen, schwerfällig sind und technisch massiv durch Zusatzprogramme und individuelle Programmierung "verbogen" sind.
Die Chance für den CFO und seinen Bereich liegt aber auch ganz klar in der Entwicklung seiner eigenen Organisation. So kann z. B. die Umstellung auf SAP S/4HANA massiv zur Qualifizierung genutzt werden. Das fachliche Verständnis kann genauso wie auch das technische Verständnis vertieft werden. Fehlendes Wissen kann dabei durchaus eingekauft werden, allerdings ist es dann wichtig die eigene Organisation so in Verantwortung zu bringen, dass neues Wissen aufgebaut werden kann und auch nach dem Projekt zur Verfügung steht.
3.6.2 Finance-Organisation optimieren
Prozesse evaluieren, Mitarbeiter qualifizieren
Ein weiterer Anspruch ergibt sich aus dem Betrieb der neuen Finance-Lösung. Accounting und Controlling müssen enger zusammenarbeiten, ein Prozess, der schon während des Projekts moderiert werden sollte und später auch organisatorisch zu lösen ist. Sollen neue analytische Funktionen im Berichtswesen genutzt werden, ggf. irgendwann auch komplexe Algorithmen zum Einsatz kommen, braucht es Mitarbeiter, mit entsprechenden Kompetenzen.
Im Abschlussprozess können auch Tätigkeiten in erheblichem Umfang wegfallen (wie zuvor beschrieben). Auch hier sind organisatorische Maßnahmen und Prozessanpassungen zu ergreifen, die schon während des Projekts vorzubereiten und dann konsequent anzugehen sind.
Die eigene Organisation kann schlanker und gleichzeitig leistungsfähiger werden. Zusätzlich könnten Mitarbeiter mit neuen Qualifikationen (z. B. Mathematiker) wichtig werden. Es bedarf eines Teams von Spezialisten, die komplexe Berichte betreuen und entwickeln. Gleichzeitig entfallen viele einfache transaktionale Tätigkeiten, die zukünftig das System erledigt.
3.6.3 Alternativen zur Systemeinführung
Greenfield vs. Brownfield
Auch auf der technischen Seite ergeben sich Fragestellungen, die zumindest ganz kurz gestreift werden sollen. So stehen grundsätzlich zwei Vorgehensweisen im Rahmen einer System-Neueinführung zur Verfügung:
- Der "Greenfield-Ansatz": D.h., hier wird ein neues System parallel zum bestehenden aufgebaut, quasi auf der "grünen Wiese", ohne etwaige "Vorbelastungen" durch das Altsystem, also ohne individuelle Programmierungen und dergleichen zu übertragen. Lediglich Vortragswerte werden dann zur Inbetriebnahme übernommen.
- Der "Brownfield-Ansatz": Hier wird ein bestehendes System migriert, d. h. Programme, Customizing-Einstellungen und auch alle Daten werden in das neue System übernommen, welches dann ggf. noch weitere Anpassungen und Veränderungen erfährt. Basis ist also das "braune Feld" welches quasi schon vorstrukturiert ist und dann weiter angepasst werden muss.
Die Vor- und Nachteile beider Ansätze sind schnell aufgezählt (s. Abb. 6). Der Greenfield-Ansatz erlaubt es, ein System ohne "Altlasten" aufzusetzen. Vielfach sind Systeme historisch gewachsen und so manche Programmierung und Modifikation wurde vorgenommen, die dann die Wartung über die Jahre zunehmend schwerer gemacht hat. Gerade aus Gründen der schnellen Weiterentwicklung des zukünftigen Systems und des kostengünstigen und reibungslosen Betriebs, wird empfohlen, SAP S/4HANA möglich...