Andreas Kirchberg, Daniel Müller
Massive Veränderung der Organisation und Prozesse
Prozesse im Finanzbereich werden zunehmend automatisiert. Für Prozesse im Accounting betreiben viele Unternehmen schon seit Jahren umfangreiche Anstrengungen, diese zu automatisieren. Scanning, OCR, Workflows sind mittlerweile erprobter und erfolgreicher Standard in vielen Unternehmen.
Diese Automatisierungsbemühungen werden auf weitere Prozesse des Finanzbereiches ausgeweitet. Bisher waren stark transaktionale Prozesse im Fokus (z. B. die Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung).
Auf der Basis von zum Teil extern angestoßenen Standardisierungsbemühungen wie der Einführung der E-Bilanz, lassen sich auch substantielle Effizienzpotenziale in Prozessen wie den Monats- oder den Jahresabschluss heben. Viele Treasury-Aktivitäten wie das Zero Balancing lassen sich weitestgehend automatisieren.
Im Accounting lassen sich alle Tätigkeiten automatisieren, die:
- transaktional (seit vielen Jahren der Fokus),
- transaktional, aber durch Systembrüche getrennt (bisher technische Hürden), oder
- nicht transaktional, aber regelbasiert (bisher wegen geringer Wiederholungsrate oder vermeintlich zu komplexen Regeln nicht automatisiert)
sind.
RPA bedeutet einen Quantensprung im Bereich Automatisierung
Darüber hinaus waren Controllingprozesse bisher wenig durch Automatisierung unterstützt, hier bieten sich die größten Potenziale im Reporting und dem Planungsprozess. Neue Technologien, wie Robotic Process Automation (RPA), bieten neue Ansatzpunkte für eine Automatisierung von Prozessen, die bisher weitgehend durch Experten manuell durchgeführt wurden. Verschiedene IT-Systeme bilden hier keine Grenze mehr, eine Automatisierung kann applikationsübergreifend, ohne die Programmierung von komplexen Schnittstellen erfolgen.
Digitalisierung ist bisher aber eher ein Thema der operativen Prozesse, hier liegt in der Verkettung von operativen und Finanzprozessen im Sinne einer End-to-End-Prozessverknüpfung massives Effizienzpotenzial.
Natürlich haben integrierte ERP-Systeme auch bisher schon eine integrierte Schnittstellenwelt zwischen operativen Prozessen z. B. im Einkauf oder der Produktion und dem Finanzbereich geboten. SAP bucht z. B. schon immer zwischen den verschiedenen Modulen durch. Eine vollständige "digitale" Integration geht aber noch deutlich weiter. Auswirkungen von Handlungen und Handlungsoptionen, lassen sich direkt in die Finance-Welt überführen. Dabei werden Real-Time Analysen bei tatsächlichen, operativen Transaktionen und Real-Time Simulationen bei potenziellen Handlungsoptionen die Regel.
Beispiele sind hier:
- Daten stehen zunehmend in real time zur Verfügung, sodass Subprozesse wie Monitoring oder Abweichungsanalysen zunehmend in real time durchgeführt werden können (Wandel von reaktiv zu proaktiv);
- Zunehmend kürzere Prozessdurchlaufzeiten.
Zunehmende Bedeutung von Service-Organisationen
Service-Organisationen werden zunehmend die Auswirkungen des Digitalen Wandels zu spüren bekommen. Standardisierte Prozesse schaffen harmonisierte Basisdaten und sind somit eine ideale Ausgangsposition für den digitalen Wandel. Der Anteil an Service-Organisationen wird durch die Digitalisierung massiv zunehmen, der langjährige Trend in Richtung Shared Services und Center of Excellence wird sich verstärken. Die Größe der Service-Organisationen, gemessen an den notwendigen Mitarbeitern, wird sich aber gegenläufig entwickeln. Durch massive Sprünge in der Automatisierung wird der Headcount deutlich abnehmen und im Extremfall fast gegen Null gehen.
Die heute schon möglichen hohen Bandbreiten in der Vernetzung führen zudem zu einer weitergehenden Virtualisierung der Arbeitsplätze. Auch bisher gab es Home Office-Arbeitsplätze, bei denen sich Mitarbeiter "Arbeit nach Hause" mitgenommen haben. Zukünftig wird die Anbindung so eng sein, dass ein Kunde keinen Unterschied mehr zwischen zentral und dezentral arbeitenden Ansprechpartnern wahrnimmt.
Dies wird dazu führen, dass der Anteil der Prozesse, die im Controlling durch eine Service-Organisation durchgeführt werden, überproportional ansteigen wird, während die Anzahl der Personen, die in dieser Service-Organisation ‚physisch’ zentral gebündelt werden, jedoch abnehmen wird. Im Idealfall, wird es Competence Center mit vielen, virtuell arbeitenden Experten geben, standardisierbare Tätigkeiten werden durch Systeme übernommen (s. Abb. 3).
Abb. 3: Entwicklung der Shared Service-Organisation im Zeitverlauf
Charakteristika für die weitergehende Virtualisierung sind:
- Zunahme der Bandbreite und somit unterbrechungsfreie Konnektivität für hohe Datenvolumen;
- Workflows zur schnittstellenfreien Einbindung;
- Self-Service der Mitarbeiter durch Arbeitsvorrat oder zentral gesteuerte Disposition;
- Flexible Servicestruktur, z. B. virtuelle Telefonanlagen;
- Mobile IT-Infrastruktur.