Dr. Philipp Thiele, Prof. Dr. Mike Schulze
Zwei Optionen: Projekt- vs. Linienstruktur
Die Studie gab Aufschluss über die angewandten Strukturen zur Implementierung einer integrierten Berichterstattung. Hierbei standen vor allem zwei unterschiedliche Optionen im Fokus: zum einen eine eigens für diesen Zweck etablierte Projektstruktur und zum anderen eine Implementierung, die in den bestehenden Linienstrukturen abgebildet wurde.
3.2.1 Projektstruktur
Projektleitung bestehend aus zwei Bereichsverantwortlichen
Zwei der an der Studie teilnehmenden Unternehmen haben für die Implementierung eigene Projektteams gegründet, die über einen Zeitraum von 3 – 4 Jahren die Implementierung der integrierten Berichterstattung umsetzen sollten. Hierzu wurde bei beiden Unternehmen eine Doppelverantwortlichkeit in der Projektleitung eingerichtet. Im ersten Unternehmen waren der Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements sowie der Leiter der Unternehmenskommunikation für die Leitung des Projektteams verantwortlich. Im zweiten Unternehmen oblag dies dem Leiter Rechnungswesen und dem Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements. Diesen Projektleitern wurden dann jeweils Mitarbeiter aus verschiedenen Funktionsbereichen (u. A. Strategie-, Personal-, Marketing-, Finanz-/Controllingbereich) als Projektteam zugeordnet. Auf Grundlage wöchentlicher Meetings haben diese Projektteams sowohl die Konzeptphase als auch in der Folge die Umsetzungsphase durchlaufen.
In der Umsetzungsphase sind die beiden Unternehmen unterschiedlich vorgegangen. Das erste Unternehmen hat eine schrittweise Implementierung der integrierten Berichterstattung angewendet, während das zweite Unternehmen diese in einem Schritt umgesetzt hat. Die schrittweise Einführung ermöglichte eine leichtere Projektsteuerung und eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Abläufe und Strukturen. Allerdings führte diese Form, im Gegensatz zur Implementierung in einem Schritt, auch zu einem erhöhten Aufwand und einer zeitlichen Verzögerung der Umsetzung.
Kontrollgremium zur Qualitätssicherung
Bei beiden Unternehmen wurde ein Kontrollgremium installiert, das den Fortschritt des Projektteams monatlich überprüft hat. In beiden Fällen war neben verschiedenen Bereichsleitern auch der Vorstand Finanzen ein Mitglied dieses Gremiums. Das Kontrollgremium war bei einem der beiden Unternehmen auch federführend verantwortlich für den Kulturwandel im Unternehmen.
Abb. 4: Projektstruktur eines der befragten Unternehmen
3.2.2 Linienstruktur
Die weiteren drei befragten Unternehmen steuerten die Implementierung der integrierten Berichterstattung aus der bestehenden Linienfunktion heraus und gründeten hierfür weder eigene Projektteams noch andere temporäre Organisationsstrukturen. Die jeweiligen Themenstellungen wurden in den Unternehmen zunächst abteilungsintern konzeptionell bearbeitet. Im Anschluss daran erfolgte, nach Vorstandsbeschluss, ein bereichsübergreifender Austausch zum weiteren Vorgehen der Umsetzung. Im Rahmen von kontinuierlichen Treffen haben die Abteilungsleiter dann Arbeitspakete definiert, die daraufhin in den entsprechenden Funktionsbereichen bearbeitet wurden. Im halbjährlichen Rhythmus haben sich die Abteilungsleiter getroffen, um den jeweiligen Ergebnisstand ihres Funktionsbereiches zu präsentieren und abzustimmen.
3.2.3 Abschließende Beurteilung von Projekt- und Linienstruktur
Projektstruktur weist klare Vorteile auf
Die Praxisstudie verdeutlicht den Mehrwert einer eigens für die Implementierung einer integrierten Berichterstattung geschaffenen Projektstruktur. Die Einzelinterviews zeigten vor allem die Vorteile der Projektstruktur auf und verwiesen auf die Nachteile einer Linienstruktur. Als wesentliche Vorteile der Projektstruktur wurden genannt:
- Implementierung der integrierten Berichterstattung erhält einen höheren Stellenwert im Unternehmen,
- regelmäßiger funktionsübergreifender Austausch auf operativer Ebene ermöglicht Entwicklung des Integrated Thinking sowie
- klare Verantwortlichkeitsstrukturen im Unternehmen sind über die bestehende Projektleitung definiert.
Im Gegensatz hierzu wurden hinsichtlich der Linienstruktur folgende wesentliche Nachteile genannt:
- Erhöhter Mehraufwand durch die Implementierung der integrierten Berichterstattung, da keine Reduktion der Standardaufgaben erfolgte,
- unklare Zuständigkeiten bei der Implementierung, die teilweise zu Insellösungen bei der Ausarbeitung der Arbeitspakete führte sowie
- ein einheitliches Verständnis einer integrierten Berichterstattung war nicht existent.
Die Aussagen der Studienteilnehmer belegen eindeutig, dass Unternehmen bei der Implementierung einer integrierten Berichterstattung nach Möglichkeit ein eigenes Projektteam zusammenstellen sollen, das sich wiederum ausschließlich mit den Herausforderungen der Umsetzung einer integrierten Berichterstattung beschäftigt. Der Arbeitsaufwand für die Implementierung ist nach Ansicht der Befragten nicht neben der normalen Linientätigkeit zu bewerkstelligen und führt in der Folge zu einer verminderten Qualität der Berichterstattung.