2.1 Veränderungen im Geschäftsmodell: Ein Beispiel
Das Unternehmen hatte bis dato qualitativ hochwertige Konsumgüterprodukte an den Endverbraucher verkauft, wie z. B. Waschmaschinen. Des Weiteren wurde ein Reparatur- und Wartungsservice für diese Maschinen angeboten. Im Lauf der Jahrzehnte wurde zu diesem Zweck ein dichtes Service- und Vertriebsnetz aufgebaut.
In der jüngeren Vergangenheit setzte man sich intensiv mit neuen Geschäftsstrategien auseinander, mit diversen internen und externen Experten wurde eine Umstellung auf neue Geschäftsfelder diskutiert. Schließlich wurde die Idee entwickelt, einige Produkte nicht mehr nur ausschließlich zu verkaufen, sondern auch zu vermieten. Der Kunde kann nun unter verschiedenen Mietmodellen dasjenige wählen, das seinen individuellen Bedürfnissen am besten entgegenkommt. Als Novum wurde darüber hinaus vorgesehen, dass sich der Kunde bereit erklärt, dem Hersteller Daten aus der Nutzung zur Verfügung zu stellen.
Diese Veränderung hat fundamentale Auswirkungen auf die Organisation, die Prozesse, die Inhalte und die Systeme im Unternehmen für diesen Bereich. Ein paar Beispiele:
- Das Geschäftsmodell für die Produkte, die nun zu mieten sind, wird quasi auf den Kopf gestellt. Warum? Während es bis dato das Ziel der Unternehmung war, Produkte zu verkaufen und damit evtl. nur eine gewisse Lebensdauer zu erreichen, um neue Produkte auf den Markt zu bringen, ist es nun anders. Ein Mietmodell setzt ggf. einen anderen Anspruch an das Produkt. Es sollte (noch) weniger wartungsintensiv sein und möglichst lange (endlos?) halten. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Mieterträge und damit die Margen ohne zusätzliche Kosten konstant fließen.
- Das Mietmodell impliziert somit eine Veränderung im Wartungs- und Servicedienst. Während bis dato evtl. Module ausgewechselt wurden, ist es nun ggf. das Ziel, die Maschine zu erhalten und wenig Teile auszutauschen. Das bedeutet weniger Serviceeinsatz, weniger Serviceumsatz in diesem Angebot.
- Das Modell hat Einfluss auf Innovationen. Eventuell ist es interessanter und günstiger, neu entwickelte Ideen als Module in die schon bei den Kunden positionierten Geräte einzubauen bzw. Teile auszutauschen. Denn ein Austausch einer kompletten bereits etablierten Maschine bewirkt erhöhte Kosten in der Logistik, im Werk und bei der Planung.
- Wenn Modelle nun quasi endlos leben sollen und nur erneuert werden, so wirkt dies sich eventuell auf den Sekundärmarkt (Gebrauchtmaschinen) aus, sofern für diese Produkte Märkte bestehen. Damit ändert sich der Ersatzteilmarkt, der bekanntlich meist sehr margenintensiv ist, weil einfach weniger Gebraucht- bzw. Altmaschinen auf dem Markt sind. Das hat damit auch Auswirkungen auf das Ersatzteillager und den dortigen Warenumschlag.
Das Preismodell verändert sich. Während man bis dato ggf. ein Produkt mit seinen Herstellkosten und einem Margenaufschlag kalkuliert hat, spielen nun evtl. zusätzliche oder andere Aspekte eine Rolle, denn die Maschine bleibt bei einem Mietmodell vielleicht im Anlagevermögen des Herstellers. Ferner müssen entsprechend der zu erwartenden unterschiedlichen Nutzung (Singles, Familien, Hotels etc.) individuelle Preisangebote für die Mietmodelle unterbreitet werden.
Das bedeutet aber auch, dass sich die Unternehmung bei der Kalkulation der unterschiedlichen Kundengruppen über die erwartete Nutzungsdauer und Anfälligkeit des Produkts im Klaren sein muss (je mehr Waschvorgänge in einem Zeitrahmen, desto höher ggf. der Verschleiß).
Es muss also zunächst ein marktfähiger und der Preiselastizität des Kunden angepasster Preis gefunden werden. Dies ist meist einfacher zu lösen, wenn man als erster und einziger am Markt ist. Bei mehreren Anbietern hingegen wird die Marge noch zusätzlich dem Wettbewerberdruck ausgesetzt.
- Der Liquiditätsfluss wird ein völlig anderer sein, da nun Mieterträge in Zeitabschnitten bezahlt werden und kein einmaliger Kaufpreis. Das erfordert neue Ansätze in der Liquiditätsplanung.
- Die Verfügbarkeit von (Massen-)Daten verändert die Analyse und die Parameter bei den Analysen. Während man sich bisher für die Marktdaten im Marketing und auch in der Produktverantwortung eher pauschal auf aggregierter Ebene interessiert hat, kommen nun sehr viele (evtl. sehr detaillierte) Daten ins Haus. Es muss also ein völlig anderes Analyse- und Reporting-Instrument entwickelt werden.
- Es ergeben sich ggf. neue Geschäftspartner, die mit den Kundendaten ebenso arbeiten könnten und durch Kombination neue Angebote entstehen lassen (z. B. Hersteller von Waschpulver, Weichspüler etc.). Auch hier muss sowohl vom Marketing als auch von der Preiskalkulation neu gedacht werden. Ebenso müsste evtl. ein Preis ermittelt werden für die (anonymisierten) Daten, die an Unternehmen auch weiterverkauft werden könnten.
- Durch die Datenschutz-Grundverordnung ergeben sich für Verträge (sowohl mit Endkunden als auch mit Unternehmen, die sich für die Daten interessieren) und Datensicherheit neue Anforderungen.
- Die Servicetechniker müssten anders geschult werden, denn nun sollen sie möglich...